Freitag, 30. Juli 2010

help wanted - Die Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek steht zur Diskussion

Es ist Sommer und der Blitz trifft nicht zufällig häufiger Kulturinstitutionen - alle sind im Urlaub. Nachdem zuletzt die inzwischen schon wieder zum kommerziell ausschlachtbaren Sommermärchen erklärte WM die Masse von dem unschönen Sparpaket des Bundes ablenkte, sind es nun die Schulferien auf kommunaler Ebene...

Jüngstes Opfer ist die für Köln und das Rheinland unverzichtbare Kunst- und Museumsbilbiothek - ein für zahlreiche, auch aus dem benachbarten Ausland anreisende Forscher bedeutender Ort. Wie viele Magister- und Doktorarbeiten, wissenschaftliche Aufsätze und Artikel nur dank der einzigartigen Fülle an Literatur der im Museum Ludwig befindlichen Bibliothek geschaffen wurden, ist leider nicht bekannt. Doch die Besucherzahlen sprechen für sich...

Neues aus Absurdistan: Umzug ins Kölner Stadtarchiv

Trotz der nachweisbaren Bedeutung der Institution ist sie erneut vom Aus bedroht. Zynisch absurd mutet der Plan an, die Bestände der Institution in das verschwundene Stadtarchiv zu integrieren - Köln scheint sich als Metropole der versunkenen Kulturinstitutionen etablieren zu wollen. Ist das Konzeptkunst oder hat da vielleicht jemand das berühmte Bonmot vom musée imaginaire missverstanden?

Ein Brief der Freunde der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln e.V. mit der Bitte um eine eindeutige Stellungsnahme zur Zukunft der Institution wird weiter unten mit der Bitte um Unterstützung eingebunden.

Der zweite Lesesall der KMB im Museum für Angewandte Kunst © RBA Köln

Schauen Sie doch einfach mal dort vorbei. Genießen Sie die Ruhe und Fülle an guten Zeitschriften und die rasch verfügbaren, unzähligen Bücher. Doch wer die Bibliothek vorab auch ohne Visite unterstützen möchte, der sei an den Förderverein und die Online-Petition erinnert.

Zitat:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zuge der Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen der Stadt Köln steht die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln (KMB) auf der Sparliste. D.h. die KMB soll geschlossen werden und das zu ihr gehörende Rheinische Bildarchiv soll dem Stadtarchiv zugeschlagen werden. Damit wird nicht nur eine der größten Dokumentationseinrichtungen zur Modernen Kunst und Fotografie zerschlagen, zusätzlich wird die Bibliothek – durch die Schließung – der Öffentlichkeit entzogen.

Darüber hinaus würde eine jahrzehntelang gewachsene und mit öffentlichen Geldern geförderte Einrichtung und Wissenschaftsstruktur unwiederbringlich zerschlagen. Dies wäre ein großer und nicht zu verantwortender Verlust nicht nur für Köln, sondern für die gesamte deutsche und internationale Kunst- und Wissenschaftslandschaft.


Als Förderverein der KMB bitten wir um eine knappe, aber eindeutige Stellungnahme von Ihnen zugunsten der KMB, als Dokumentationseinrichtung der Kunst, in ihrer Einheit von Bibliothek und Bildarchiv, die wir im Rahmen unserer öffentlichen Proteste gegen die Spar- und Streichungspläne verwenden dürfen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Damian van Melis
Walther König
Prof. Dr. Stefan Grohé
Freunde der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln e.V.

Kattenbug 18-24 

50667 Köln

Tel.: 0221/221-22438
E-Mail: freundekmb[ät]web.de"

Zitat Ende


Service:
Kunst- und Museumsbibliothek
(im Museum Ludwig)
Heinrich-Böll-Platz / Bischofsgartenstraße 1

50667 Köln
Telefon 0221/221-2 26 26

Öffnungszeiten
Mo 14 - 21 Uhr

Di - Do 10 - 21 Uhr
Fr 10 - 18 Uhr
Lobenswert: keine Gebühren und kompetentes wie freundliches Personal

Weitere Infos zum Thema und der Petition

Köln Kultur - Theater kann abhärten - Orangerie II

Schön, aber marode. Ein Blick auf die Orangerie im momentanen Zustand. © Orangerie

Die Orangerie im Volksgarten hat wie die zuletzt vorgestellte Kölner Simultanhalle eine wechselvolle und - je nach Gemüt - wunderbare Geschichte.

Leider ist auch diese weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Kölsche Institution für zeitgenössische Kunst (Tanz und Theater) so wie die Artothek oder die Kunst- und Museumsbibliothek durch die erneuten Sparmaßnahmen letztlich in ihrer Existenz bedroht. kunstlich.com hatte bereits im Juni darüber berichtet und die Pläne vorgestellt (siehe hier).


'Wir hätten gerne eine gut ausgebaute Orangerie', meint Kulturdezernent Schmidt-Werthern und manövriert mit dem Konjunktiv geschickt durch die Diskussion

Hans Christoph-Zimmermann formuliert treffend in seinem Artikel (Stadtrevue 8/2010, S. 56) über den aktuellen Stand der Diskussion um Erhalt und Sanierung der Institution: "Theater kann abhärten. Besonders, wenn man im Winter die Orangerie im Volksgarten besucht. (...)" Um die notwendigen Wolldecken und andere durch den gigantischen Sanierungstau entstandenen Mängel zu beheben, müsste die Stadt Köln endlich kräftig investieren.


Aprospos Scheine: In Asien gibt es ein schönes Ritual, das nicht mit dem postmodernen bzw. aktuellen an den Börsen verwechselt werden wollte, mehr dazu am Ende dieses Beitrags...

Und jetzt alle: Et hätt noch immer jot jejange


Kein Problem für die Dommetropole, den Termin für den Antrag auf Zuschüsse für Städtebauförderungsmittel hat sie schon mal verstreichen lassen, Vielleicht springen ja die Kölner Privatbanken und Immobilienfondsgesellschaften ein, die dank Messe und Co. über satte Mieteinkünfte verfügen...

