Freitag, 12. März 2010

Endlich: Die Anpackprämie für Kunst und Kultur



















Auch die Kunst kommt nicht ohne aus: Subventionen werden neuerdings Prämien genannt.

Tja und da fragt man sich, warum nach der Abwrack-Prämie für die vorhersehbar schwächelnde Autoindustrie nicht auch z.B. mal eine Anpack-Prämie für die Kulturindustrie eingeführt wird. Denn die selbsternannte Kulturnation befindet sich in einer schizophrenen Situation:

Während etwa die Zahl der Museumsbesucher seit Jahren steigt und man derzeit die Kultur im Pott - mit einem lobenswert erweiterten Kunstbegriff - feiert und zurecht stolz auf einen der 'schönsten Museumsneubauten' der letzten Jahre ist, kürzen die Kommunen bundesweit ihre sogenannten freiwilligen Leistungen. Also Kunst und Kultur wie Theater oder Museen.
..

Wer aber in den Arbeitsfeldern der sogenannten freiwilligen Leistungen tätig ist oder war, weiß nur zu gut, dass es dort kein Einsparpotential mehr gibt. Wenn überhaupt, dann können nur noch die Schwerpunkte innerhalb der kommunalen Kulturetats andere Gewichtungen erhalten.

Max Hollein posiert vor Goethe in Gummistiefeln, spricht
über bürgerliches Engagement als Weg aus der Krise und meint, auf jeden Einzelnen komme es an...
(Kunstzeitung4/2010).

Der Krimi um das Theater in Wuppertal oder die satirereife Debatte über die Oberhausener Kurzfilmtage sind nur der Auftakt einer Krise, die zeigen wird, was uns die in Sonntagsreden - wie die Bildung - gefeierte Kultur wirklich wert ist.

Am Horizont der Stimmungswandel?

Ja und wenn schon Der Spiegel (Kultur im Schacht, 9/2010, S. 128f.) - der ja nicht gerade für seinen umfangreichen Kulturteil bekannt ist - in diesem Sinne über die prekäre Situation berichtet, dann muss da wohl was dran sein. Denn noch 2009 klang sein Urteil viel euphorischer... (Spiegel Online 9.12.2009)

Schade nur, dass die anderen Medien nicht wie üblich diesem Aufhänger folgen (wollen?). Und dass, obwohl doch die NRW-Wahl - was für ein geniales Timing angesichts der ruhr2010 - für eine kulturpolitische Debatte geradezu prädestiniert wäre.

Es ist Zeit zu handeln und wie zuletzt in Köln bei der Diskussion über das denkmalgeschützte und dennoch abrissbedrohte Schauspielhaus darf man auf Protest und politisches wie medienwirksames Engagement hoffen. In einer bisher einzigartigen Solidaritätsaktion traf man sich in Wuppertal
anlässlich des Welttheatertages am 28. März, um auf die Erosion der Kulturpolitik aufmerksam zu machen. Siehe dazu auch Deutschlandradio Kultur.

Unbewusster Rollentausch?

Ungewollt spielte auch der sonst so sonorige Presseclub auf dieses Thema an: Die geladenen Journalisten diskutierten am 21. März (siehe dazu WDR5) wie gewohnt über das Chaos der derzeitigen Koalition. Doch einer von ihnen forderte indirekt öffentliche Proteste und wunderte sich über die unseelige Gelassenheit der Deutschen angesichts der nicht nur kulturpolitischen Misere. Eine Position, die in der Regel eher von enthemmten Anrufern in der Nachgefragt-Runde vertreten wird.

Also auch hier wieder ein Beispiel für die oben genannte 'schizophrene Situation'?

Endlich: In Fazit - eine empfehlenswerte Kultursendung abends ab 23:05 Uhr auf Deutschlandradio Kultur - beurteilte Stefan Keim am 3. April in seiner Zwischenbilanz der ruhr2010 die Situation ähnlich realistisch, oder besser so trüb wie hier bereits angedeutet. Die Stimmungslage der Medien bzw. deren Beurteilung der Situation scheint sich allmählich zu ändern. Oder sollten wir nicht besser schreiben: Sie passt sich der Realität an?

Von der Finanz- zur Fiskalkrise zur agressiven Apathie?

Das leider ausbleibende, vom Presseclub indirekt geforderte Rumoren angesichts der gesellschaftlichen Situation beschreibt der Soziologe Wilhelm Heitmeyer als gefährliche 'wutgetränkte Apathie'.

Der Forscher warnt in einem Interview (Der Siegel 14/2010, S. 70f.) ausdrücklich vor den Auswirkungen der systemischen Brutalität, die sich nun mit der allmählich spürbaren 'Fiskalkrise' zeigt und alle Bürger betrifft.


In diesem Sinne
kann - wenn auch mit einigen theatralischen Ausreißern und Klischees behaftet - der Polizeiruf Die Lücke, die der Teufel lässt vom Bayrischen Rundfunk (Erstausstrahlung ARD 14.4.) lobend erwähnt werden. Am Puls der Zeit orientiert sensibilisiert das Krimiformat. Die öffentlich-rechtliche Antwort auf den als Hollywoods ersten 'Krisenfilm' Up in the Air?

In deutschen Museen sind promovierte Volontäre
die Regel, nicht die Ausnahme...

Interessant und ist auch (der für Nicht-Kunsthistoriker besonders empfehlenswerte) Artikel von Barbara Scheuermann in der letzten Kunstzeitung (3/2010). Sie schildert die Realität von Menschen, die ihr Einkommen im Kunstbetrieb verdienen.

Wohl in dasselbe Horn dürfte auch wiederum
Karlheinz Schmid in der aktuellen Ausgabe Kunstzeitung (4/2010) in seinem Artikel 'Bald wird's richtig ernst - Zur bedrohlichen Lage an öffentlichen Museen' blasen.

'Bald wird's richtig ernst!' schreit jemand und wird nicht gehört

Wer sagt's denn! Haben wir nicht schon Beginn des Artikels, also vor einem Monat geklagt und ein Aufwachen - die titel-, wenn nicht sogar schlagzeilenwürdige Anpackprämie für die Kultur - gefordert? Aber wer hört schon auf die hier Zitierten?

Zyniker munkeln, der nächste Presseclub werde sich wohl eher über das Gefahrenpotential von gefährlichen Tiere wie etwa giftige Schlagen in Privatwohnungen debattieren (das tat,
Bild sei Dank, Deutschlandradio Kultur am 9. April in der Sendung 2254 ) als über die Krise der Kultursubventionierung in Deutschland.

Et hätt noch immer jut.... Kölsche Zensur- statt Kulturpolitik

In Köln - wo sonst - blamierte man sich zuletzt durch peinliche wie kleinliche Zensur. Kulturdezernent Quander griff beim Katalog für die derzeit in Berlin zu sehende Ausstellung 'Köln in Berlin. Nach dem Einsturz: Das Historische Archiv' durch. Weil ihm einige kritische Texte nicht passten, verweigerte er den Druckkostenzuschuss für das von Walther König 'ehrenamtlich' verlegte Buch.

König dagegen verweigerte sich jedoch konsequent jedem inhaltlichen Eingriff. Der Katalog konnte nicht rechtzeitig erscheinen. Die Posse geht weiter und von der Rasenmäher-Methode, die auch den kölschen Kulturhaushalt droht, ist keine Rede mehr. Stattdessen rühmen sich die Kölner nun neben dem Dom auch noch das größte Puzzle der Welt zu haben, gemeint sind die Reste der verschütteten Stadtgeschichte...

Also in diesem Sinne. Weiteres in Kürze...

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