Sonntag, 29. April 2012

Kunst- und Kulturgeschichten von der Schönheit des Durchschnitts

Durchschnittlich schöner Hinterhof
© Gerd Mörsch

Von der Schönheit des Durchschnitts berichtet Mareen Keller in ihrem wunderbar kurzweiligen Artikel ''Gossensprache''. Es ist ein gutes Beispiel für Kunst- und Kulturgeschichte im Sinne des Erzählens von Geschichte, des anekdotischen Charakters dieser Disziplinen. Im Folgenden soll anhand von Fragmenten die Aufmerksamkeit auf den für heutige Durchschnittsleser recht langen Beitrag gelenkt werden.

Dass der Durchschnitt als perfekter Tarnumhang - Camouflage - im Sinne der Gewohnheit verwendet werden kann, ist nicht nur seit Science-Fiction- und Krimi-Stories bekannt und wurde an dieser Stelle schon des öfteren im Kontext der Falle - Nietzsche's Verstellungskunst als höchste Geisteskraft - thematisiert.

Wovon Poller, Hausnummern, Peitschenlaternen erzählen

Eigentlich ist es ganz einfach: Je mehr zerstört worden ist, desto mehr muss wiederhergestellt werden. Und je mehr normiert ist, desto schneller und billiger kann wiederhergestellt werden. Keller gelingt es, diese schreckliche Wahrheit, das Diktat der Rationalisierung und Standardisierung mit der wahrhaft unglaublichen Geschichte - ein subversiver Autor des Almanach de Paris ist schuld - der Hausnummer zu verbinden: Die seit dem Ende des 18. Jh. den ganzen Globus erobernde Nummer war ursprünglich eine illegale Nacht-und-Nebel-Aktion... 

Der leise Tod einer schönen Laterne oder doch nur Kitsch?
© Gerd Mörsch

DIN 1451 - alles ist Konstruktion, Konstruktion, Konstruktion

Dass die Stadtgestaltung sich erst dem Auto hin- und dann sich selbst aufgab - was man unten gut sehen kann - ist eine ebenso schöne Formulierung, die die Entwicklung der Urbanität im 20. Jh. kurz und prägnant - also treffend - zusammefasst. Doch auch was Schachtabdeckungen, der Erste Weltkrieg und die Begu-Konstruktion gemein haben, ist interessant...

Stadtgestaltung im Jahre 2012
© Gerd Mörsch

Ja ja, alles ist Kommunikation und die Signale der Seefahrer gelten als die erste Form der Kommunikation, in der der Mensch Farben nutzt. Aber an dieser Stelle muss natürlich wieder auch an die Theorie erinnert werden, derzufolge die weidmännsichen Bruchzeichen als erste (Zeichen-)Sprache überhaupt angesehen werden können - longue durée und das Gegenteil von Tarnung und Verblendung...

RAL 7003 - die Tarnfarbe der Straße

Auch die Feststellung, dass Licht nicht gleich Licht ist, ist an dieser Stelle selbstverständlich zitierfähig. Denn davon schreibt und daran erinnert kunstlich.com ja schon seit geraumer Zeit. Ebenso die fragwürdige Vermischung von privatem und öffentlichen Raum wurde hier bereits erläutert - Daumen hoch und runter und Gesichtsbücher... Zuletzt hat Enzensberger in seinem kurzweiligen Panoptikum für den Spiegel unter dem Titel Armer Orwell einen interessanten Kommentar zu dieser Tendenz geschrieben. Daher

Orwell, Max Weber und der Durchschnitt

Jetz aber genug Querverweise und Synapsenbrücken. Alles wird gut und daher möchten wir uns auch dem ihre Geschichte geschickt abrundenden Schluss Maren Kellers anschliessen: Im Durchschnitt ist das Leben schön.