Aber zurück zur Geschichte und der Parallele zur Simultanhalle. Der Orangerie genannte, zum Teil unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplex im Volksgarten war Teil der Befestigungsanlagen der ehemals um seinen Reichtum beneideten Domstadt. Lünette 3 genannt diente die Orangerie dem Schutz eines Munitionsdepots.


make
art not war - Blumen statt Munition

Später, im Zuge der Stadterweiterung am Ende des 19. Jahrhunderts, wurde der Komplex in den neu geschaffenen Volksgarten integriert. Das ehemalige Depot wurde eine Gärtnerei und beherbergte zugleich die opulente die Dienstvilla des Gartenbaudirektor; ja auch solche gutdotierten Stellen gab's mal... Seit 1991 wird der Ort von freien Theatergruppen und Tanzkompanien als Probe- und Spielstätte genutzt.

help wanted

Wer den Ort unterstützen möchte, der sei auf das Gästebuch der Orangerie verwiesen und an den Förderverein erinnert. Aprospos: Zuletzt (27. - 29. Juli) wurde unter dem Titel Bin ich Arbeit? ein spartenübergreifendes Programm zur Integration arbeitsloser Kunst- und Theaterschaffender präsentiert. Aber Moment, auch diesem Thema hat sich kunstlich.com unter dem Titel Anpackprämie für Kunst und Kultur bereits gewidmet.

Wer also mehr die prekären Zustände im Kulturproletariat erfahren möchte, der lese hier weiter.


Service:
Orangerie
Theater im Volksgarten e.V.
Volksgartenstraße 25
50677 Köln
fon: 0221-952 27 09
fax: 0221-952 27 07
info@orangerie-theater.de

Anhang:

Hier das versprochene PS zu den Scheinen:
In Asien gibt es ein schönes Ritual: Geschenke wie Geld, Essen und Konsumgüter können an die verstorbenen Verwandten und Ahnen gesendet werden, um diese somit - je nach Charakter und Situation - zu pflegen, zu verwöhnen und natürlich auch zu versöhnen. Dafür muss das Geschenk - wie der hier gezeigte Geldschein der Heaven bzw. Hell Bank - verbrandt werden.

Das Verbrennen der Gaben dient der Transformation und anschließenden Übertragung ins 'Jenseits'. Heute werde für dieses von traditionellen Opfergaben abgeleitete Ritual Konsumartikel aller Art - Autos, Häuser, Computer... - im Miniaturformat
aus Pappe gefertigt. Wer z. B. der Orangerie oder anderen Hilfsbedürftigen etwas auf diese Art zukommen lassen möchte, der findet die Scheine im Asiashop um die Ecke.

Kunst verbrennen statt stiften?

In der Kunstwelt sorgte der inzwischen verstorbene japanische Sammler Saito Ryoei zu Beginn der 1990er Jahre mit einem dem Ritual verwandten Wunsch für Aufsehen: Er kaufte für dem damaligen Kunstmarkthype geschuldete, unglaubliche 160 Millionen Euro einen van Gogh und einen Renoir. Ein damals rekordverdächtiger Kaufpreis.

Ja wo sind sie denn nun?

Die von ihm geliebten Bilder sollten mit ihm - einem japanischer Brauch entsprechend - im Sarg verbrannt werden. (siehe dazu den Literaturtipp 'Das kann ich auch' S.244)
Manche behaupten sein Sohn besitze heute - nachdem erregte Kunstliebhaber den Vater vor seinem Tod 1996 von der Verbrennung der Werke abbrachten - die Werke, andere schreiben, die Werke seien bis heute verschollen...

Interessierten sei als Quelle für diesen Kunstkrimi das folgende Buch empfohlen:
Cynthia Saltzman: Das Bildnis des Dr. Gachet.
Insel Verlag
Frankfurt 2003
ISBN 3-458-34577-9

Donnerstag, 29. Juli 2010

Die Mutter des Museum Ludwig lädt ein: Sommerfest Simultanhalle 14. August

Ein Kunstleuchtturm steht unter Denkmalschutzverdacht: Die hell erleuchteten Shed-Dächer der Simultanhalle locken Freunde zeitgenössischer Kunst seit den 1980er Jahren in den Kölner Norden. © Simultanhalle

JOUR DU NORD/ FÊTE DU NORD
14. August ab 17 Uhr:
Das große Sommerfest der Simultanhalle

Programm:
- Performances von
Philipp Hamann (Köln), Bettina Hutschek (Berlin), Milo Köpp (Köln) und Tobias Sternberg (Berlin)
- ab ca. 22 Uhr FÊTE DU NORD mit The Joe Elegant Experience und DJs Maynor Suazo + Eddie Sayyid

Hintergrundinformation zum Ausstellunsort Simultanhalle

Kunst heilt Wunden

Nach dem verheerenden Attentat eines geistig verwirrten Kriegsveterans in der Volkhovener Dorfschule (heute Köln-Volkhoven) wurde die Schule 1964 geschlossen. Mit einem Flammenwerfer und einer Lanze tötete der Attentäter acht Kinder und zwei Lehrerinnen. Die Überlebenden leiden noch heute an den Folgen der Tat.

Die verschiedenen Fassadenverkleidungslösungen lassen sich noch heute gut an der Rückseite des Miniaturmuseums erkennen. © Simultanhalle

Wie Phoenix aus der Asche

Die geschockte Gemeinde wollte den Ort nicht weiter im vorherigen Sinne nutzen. Im Laufe der Jahre zogen zahlreiche Künstler wie die aus Prag stammende Eva Janoskova auf das verwaiste Schulgelände. Behutsam belebten sie das Gelände wieder, nutzen die Gebäude als Ateliers und verwandelten den Ort kontinuierlich in eine neue, grüne Idylle.


