Dienstag, 31. Januar 2017

Litfaßsäulensterben schreitet voran - HELP WANTED - statt vollendeter Tatsachen

Eine Collage basierend auf dem Foto von der Petitionswebsite. Die Litfaßsäule wurde mit einer Arbeit von Christian Sievers beklebt, sie thematisiert die Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA und wie wir uns dazu verhalten (können).
Neulich am Wilhelmplatz: Schock, de Schutzmann is fott! Dort, wo noch bis vor wenigen Tagen ein durch Balken über den Augen anonymisierter Stasimann in Großplakatformat auf der Litfaßsäule thronte, ist jetzt nur noch ein etwa 50 cm hoher Betonsockel zu sehen. Dieser Rest einer Litfaßsäule, die hier (nicht ganz un-)wahrscheinlich rund 100 Jahre stand, mutet schon jetzt wie ein Mahn- oder Denkmal an...

Die Stasi-Plakate sind übrigens eine Aktion von Simon Menner. Es sind Porträts von Stasi-Mitarbeitern, die an einem Verkleidungsseminar teilgenommen haben, um anschließend quasi unsichtbar observieren zu können. Auf den vom Verschwinden bedrohten Kölner Kunstsäulen wurden die als Anschauungsmaterial konzipierten Stasi-Fotos von Menner demonstrativ und überlebensgroß an den Pranger gestellt, während die Figuren gleichzeitig still und teilnahmslos das Umfeld zu observieren schienen. 

Menners Arbeit ist eine subtile, humorvolle Interaktion mit und im öffentlichen Raum, dessen 'totale' Überwachung aufgrund aktueller Tendenzen mal wieder auf der Agenda vieler politischer Akteure steht. Aber jetzt wird es ernst.

In Kürze wird auch der Stumpf der Litfaßsäule verschwunden sein, dann durch ein beleuchtetes, doppelseitig bespielbares LED-Display ersetzt, wo dann Werbung statt Kunst die Augen der Passanten reizt. Wir haben schon zweimal über die Petition gegen den Abriss der bundesweit einmaligen Kunst-Litfaßsäulen berichtet.


Die Stadt gehört uns! Wider die omnipräsente Indoktrination von Werbebotschaften...

Doch angesichts von gerade einmal 1042 Unterzeichnern der Petition (Stand heute 10:15 CET) und der Tatsache, dass Werbung mehr und mehr den öffentlichen Raum erobert, starten wir diesen erneuten Aufruf: Rettet die Kunst-Litfaßsäulen.

Denkaufgabe: Wer glaubt eigentlich, dass es Zufall ist, dass die Informationstafeln im Kölner Hauptbahnhof (die blauen LED-Displays, die den Reisenden die aktuellen Abfahrtszeiten bzw. Verspätungen der Züge anzeigen sollen) regelmäßig defekt sind, während die 'baugleichen' Modelle, die für Werbung genutzt werden, immer funktionieren und zudem auch noch hypersauber glänzen? Wie kann das sein? No, it's not a kind of magic...

Nicht nur reden und aufschieben, sondern jetzt die Petition unterzeichnen und weiterempfehlen...

Wer wissen will, warum der Kölner Werbegigant Ströer überhaupt auf die Idee kommt, die Kölner Kunst-Litfaßsäulen abzureißen, dem seien die folgenden Links/Texte empfohlen. Hier folgt abschließend nur noch ein kurzes Zitat vom AIC-Aufruf:

'Ströer hat bereits in der Vergangenheit immer wieder seine soziale Verantwortung bewiesen und z.B. mit der Plakataktion „Kölner Künstler gegen Rassismus“ 60 Plakatwände kostenlos zur Verfügung gestellt. (...) Es wäre schade, wenn Ströer dieses positive Image in Köln demontiert.

Art Initiatives Cologne (kurz AIC) fordert als Netzwerk freier, nicht kommerzieller Kunst- und Projekträume, Kunstinitiativen und Festivals gemeinsam mit allen anderen UnterzeichnerInnen dieses Schreibens: Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung und überlassen Sie die alten Litfaßsäulen den BürgerInnen und KünstlerInnen dieser, unserer Stadt.'


Service und Links 
- der Link zur Unterstützung der Litfaßsäulen-Petition, hier
- kunstlich.com über die Online-Petition der AIC für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier
- Sebastian Fuhrmann berichtet für die Rheinische Post über den politischen Kampf für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier
- Thomas Linden kommentiert für choices.de die Kölner Posse um die Kunst-Litfaßsäulen, hier
Cornelia Ott berichtet für report-K über die Aktion für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier

HINWEIS: Wie freuen uns sehr über Kommentare, Feedback und Kritik sind uns wichtig, wer einen Kommentar hinterlassen will, kann diese natürlich zu jedem Beitrag tun, einfach unten auf '
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Montag, 30. Januar 2017

Münster: dst.galerie - Dorthe Goeden - weil nichts keine Form hat - noch bis zum 25. Februar

Ein Screenshot der PDF-Einladung zur Ausstellung Dothe Goeden - weil nichts keine Form hat. © dst.galerie Münster und Dorthe Goeden, VG Bild-Kunst

In Münster wird es schon bald wieder hoch her gehen, denn die kommende Ausgabe der von Kasper König 1977 ins Leben gerufenen Skulptur Projekte steht bevor. Doch vor dem international beachteten Ausstellungs-Blockbuster wollen wir an dieser Stelle auf einen kleineren Ausstellungsraum verweisen. 