Service:
- Der Vollständige Artikel: ''Gossensprache'' von Maren Keller
Der KulturSPIEGEL 4/2012 - online 26.03.2012
- Wiki über den Durchschnitt

Sonntag, 22. April 2012

Von Mönchen, Räubern und Kopisten

Fiese Kopierer bei ihrem Werk? Trotz der verdächtig dunklen Augen ist dies eher ungewiss. Angesichts der momentanen Debatte tut man aber gut daran zu erinnern, dass schon Goethe sich über Raubkopien lautstark und wortgewaltig beschwerte.

Räuber und Raubkopien sind mindestens so alt wie Privatbesitz und Druckerpresse. Daran hat auch Stefan Niggemeier in seinem Essay Raubkopie erinnert und betont, dass das ganze Elend der Urheberrechts-Debatte - wie so oft - schon im fragwürdigen Begriff steckt...

Denn trotz und gerade angesichts der Aufgeregtheit der seit Jahrzehnten verschlafenen Debatte sei daran erinnert: (Raub-) Kopieren ist keine neue Tätigkeit. Wie leer wären die Bibliotheken der Welt ohne die Kopierstunden der Mönche? Der schillernde - oder schillerhafte?- Begriff der Raubkopie wird von Urhebern und Produzenten verwendet, um den ungenehmigten Vertrieb von Produkten zu bezeichnen. Doch dahinter steckt - mal ganz abgesehen von Guten- und Guttenberg-Debatte - viel mehr...

Hart aber gerecht? Filmstill eines Werbespots der Filmindustrie

Knast oder Kopierstube: Wann kommt Papa wieder?

Noch liegt der definitive Ursprung des Begriffs "Raubkopie" im Dunkeln. Doch neben fragwürdigen Werbespots und -maßnahmen - wie Probesitzen im Knast - ist klar, dass die sogenannte ''Rechteindustrie'' ein großes Interesse daran hat, den Übergang jenes Wortes in den allgemeinen Sprachgebrauch zu fördern.

Schon Mönche wurden für's Kopieren eingeschlossen...

Denn die Räuber-Metapher ersetzt erfolgreich den - dank moderner Technik sehr - abstrakten Vorgang, die Verletzung
von Urheberrechten. Sie brennt sich dank der historischen Wurzeln und negativen Konnotationen im kollektiven Gedächtnis langsam fest und trägt in diesem Sinne nicht gerade zur Deeskalation bei...

Aber, kunstlich.com möchte und kann an dieser Stelle keine, geschweige denn eine eindeutige Position beziehen, sondern
1. die - wie so oft pauschal geführte - Debatte durch den Verweis auf die Vielschichtigkeit des Themas fördern und
2. zugleich das Bewusstsein um die gesellschaftliche Notwendigkeit der Formulierung eines zeitgemäßen Urheberrechts schärfen.

Links:

Der Spiegel - Stefan Niggemeiers Essay: Raubkopie
D-Radio Wissen: Die Raubkopie moralisch betrachtet
Weitere Artikel zum Thema Urheberrecht und Raubkopie
Interviews, Featurtes Artikel zum Thema Urheberrecht und Raubkopie

Auch interessant:
Frank Hummel informiert über Kopien von echten und vermeintlichen Brustabzeichen


Es war einmal: Kopierdebattewerbemittel in GB der 1980er
© BPI

Dienstag, 17. April 2012

- - Urheberrecht - -

"Am Ende ist nichts mehr da, was man herunterladen kann, weil es niemanden mehr gibt, der etwas Relevantes erschafft. Wir müssen klarmachen: Kultur hat einen Wert!"

Der Autor Jochen Greve in: Die Zeit, 04. April. 2012, S. 54

Montag, 16. April 2012

Geschlossene Gesellschaft: Eine Glosse zur TEFAF 2012


 © TEFAF 2012

TEFAF: Eine oberflächliche Betrachtung, die nichts mit Kunst und deren Präsentation zu tun hat, oder irgendwie doch?