Das Museum in der Peripherie

Die Architekten Busmann und Haberer errichteten 1979 auf einer Freifläche hinter den ehemaligen Schulgebäuden den Prototypen des späteren Wallraf-Richartz-Museums/Museum Ludwig (das heutige Museum Ludwig). Die von zwei charakteristischen Shed-Dächern überwölbte, elf x elf Meter große Halle diente der Erprobung von Bodenbelägen, Wandverkleidungen und der Lichtführung.

© Simultanhalle

Künstler besetzen die Halle


Die noch heute in dem ehemaligen Schulgebäude ansässige Künstlerin Eva Janoskova verhinderte 1983 den Abriss des Miniaturmuseums. Sie organisierte Atelierausstellungen für Kollegen und sorgte mit einer Copy-Art-Ausstellung für Aufsehen. Ein Jahr später wurde das Kulturamt der Stadt Köln schließlich offizieller Träger der Halle. Und seit 1989 wird das künstlerische Programm der Simultanhalle von verschiedenen ehrenamtlichen Kuratoren in Folge gestaltet.

Die Institution und der Förderverein

1990 fanden sich Freunde in einem gemeinnützigen Förderverein zusammen. Bisher konnten sich annähernd 200 Künstler in der Simultanhalle in Einzel- oder Gruppenausstellungen präsentieren. Darunter sind inzwischen etablierte Künstler wie Walter Dahn und zuletzt auch prominentere Positionen wie Kai Althoff und Jutta Koether. Dank des teils hochkarätig besetzten Programms sorgte die Simultanhalle auch über die Region hinaus für Aufsehen und konnte sich als Ort für zeitgenössische Kunst auch international etablieren.

Im Innenraum befindet sich eine kleine Bühne - perfekt für Performances und Auftritte aller Art. © Simultanhalle

Der Name

Namensgebend für die Simultanhalle war die Einweihung des fiktiven "Klaus-Peter-Schnüttger-Webs-Museums“ der Video-Künstler Bettina Gruber, Maria Vedder und Ulrich Tillmann am 6. September 1986. Sie fand zeitgleich zur Eröffnungsfeier des Wallraf-Richartz-Museum / Museum Ludwig statt und wurde mit diesem durch Konferenz-Schaltung verbunden: Das Wechselspiel (die wahrhaftige Simultaneität) von klassischer, etablierter und zeitgenössischer Kunst wurde durch die Videobilder sinnlich erfahrbar.

Temporäre Intervention: Blockhaus trifft white cube

Der russische Künstler Igor Sacharow-Ross
veränderte die Simultanhalle im Jahre 2000 radikal: Sein Architektur-Objekt "sapiens|sapiens", ein massives, fensterloses Blockhaus, ergänzte die Simultanhallen-Architektur mit einer eindrucksvollen Präsenz. Wie die Simultanhalle war das Blockhaus als temporäres Projekt geplant, stand jedoch dem Kölschen Kulturchaos entsprechend bis zum August 2004 vor der Halle. Dann wurde das traditionelle udmurtische Blockhaus abgebaut und auf dem Gelände eines Kölner Berufskollegs wiedererrichtet, wo es seitdem dem Konzept Igor Sacharow-Ross' entsprechend als Ort des kulturellen Austausches dient.

Das aktuelle Konzept

Analog zum Modellcharakter der Architektur folgt das Ausstellungsprogramm dem Geist des Entwurfs und Experiments. Ziel des stetig wechselnden Kuratoriums ist es, aktuelle Positionen von etablierten Zugpferden mit weitgehend unbekannten Künstlern zu kombinieren, vorrangig solche, die speziell für die Simultanhalle konzipiert werden.

Denn der Bau und Ort bieten, umschlossen von einem Vorstadtidyll, einen grandiosen Blick auf die Burgkrone der Hochhäuser der 1970er Jahre Satellitenstadt Köln-Chorweiler. Und das alles gibt's mit perfekter Verkehrsanbindung, denn die S-Bahn Linie 11 vom Kölner Hauptbahnhof braucht keine 15 Minuten. Die fetten Jahre lassen Grüßen...

Nach zahlreichen Renovierungsmaßnahmen - der Bau war für den baldigen Abriss konzipiert - ist der Innenraum wieder intakt. Noch 2003 mussten Eimer und Wannen das eindringende Regenwasser auffangen. © Simultanhalle

Fazit: Unabhängige und nichtkommerzielle Kunstorte wie die Simultanhalle sind dank der Sparmaßnahmen mehr denn je von der Schließung bedroht. Doch durch regelmäßige Besuche, Mundpropaganda oder eine Mitgliedschaft im Förderverein kann jeder seinen Beitrag leisten!

Und fernab von Kunst und der jeweiligen Ausstellung lohnt bereits der ungewöhnliche Ort mit seiner wunderbaren Architektur die Reise, also hingehen!

Service:
Simultanhalle
Volkhovener Weg 209-211
50765 Köln
Lobenswert: immer freier Eintritt und faire Preise
Kontakt
0163 4016161

Links:
- Der Spiegel über das Attentat 1964 in Volkhoven
- Anja Bach: Das Attentat von Köln-Volkhoven
- Barbara Peter: Das Herz der Stadt stand still. Das Flammenwerfer-Attentat von Köln-Volkhoven. SH-Verlag, Köln 2004, ISBN 3-89498-144-X

Mittwoch, 28. Juli 2010

PKK - Kunstkritik zum Mitmachen - VI: Robert Wilson - Video Portraits - ZKM Karlsruhe

Flyer für die Ausstellung "Robert Wilson - Video Portraits" © Robert Wilson und ZKM, Karlsruhe

Postkartenkritik zur Ausstellung "Robert Wilson - Video Portraits" von Desislava Gavrilova
©
Desislava Gavrilova

PS: Wer eh im Süden auf Kunstexkursion war, konnte angeregt von Wilsons Videoportraits auch eine Tour nach München machen, denn dort war ein 14 Minuten langes Videoportrait von Gilbert und George (1972) im Kontext der Ausstellung "weniger ist mehr" im Haus der Kunst zu sehen.

Das Video kann als interessanter Vorläufer der Werke Wilsons gelesen werden und der Blick in die erstmals gezeigte Sammlung Herman und Nicole Daled war einfach großartig. Bleibt zu hoffen, dass die Sammler ihre Schätze auch in anderen Museen zeigen werden.

Service:
Robert Wilson - Video Portraits
bis 22. August

Eintritt: 5 Euro
Öffnungszeiten:
Mi - Fr, 10-18 Uhr
Sa - So, 11-18 Uhr
Lobenswert: freier Eintritt immer freitags ab 14 Uhr
ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
Lorenzstraße 19
76135 Karlsruhe

Donnerstag, 15. Juli 2010

Skandal II: Verbotene Kunst - das Urteil

Nur einige skandalöse Cover des Satiremagazins Titanic aus den 1980er. Die Titelblätter findet man in dem bemerkenswerten Band Titanic - das endgültige Satirebuch:Das Erstbeste aus 30 Jahren und waren zuletzt in Kassel zu sehen.
©
Titanic


Moskau: Anfang dieser Woche bewies Russland leider erneut, dass es nicht zu unrecht wegen Verstössen gegen Kunst- und Pressefreiheit kritisiert wird. 2008 wurden unter dem Titel Verbotene Kunst Werke gezeigt, die zuvor der Selbstzensur russischer Museen zum Opfer gefallen waren.

kunstlich.blogspot.com hatte bereits im Mai darüber unter dem Titel Skandal, Zensur und die alte Frage: Was darf Kunst? berichtet und jetzt ist das Urteil gegen die Angeklagten (der Verantwortliche für die Ausstellung Andrej Jerofejew, damals Kurator der Tretjakow-Galerie, und Juri Samodurow, damals Direktor des Sacharow-Zentrums) offiziell verkündet:

Glück gehabt, nur 9000 Euro Strafe statt Lagerhaft?

Zwar müssen Jerofejew und Samodurow nicht für drei Jahre ins Lager, was die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, sondern zusammen 'nur' rund 9000 Euro Strafgeld zahlen. Doch "wir werden das Urteil anfechten", sagte der russische Kunsthistoriker Jerofejew nach dem Richterspruch.

Der Tatbestand: Die Angeklagten haben religiöse Zwietracht und nationale Zwietracht
geschürt

Jerofejew und Samodurow wollen Einspruch einlegen und notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg um einen Freispruch kämpfen. Es bleibt abzuwarten, ob die russische Justiz die heute angekündigte Klage vor dem Straßburger Gericht noch verhindern und ihre Glaubwürdigkeit retten kann.

Service/Links zum Thema:
- kunstlich.com über Skandal, Zensur und die alte Frage: Was darf Kunst?
- 3sat kulturzeit zum Urteil
- spiegel.de zum Urteil (siehe Der Spiegel, 28/2010, S. 118)
- Deutschlandfunk zum Urteil
- art zum Urteil

Montag, 12. Juli 2010

Neue Ausschreibungen

Aktualisierte Ausschreibungen und Wettbewerbe findet man bei kunstlich.com wie gewohnt unter der Rubrik Bewerben.

Siehe Bewerben und wie immer viel Glück!

Freitag, 9. Juli 2010

Gepflegtes Gemetzel in nobler Kulisse

Ein wahrhaft göttliches Gemetzel à la Hieronymus Bosch

Wir können nicht miteinander leben - aber dennoch versuchen wir es immer wieder...

Missverständnisse sind bei genauerer Betrachtung der Kern fast aller Probleme und Auseinandersetzungen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Familie, Erziehung, private, geschäftliche oder zwischenstaatliche Beziehungen handelt.

Autorin Yasmina Reza, die bereits mit dem Stück 'Kunst' - ein Streit über ein weißes Quadrat - für Furore sorgte und dafür mit dem Prix Molière ausgezeichnet wurde, hat ein feines Gespür für den alltäglichen Wahnsinn zwischenmenschlicher Beziehungen.

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr?

In der kleinstädtischen Idylle Neersens wird nun das Stück Der Gott des Gemetzels in passender Kulisse präsentiert: Das Schloss wird zur Terrasse versnopter Gutmenschen. Es ist ein Stück über Schüler, die sich verprügeln und Eltern, die den Streit schlichten wollen. Doch letztere verlieren schnell die Fassung und gehen nicht nur verbal ebenso brutal aufeinander los, ganz so wie die vermeintlich naiven bzw. noch primitiven Kleinen.

Es ist ein genau beobachtetes, zeitloses Stück. Doch genau deshalb fiel und fällt die Reaktion des Publikums auf die bewusst burleske Auseinandersetzung der vermeintlich gesitteten Eltern trotz gezielt gesetzter Schenkelklopfer teils rechts schüchtern aus - das Lachen scheint oft im Halse stecken zu bleiben. Denn der Spiegel, den Reza dem Publikum vorhält, erinnert wohl zu sehr an die eigenen Beziehungsrituale.

Zahn um Zahn, Handy, Kokoschka und die Handtasche

Das mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Theaterstück war eines der erfolgreichsten Stücke der letzten Jahre und die Presse befahl meist eindeutig: Hingehen, ein Muss! In diesem Sinne sei allen glücklichen und unglücklichen Paaren, Eltern und Nichteltern die Reise zum Schloss in Neersen empfohlen.

Links: Kritik der Inszenierung des Residenz-Theaters München

Service:
Freilichtbühne Schloss Neersen
Hauptstr.6
47877 Willich
02154 949132

Donnerstag, 8. Juli 2010

Klein und fein, aber nicht nur zur, sondern... Die Sache 2010

'Der Inbegriff der Kunst ist ein graduiertes Glas. Jede Zeit gießt ein bestimmtes Quantum hinein (…).'
El Lissitzky in: K. und Pangeometrie, 1925.

Die Künstler Arne Eberhardt, Daniel Koval, Kyrill Koval und Jürgen Stollhans haben sich von den Theorien und Werken des Multitalents El Lissitzky inspirieren lassen und präsentieren bis zum 23. Juli Typographie, Objekte und Fotografien im Foyer der 'Schilling Architekten' in Köln.