Wobei genau handelt es sich bei dieser Messe, die sich selbstverständlich „The European Fine Art Fair“ nennt?
Schon auf dem Parkplatz wird dem Besucher (also, in diesem Fall mir) ganz deutlich und eindringlich bewusst: hier hebt sich nicht das eine Prozent von den restlichen Neunundneunzig ab - nein, hier befindet man sich schon im Promillebereich der Gesellschaft oder sogar bereits im Aston-Martin-Bereich.

Besucher - wie Aussteller - gehören auf den ersten Blick, auch dem des ungeübten Betrachters, einer speziellen - wie seltenen - Kaste an. Eine Gruppe von Menschen, denen der gute Geschmack in die Wiege gelegt wurde. Niemand ist schlecht angezogen, vielleicht légère, vielleicht lässig, aber niemals auch nur im entferntesten schlecht. Das liegt nicht alleine am Preis der guten Garderobe, der ohne Zweifel bei den meisten Anwesenden über dem Durchschnittsgehalt (monatlich oder jährlich? Spielt für die Pointe wahrscheinlich keine Rolle mehr) eines Kunsthistorikers liegt, nein es liegt ausschließlich am ausserordentlichen Geschmack.

© TEFAF 2012

Bei anderen Gelegenheit sieht man häufig, dass guter Geschmack nicht zu kaufen ist und wenn man auf dieser Messe umherstreift, könnte man einen genetischen Zusammenhang vermuten. Wahrscheinlicher ist jedoch Generationen langes Training, welches das Gros der Besucher und Aussteller, sich ganz automatisch und selbstverständlich perfekt kleiden lässt.
Warum ist die Beobachtung mit der Garderobe so wichtig? Weil sie sich ins Gesamtbild einpasst und wichtige andere Fragen aufwirft. Zunächst muss gesagt werden: alleine die Ausstattung die Messe, der Blumenarrangements, das freundlich-reservierte Servicepersonal, alles perfekt, immer frisch und glänzend.
Nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern auch eine Barriere - in ein glänzendes Fünf-Sterne-Hotel verirrt sich ja auch kein Durchschnittstourist.

© TEFAF 2012

Nun ist die Frage: wer sind diese Leute und was tun Sie auf dieser Messe, was ist der Zweck des Ganzen?
Offensichtlich findet man hier keine jungen Talente, Produzentengalerien, schräge Kunstprojekte und so weiter. Hier gibt es ausschließlich Gutes, Bewährtes, Wertstabiles.
Von Ausgrabungsschätzen bis Bauhausmöbeln - von Herrscherportraits bis Cartierschmuck - von Dürer bis Picasso, hier ist alles was in den existierenden künstlerischen Gattungen Rang und Namen hat zu sehen – Gebäude wurden nicht angeboten, vielleicht habe ich die Architekturabteilung aber auch überschlagen!

Man hat unweigerlich das Gefühl, in einen Geschäftszweig des europäischen Geldadels geraten zu sein. Dort wo die Schwester oder Nichte eines Quandts oder Thyssens eine Galerie oder ein Antiquitätengeschäft führt, vielleicht schon in der X-ten Generation. Wo sich London, Mailand und München begegnen und schon sehr lange kennen. Man fühlt sich zu Besuch bei Menschen, die vor langer Zeit das Perpetuum mobile entdeckt haben und sich dessen mit angeborenem Understatement vollkommen bewusst sind.

© TEFAF 2012

Nichts von dem was hier gezeigt und verkauft wird, kann jemals ernsthaft oder dauerhaft an Wert verlieren. Außerdem sieht man keine Restauratorenalbträume, wie Werke von Dieter Roth oder Joseph Beuys. Meist praktische, relativ unempfindliche und hochpreisige Ware (die im Bestfall auch noch gut aussieht) – die perfekte Investition in die Zukunft.

Geschlossene Gesellschaft: Hier sind sie, die wahren Schönen und Reichen, aber vor allem die Cleveren!