Namensgebend für das Projekt ist die Anfang der 1920er Jahre erschienene Zeitschrift
'Gegenstand' oder besser 'Sache', denn so lautet die genauere Übersetzung von El Lissitzky und Ilja Erenburg. Die Zeitschrift sollte der Kommunikation der Avantgarde in Europa dienen, besonders zwischen Bauhaus und Konstruktivisten.

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die legendäre Punkplatte der frühen 1980er, sondern ein Werk von Jürgen Stollhans (O.T., 2010, Legosteine, 60cm x 60cm)
© Jürgen Stollhans, Kyrill Koval (Foto)

Die vier in Köln gezeigten Positionen zeigen, dass
Lissitzkys Ideen über die Wechselwirkung zwischen Zeit, Gegenstand und Raum, wie sie sich u.a. in der Zeitschrift 'Die Sache' manifestierten, ihre Kraft auch aus heutiger Sicht nicht verloren haben.

Daniel Kovals ornamentale Arbeit 'Isometrie' (2010, Folienschnitt auf Glas, 260cm x 270cm) bildet eine Brücke zwischen Innen- und Aussenraum. Das Sitzobjekt dagegen heisst 'Prototype Nr. 4' (2010, Schichtholz, GFK, 80cm x 43cm x 55cm) und wurde von Arne Eberhardt geschaffen. © Daniel Koval, Arne Eberhardt, Kyrill Koval (Foto)

Das Ausstellungsprojekt 'Die Sache' möchte die Werksynthese des Bauhauses in einer neuen Fassung aufleben lassen. In diesem Sinne haben sich die Künstler vereint, um mit den jeweils eigenen Mitteln auf die ehemals revolutionären Gestaltungs- und Formtheorien zu reagieren.

Gemeinsam mit dem Raum


Es war also ein Experiment, ein Workshop und nur die während diesem Projekt entstandenen Arbeiten werden jetzt im wunderbar schlichten Ausstellungsraum des Architektenhauses ausgestellt. Dabei handelt es sich um eine sehr stimmige Konstellation. Die Künstler lassen den aus Sichtbeton und Glass gebildeten Raum eine aktive Rolle in der Interaktion zwischen den ausgestellten Positionen spielen.


Jürgen Stollhans verweist mit seiner Arbeit ('O.T.', 2010, Druck auf Nessel, 2-teilig, 60cm x 480cm) sicher nicht zu unrecht auf Parallelen zur Pop-Art. Daniel Kovals 'Wohnungsanzeige' (2008, Digitalprint auf Kapa, Maße variabel) dagegen erinnert deutlich an das Werbedesign des frühen 20. Jh. und die Botschaft lässt schmunzeln.
© Daniel Koval, Jürgen Stollhans, Kyrill Koval (Foto)

Daniel Kovals 'Wohnungsanzeige' (2008, Digitalprint auf Kapa) im Detail © Daniel Koval

Das Nachdenken über den Stellenwert und die Wirkung des Objektes in heutiger Kunst nach der Pop-Art, der Subversion der 1980er und der Renaissance narrativer Konzepte stehen im Zentrum der Ausstellung.

MERZ WERBEZENTRALE - Kurt Schwitters lässt grüßen

Hinzu kommt die Reflektion über Materialen und Techniken, die dem Bauhaus noch nicht zugänglich waren. Und wie funktionierte eigentlich der Austausch von Ideen und Arbeitsweisen der Avantgardisten zu Beginn der 1920er Jahre? Auch solche Fragen sind für das Projekt von Bedeutung.



'Im Fluss der Formen gibt es verbindende Gesetze, und die Meister der Neuzeit fürchten nicht etwa, wie erstarrte Formen zu beleben sind, sondern die ewigen Gesetze der Klarheit, der Ökonomie, der Gesetzmäßigkeit.'
El Lissitzky im Einführungsheft der Zeitschrift 'Gegenstand' (Sache) 1922.


Laut Presserklärung sind die wichtigsten Thesen dieser kleinen aber feinen Ausstellung die Folgenden:

- Kunst bedeutet nichts anderes als das Schaffen neuer 'Gegenstände' also das Schaffen des Gegenwärtigen in der Gegenwart.
- Kunst ist nicht da um das Leben zu schmücken, sondern um es zu organisieren.
- Ideen entspringen der Industrie, dem Erfindertum, Verkehr, Reklame, Zeitungssprache etc.
- Objekte sind nicht unbedingt für den Konsum erschaffen.

- Inspirationen für neue Objekte werden auf der Strasse, im urbanen Raum gefunden.

Fazit: Das Ausstellungsprojekt bildet eine interessante, sachliche und zum Teil kritische Referenz zu Kunst und Design des Bauhauses sowie des Konstruktivismus. Es ist der gelungene Versuch einer 'modernen Auflage' der noch lange nicht veralteten Avantgarde des frühen 20. Jahrunderts.

Service: noch bis zum 23. Juli
Öffnungszeiten: Mo - Fr: 11 - 18 Uhr
Eintritt frei!

Schilling Architekten
Gereonswall 75
50670 Köln
Führung: nach Vereinbarung unter
0221 51090230

Montag, 5. Juli 2010

Fussball ist unser Leben II

So sind sie, die Deutschen Fans: dumpf und bierselig, zumindest aus holländischer Perspektive. Screenshot eines aktuellen niederländischen Energie-Werbespots.
© nuon, Quelle youtube

Angesichts aktueller, ungeahnter Geschehnisse muss sich kunstlich.com erneut DEM großen Thema der Zeit widmen: Fussball, ein Spiel, das die Massen nicht zuletzt aufgrund seiner so lebensnahen Ungerechtigkeiten fasziniert - manche nennen das dann Schicksal oder gar Gottes Hand.

Dass Fussball auch eine Art Kunst ist, steht ja nicht erst seit der vermeintlich brasilianisch spielenden, jungen Nationalelf fest, die so ganz nebenbei auch noch die hiesige Migrationsdebatte positiv zu beeinflussen droht. Wer erinnert sich angesichts der nun so herzlich gelobten Helden, die oft keine typisch deutschen Namen auf dem Trikot tragen, noch an die Bananenattacken gegen Asamoa? Schwamm drüber?

Orwell, Huxley und die FIFA

Auch wer sich nicht dem Spiel und dem Massensog ergibt, kommt nicht um die Werbebotschaften herum. Denn dank der multimedialen Berichterstattung werden die großen Sponsoren und vor allem DER Veranstalter auch Fussball- und Massenmuffeln durch Auge und Ohr ins Hirn tätowiert.

So macht man sich keine Freunde... Screenshot des Energie-Werbespots.
© nuon, Quelle youtube

Sehr deutlich werden diese indoktrinierten Botschaften im Sinne von Orwell und Huxley anhand der unzähligen, nur sekundenlangen FIFA-Einblendungen während der Spiele. Jeder Schnitt wird für dieses plumpe wie effektive Branding der Massen genutzt. Und was würden wir ohne die tollen, mit hochwertigen Preisen versehenen Telefonratespiele der privaten TV-Sender (diesmal ohne Chantal, aber deren Quiz doch ziemlich verwandt) in den Pausen tun?

Wer gilt als Mutterland des Fussballs? Ghana oder England?

Pssst: Wenn sie solch knifflige Fragen beantworten können und gerne ein paar Euro pro Minute vertelefonieren, sollten sie die von Günther Jauch kommentierten Spiele verfolgen, bevor er zu den Öffentlichrechtlichen wechselt. Oder sofort anrufen unter 0190-123456789

Aber nun zurück zum Thema und DEM Thema von kunstlich.com (also Kunst und deren Präsentation). Denn spätestens seit
Warhol und Pop-Art wissen wir, dass Werbung auch Kunst (sein) kann. Und vor diesem Hintergrund erscheinen die beiden hier als Screenshots eingebauten Videoclips interessant. Holland gegen Deutschland - ein Klassiker, der wie so oft vor allem dank der tief verwurzelten Klischees funktioniert...

Screenshot eines aktuellen deutschen Bonbon-Werbespots.
© fisherman's friend, Quelle youtube

Doch die Frage, ob die beiden Werbespots ausser gängigen, auf beiden Seiten der Grenze vorhandenen Klischees - wieder die oft umstrittene These von Kunst als Spiegel der Gesellschaft - auch die Zukunft spiegeln, bleibt noch offen.

Rache an Frank Rijkaard?

Aber kunstlich.com drückt schon mal die Daumen und hofft auf göttliche Manipulation. Seit dem Sieg der Niederländer am 6.7. wird die hier angedeutete Konstellation immer wahrscheinlicher. Und passend dazu hat ein Sportwettenanbieter einen TV-Spot konzipiert. Wer die rotzige WM-Szene von 1990 vergessen hat, dem sei hiermit geholfen...

Links:
- Mehr zu Fussball und Kunst auf kunstlich.com
- 'die bösen Deutschen'-Spot auf youtube
- 'die traurigen Holländer'-Spot auf youtube
- die lange Version der Fehde zwischen Völler und Rijkaard

Freitag, 2. Juli 2010

Das muss auch mal sein!

Diese kurze Werbepause konnte mit freundlicher Unterstützung von L. Meerfeld und B. Mörsch realisiert werden. Dank an die großzügigen Sponsoren und herzlichen Glückwunsch.

„Heut' mal ich nicht, heut' ist's viel zu schön“, das schrieb Max Slevogt. Und diesem wunderbaren Statement schließt kunstlich.com sich an und meint in Anlehnung an den Meister:

„Heut' schreib ich nicht, heut' ist's viel zu schön“...


Aber nein. Slevogt hat dann doch noch eine Menge, heute meist sehr geschätzter, Bilder gemalt. Einige davon sind derzeit in Köln zu sehen. Hier der Pressetext der Ausstellung, zugegeben eine Bleiwüste, denn Bilder darf man in diesem Kölner Museum (WRM) leider nicht machen:

Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt: Drei Namen, die stellvertretend für den deutschen Impressionismus stehen. Drei Künstler, deren Schaffen ein großes Publikum begeistert. Drei Meister, die eine große Leidenschaft verbindet: Die Landschaftsmalerei. Unter dem Titel „Liebermann, Corinth, Slevogt – Die Landschaften“ zeigt die Kölner Gemäldegalerie rund 90 Werke der drei deutschen Impressionisten.

Die meisten Leihgaben stammen aus international renommierten Häusern wie der Berliner Nationalgalerie, dem Frankfurter Städel oder dem Wiener Belvedere. Die Schau wird belegen, wie das „Dreigestirn des Deutschen Impressionismus“, frei von Aufträgen und Zwängen aller Art, in der Landschaftsmalerei seine Kreativität am besten entfaltete. Mit großer Hingabe und ohne Routine widmeten sich die Künstler dieser für sie untypischen Gattung. Die Landschaften gehören daher sicherlich auch zu den Höhepunkten ihrer Oeuvres.

Liebermann, Corinth und Slevogt malten ihre Landschaften bei guter Gelegenheit, auf Reisen oder im Feriendomizil. Max Slevogt fand seine Motive in der Pfalz, auf Capri oder in Ägypten. Lovis Corinth griff in der Tiroler Sommerfrische zum Pinsel und später am Walchensee. Max Liebermann schließlich malte Landschaften zunächst am liebsten in Holland und später im eigenen Garten am Wannsee in Berlin. Der konzentrierte Blick der Ausstellung auf die Landschaftsbilder verdeutlicht die individuelle Entwicklung der drei Maler auf ihrem Weg zu großen Künstlern. Zudem ist die Bilderschau eine repräsentative Darstellung wesentlicher Positionen der deutschen Landschaftsmalerei vor und nach 1900.

Links / Service:
bis 1. August
WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM & FONDATION CORBOUD
Obenmarspforten
50667 Köln
0221 / 221 - 211 19
wallraf(at)museenkoeln.de

Kritiken der trotz Besuchermassen, Sommerwetter, Fotografierverbot und hohem Eintritt wirklich sehenswerten Ausstellung:
Kölner Rundschau
Kölner Stadtanzeiger
Postkartenkritik der Ausstellung

finde ich... uneinheitlich!