... ich denke ich kaufe diesmal nichts, trinke noch ein Glas Sancerre in der Austern-Bar und schaue nur zu – vielleicht im nächsten Jahr ...


Service:

© TEFAF 2012

Montag, 9. April 2012

Friede, Freude und Eierkuchen

Parallele zur pazifistischen G-36 Sabotage?
© U-Boot Frieden Postkarte eines unbekannten Meisters

Pünktlich zum Osterfest präsentiert
kunstlich.com seine neuesten Recherchen zum Weltfrieden. Und auch wenn uns der unbequeme und zugegebermaßen für seinen einst im Vordergrund stehenden, investigativen Journalismus gelobte DER SPIEGEL zuvor gekommen ist, wollen wir diese Nachricht nicht unter den eben erst geputzen Teppich kehren...


Sabotage-Hippies bei Heckler&Koch?

Die Ängste der deutschen Militärindustrie scheinen sich zu bestätigen: Nicht nur der spionierende Russe und Chinese untergraben den tödlichen Exportschlager, der einst als fragwürdiger Meister aus Deutschland gefeiert wurde. Hintergrund: Experten ist nun aufgefallen, dass das Standard-Schießgewehr - das sog. HK G36 - der deutschen Bundeswehr bei Erhitzung, die etwa im Verlauf von Feuer-Gefechten entstehen kann, nicht mehr so gut trifft.

Militanter Zivi oder Taliban-Arbeitsschläfer?

Verantwortlich für die daraus folgende, geringe tödliche Trefferquote deutscher Soldaten im Ausland sind jüngsten Spekulationen zufolge deutsche Bürger selbst. BKA-Profiler vermuten, es handelt sich um eingeschleuste Ultra-Ex-Zivildienstleistende und Wehrdienstverweigerer, die den Marsch durch die Institutionen nun in der Waffenindustrie vollziehen. Manche Experten munkeln gar von den Taliban verbundenen, eingeschleusten Arbeitern in der Militärindustrie, die bei der Produktion ihre krummen Finger im Spiel haben.

Friede, Freude und Eierkuchen im ausgehenden 18. Jahhundert
© Unbekannter Meister

Nicht soviel Schießen, bitte!

So lautet dementsprechend auch der Titel des dbzgl. Artikel im Spiegel. Dort heisst es - wohl auf den Aussagen der PR-Abteilung von Heckler&Koch beruhend -
lapidar, die Sache sei ganz einfach: Für anhaltendes Dauergefecht wie in Afghanistan oder anderen postkolonialen Transportwege- und Rohstoffsicherungseinsätzen - wie es der Ex-Ex-BRD-Bundespräsident Köhler vor seinem Rücktritt so schön formulierte - sei das G-36 nie vorgesehen worden...


Der Clou: Die Gebrauchsanweisung

Nach dieser entwaffnenden Erklärung hat sich auch die Kritik an den Spezialisten bei Heckler&Koch und Bundeswehr erledigt, die das seit 1997 auf dem Markt befindliche
G36 untersucht bzw. entwickelt haben. Dementsprechend wird den neuesten, exklusiven Insider-Informationen von kunstlich.com zufolge, das G36 künftig mit dem folgenden Beipackzettel-Zusatz ausgeliefert: Nicht für anhaltendes Dauergefecht geeignet.

Service:
DER SPIEGEL über das Gewehr mit Schwächen

Sonntag, 1. April 2012

Diana Kühn: HOW TO PIN A BUTTERFLY

© Diana Kühn

Ausstellungsansicht

Ausstellungsansicht

© Diana Kühn

Ausstellungsgetränkeausschenkstelle

Service:

Diana Kühn:
"How to Pin a Butterfly".

bis 4. April 2012,
14 - 19 Uhr

Südstadt Galerie
Frankfurter Straße 70
34121 Kassel


Flyer
© Diana Kühn