Schön, dass Bilder eindeutiger sind! Nationalwappen des uneinheitlich bezeichneten Staates.

ARD und ZDF führen einen geheimen, leisen, nur für aufmerksame Zuschauer erkennbaren Kleinkrieg - einen Krieg der Bezeichnungen...

Kirgistan und Kirgisistan sind ein und dasselbe Land, dennoch nennen wir es einmal so und ein anderes mal so. Einig ist sich da niemand.

Die "Süddeutsche" und die "Zeit" sind beispielsweise auf Seiten der ARD und nennen die neuerlich wieder oft in den Nachrichten, aber von der Welt allein gelassene zentralasiatische Republik Kirgistan. Das Auswertige Amt dagegen liegt auf der Linie des ZDF - also Kirgisistan.

Sonne und Fußball? Na ja, das mit den eindeutigen Bilder gilt eben nicht immer... Hier handelt es sich um die Nationalflagge des uneinheitlich bezeichneten Staates.

Nachrichten aus Absurdistan?

Beide Bezeichnungen sind korrekt, aber sollte sich die deutsche Presse nicht einigen? Wenn es um die Bezeichnung eines Staates geht, ist diese konsequente Uneinheitlichkeit nicht angebracht. Bei der ARD beispielsweise muss es sich um eine Hausanweisung handeln, da sogar die Rundfunkanstalten ausschließlich von Kirgistan sprechen und sich niemand mal eben verspricht und Kirgisistan sagt.

Eine Bezeichnung die übrigens auch korrekt wäre: Kirgisien! Um alle Grabenkämpfe zu überwinden, wäre dies doch eine Alternative, oder?

Vor allem, da sich die Kirgisische Republik selbst so bezeichnet...

Donnerstag, 1. Juli 2010

Wir sind alle Künstler und Betroffene - Ein offener Brief mit der Bitte um Unterstützung

Pappnase oder nicht? Mit diesem Plakat warb man zu Beginn des Jahres für die von Korruption und Missmanagement bedrohte Kölner Kunstszene
©
Merlin Bauer & Owen Gump und Kölner Komment

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Köln,

sehr geehrte Mitglieder des Kulturausschusses der Stadt Köln,

in der Sitzung des Kulturausschuss am 29.6.2010 wird die Verwaltung über die bereits getätigten und
bevorstehenden Kürzungen des Haushalts des Kulturamts informieren.

Demnach ist eine Kürzung der freien Szene von ca. 1,3 bzw. 1,7 Millionen Euro für 2010 und 2011 geplant. Diese Einsparung bedeutet eine Kürzung um mehr als 20 % ungeachtet der bereits vollzogenen Kürzungen in Höhe von 357.000 € im Jahre 2009. Auch wenn der Haushaltsentwurf der Verwaltung erst am 13.7.2010 in den Rat eingebracht wird, sind diese Pläne so dramatisch, dass wir diesen bereits jetzt vehement gemeinsam entgegen treten. Denn sie bedeuten für viele Institutionen der freien Szene das sichere Aus.

Durch das Kulturamt werden aktuell ca. 300 Institutionen, feste Projekte und Festivals sowie Kunsträume, freie Initiativen und zahlreiche Atelierräume aus den Sparten der Bildenden Kunst, Musik, Literatur, Filmkunst, neue Medien, Tanz und Theater mit einem so geringen Etat gefördert, dass er nur ca. 0,2 % des gesamten städtischen Haushalts ausmacht. Dennoch soll die freie Kunstszene eine überproportionale Kürzung mit mehr als 20 Prozent für 2010 und fast 25 % für 2011 hinnehmen. Da auch aufgrund von bestehenden Verpflichtungen und Verträgen in der freien Szene nicht in allen Bereichen gleich gekürzt werden kann, werden die Zuschüsse für einzelne Projekte noch dramatischer gekürzt werden und diese Kürzungen zum Teil über 50% liegen.

Zahlreichen
Institutionen und Projekten, die seit Jahren mit geringsten Mitteln sehr effiziente kulturelle Arbeit für Köln leisten, wird die existenzielle Basis entzogen. Selbst wenn der Rat diese Kürzungen im Spätsommer wieder zurücknimmt, werden viele Projekte bereits gestorben sein. Hinzu kommt, dass die Stadt durch die Einsparungen bei der freien Szene nicht die gewünschten Einsparungen erreichen wird: Grund dafür ist, dass viele Künstler sowie freie Organisatoren, kleine Dienstleister und freie Mitarbeiter bei kulturnahen Medien sind, die mittelbar aus den Förderungen ihr Einkommen beziehen. Durch den weiteren Wegfall der Förderungen werden sie direkt zu Arbeitslosengeld II Empfängern. Auch die Kosten für Arbeitslosengeld II sind aus dem städtischen Haushalt mitzufinanzieren.

Die freie Szene gibt dem kulturellen Leben der Stadt nicht nur ihre Lebendigkeit, sondern trägt die künstlerische Sprache in die Bevölkerung hinein und stellt damit Möglichkeiten des Selbstausdrucks, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Stadtgesellschaft und ihren Werten zur Verfügung. Viele Teile vor allem der jüngeren Bevölkerung kommen nur durch Projekte der freien Szene in Kontakt mit Kultur. Gerade die freie Szene ist es, die Projekte beispielsweise für Menschen mit Migrationshintergrund entwickelt.

Daher darf die Bedeutung der
freien Szene für die kulturelle Bildung in einer Stadt nicht unterschätzt werden. Viele Projekte finden auch außerhalb Kölns große Beachtung und stehen somit im Verbund mit den Aktivitäten der großen städtischen Museen, Theater und Konzerthäuser für die internationale Attraktivität einer Kulturstadt Köln. Die freie Szene Kölns ist nicht zuletzt durch die kulturpolitischen Ereignisse der letzten Jahre stark ausgedünnt.

Die Situation ist
mit der in 2003, als die letzten frappanten Kürzungen vorgenommen wurden, nicht vergleichbar. Letztlich bedeutet jegliche Kürzung der freien Szene den Todesstoß, den Wegbruch des wichtigsten Mittels städtischer Selbstreflexion und den endgültigen Schritt in die Provinzialität. Räume und Festivals, die einmal geschlossen sind, lassen sich nicht einfach in besseren Zeiten wieder aufbauen – eine letzte Welle des Wegzugs Kulturschaffender würde forciert.

Wir fordern Sie daher auf, die freie Kunstszene von den geplanten Kürzungen auszunehmen!

- Dr. Lale Akgün, Vorsitzende des Sommerblut Kulturfestival
- Ingo Albrecht, theater im hof - Christa Aretz - filminitiativ e.V. - Michael P. Aust, SoundTrack_Cologne 7.0 - Marina Barth, Kabarett Klüngelpütz - Karin Beier - Andrea Bernshausen, Atelier Theater - Ingrid Berzau, FWT Freies Werkstatt Theater - Ulrich Biermann, Journalist - Andreas Blaschke, Figurentheater Köln - Professor Hans-Georg Bögner, Geschäftsführer SK Stiftung Kultur - Achim Conrad, movintheatre.de - Hiltrud Cordes, Orangerie - Clemens Dardenne, Verwaltungsleiter Comedia Colonia Theater - Carla Despineux - feminale e.V. - Anna Dünnebier, stellv. Vorsitzende Verband deutscher Schriftsteller - Friederike van Duiven, KulturNetz Köln und SUMO KunstNetzKöln - Oliver Durek, Vorstand TK und Theater am Dom - Rolf Emmerich, Festivalleiter des Sommerblut Kulturfestival - Gabriele Fischer, Projektleitung TK und c.t.201 -- freies Theater Köln - Andrea Franzioch - Bildende Künstlerin, CAP Cologne e.V. - Joerg Fuerst, A.TONAL.THEATER, Freihandelszone - Ensemblenetzwerk Koeln (Vorstand) GLOBALIZE:COLOGNE, International Festival Series for dance & theatre (Veranstalter) - Pia Maria Gehle, Intendanz Theater der Keller - Gerhardt Haag, Theater im Bauturm - Freies Schauspiel Köln, Vorsitzender plattform kölner theater; Vorsitzender off-cologne - Dr. Hans Henrici, Notar - Jochen Heufelder. Fuhrwerkswaage und new talents - Inga Hilsberg, Kammeroper Köln - Dieter Horky, Vorsitzender des Bundesverbandes Bildender Künstler Köln BBK - Kathrin Jentjens/ Anja Nathan-Dorn, Direktorinnen Kölnischer Kunstverein - Inken Kautter, FWT Freies Werkstatt Theater - Lisa Kihm-Dolmaire, Geschäftsleitung Theater im Bauturm - Heinrich Klauke, Studienleiter Karl Rahner Akademie - Heorg zum Kley, Kölner Künstler Theater - Till Kniola, Geschäftsführer ON - Neue Musik Köln e.V. - Dietmar Kobboldt, Kölner Theaterkonferenz e.V. und Kulturnetz Köln - Gerhard Kock - KunstFilmBiennale und KINOaktiv e.V. - Prof. Kasper König - Joachim Kühn - Kinogesellschaft Köln - Volker Lippmann und Gila Abutalebi, THEATER TIEFROT - Linn Lühn/ Thomas Rehbein, Galeristen und Sprecher der Galerien Köln - Hille Marks, Casamax Theater - Reiner Michalke, Programmchef "Stadtgarten" - Udo Mierke, Cassiopeia Theater - Heinrich Miess, kjubh e.V. - H M Müller, LOFT / 2ndfloor e.V. - Caroline Nathusius, Temporary Gallery Cologne - Kajo Nelles, nrw landesbuero tanz, Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz NRW e.V. - Rainer Nellessen, ehrenamtlicher Studienleiter Karl Rahner Akademie - Christos Nicopoulos, Horizont Theater - Dr. Rainer Nonnenmann, Vorsitzender IFM-Projekte e.V. KÖLNER MUSIKNACHT - Norbert Oberhaus, c/o pop und das Netzwerk Sound of Cologne - Holger Otten, Simultanhalle – Raum für zeitgenössische Kunst - Bernd Rehse, artheater - Uwe Schäfer-Remmele, TPZ Theaterpädagogisches Zentrum - Jochen Schäfsmeier, Concerto Köln und im Namen vom "Verein der Freunde von Concerto Köln e.V." - Alexandra Schmidt, NRW Landesbüro Freie Kultur und der Verband Freie Darstellende Künste NRW e.V. - Richard Schneider, Geschäftsführer Kunstverein Koelnberg - Dieter Scholz, FWT Freies Werkstatt Theater - Klaus Schweizer, Geschäftsführer Comedia Colonia Theater - Maria Spering, Kulturnetz Köln und Initiativkreis freie Musik - Jutta M. Staerk, Künstlerische Leiterin Comedia Colonia Theater - Joachim Steinigeweg, Vorstand KINOaktiv - Tomasso Tessitori, tt-Theaterproduktion - Stephanie Thiersch, artistic direction MOUVOIR und Kompanie - Christina Vayhinger, theater 100 Hertz - Dr. Bernd Wacker, Akademieleiter, Karl Rahner Akademie - Nadia Walter-Rafei, Vorstand TK und FWT - Layos Wenzel, Kammeroper Köln - Dirk Werner - Kölner Filmhaus e.V. - Frank Zollner, Corinne Walter, KABRETT A-Z - Albrecht Zummach/ Egbert Hiller, Kölner Gesellschaft für Neue Musik

- Das Ansinnen wird unterstützt von Kölner Komment

Links für Unterstützung:

Kontakt über:
Kölnischer Kunstverein
Die Brücke
Hahnenstraße 6

50667 Köln
0221 217021