Die Münsteraner dst.galerie zeigt seit letzten Freitag aktuelle Arbeiten der Künstlerin Dorthe Goeden. Da wir schon mehrfach über die Arbeiten der Künstlerin berichtet haben, begnügen wir uns an dieser Stelle mit einem Zitat der Worte von der Einladung zur Ausstellung und - wie gewohnt - zahlreichen Links, um das Thema vertiefen zu können.
   
Ein Blick in die Galerie von außen. © Dorthe Goeden, VG Bild-Kunst

'Dorthe Goedens Arbeiten sind Bilder von Bildern - allerdings weniger von konkreten Vorlagen als vielmehr von erinnerten Motiven. Sie untersucht als Künstlerin Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozesse, insbesondere im Hinblick auf bestimmte Orte.
 

Ein Konvolut kleinformatiger, gezeichneter Erinnerungsorte bildet dabei die Basis ihres Schaffens. Diese haben bereits einen Prozess der Transformation auf etwas Wesentliches durchlaufen und bilden in ihrer Konzentration intime Destillate des Gewesenen. Gleichzeitig können sie auch Ausgangspunkt sein, für komplexe Bildkonzeptionen bis hin zu Raum füllenden, skulpturalen Installationen.

Diese weiterführenden Arbeiten basieren dabei in der Regel auf Papierschnitten, denen die Linie als wesentliches Gestaltungselement zu Grunde liegt und für die gleichzeitig eine Befreiung aus der traditionellen Zweidimensionalität des Mediums kennzeichnend ist.'

Service  

Dorthe Goeden - weil nichts keine Form hat - noch bis zum 25. Februar
@
dst.galerie
Hafenstrasse 21
48153 Münster

Tel 0251 1 49 69 83 und  0176 27 47 22 02
www.dst-galerie.de

Öffnungszeiten
Mi-Sa von 12 bis 18 Uhr

lobenswert: Im Rahmen der Ausstellung kann eine Edition erworben werden und wer sich bis zum Ende der Ausstellung für den Kauf entscheidet, kann dies zu verführerisch günstigen Konditionen tun...

Links
- die Website von Dorthe Goeden, hier
- die Website zur Ausstellung, hier
- Dorthe Goeden - Ein Kunstwerk entsteht: Kunst am Bau und eine vorbildliche Datenbank (1/2017), hier
- Dorthe Goeden: An diesem Ort, möglicherweise - Ausstellung in Emsdetten (3/2015), hier 

- Dorthe Goeden - Papierschnitte - Ausstellung in Trier (6/2010), hier
- Dorthe Goeden - Papierschnitte - Ausstellung in Trier (5/2010), hier


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Freitag, 27. Januar 2017

Buchtipps: Ulrich Beck, Elfriede Brüning und Martin Luther King - anregende Positionen


Ein Screenshot von Helmut Draxlers Artikel 'Wo stehst Du Kollege?' zu 20 Jahren Texte zur Kunst. Statt Pop Art oder Land Art oder gar Concept Art raus auf die Straße? Jörg Immendorfs Bild von 1973 bringt die Frage, wie politisch können, sollen oder müssen (?) Kulturschaffende sein, auf den Punkt. © Jörg Immendorf, VG Bild-Kunst

Lesen hilft oft weiter. Und der hörenswerten Literatursendung 'Andruck - Das Magazin für Politische Literatur' von Deutschlandfunk verdanken wir die folgenden, inspirierenden Buchtipps. Denn wir sind ja bekanntlich wie Jörg Immendorf der Meinung, dass Kunst per se politisch ist und liefern in diesem Sinne an dieser Stelle Material für nachhaltige Aufklärung...

Was Kunst ist, wird ja meist in Seminaren und Großveranstaltungen wie der diesjährigen documenta immer wieder neu verhandelt. Und dass es sich bei der diesjährigen, der 14. Ausgabe der 1955 erstmals in Kassel ausgerichteten documenta um eine recht politische Ausstellung handelt, dafür sprechen viele Zeichen. Nicht zuletzt das 'learning from Athens' genannte Leitmotiv.

Wir sind gespannt und freuen uns schon jetzt auf die bald mögliche, nur alle 10 Jahre so vorkommende Kunstgrandtour von Kassel nach Münster und dann - dank dem genannten Leitmotiv der documenta 14 - über Venedig nach Athen. Jetzt aber zu dem angekündigten Lesestoff, wobei zuletzt noch betont werden sollte, dass auch die Kunst der Rezension von Literatur eine hohe ist. Davon zeugen die hier nur kurz zusammengefassten Rezensionen der Autoren Katja Ridderbusch, Günter Kaindlstorfer und Tom Göller.
  
Ein Screenshot der Deutschlandfunk-Website mit der lesens- und hörenswerten Rezension von Katja Ridderbusch. Das Bild zeigt Martin Luther King am 28. August 1963 in Washington, D. C. © Deutschlandfunk und Foto AFP

Martin Luther King: Ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Reden. Frisch aus der Druckerei, jetzt im Edition Nautilus 

Katja Ridderbusch rezensiert die häufig zitierten, in zahlreichen Songs gesampelten und in vielen Collagen als Fragment vorhandenen Reden des wortgewaltigen Predigers Martin Luther King. Jener Visionär und Friedensnobelpreisträgers, der in den 1960er-Jahren die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung als deren zentraler Protagonist anführte und von konservativen Kreisen und Nachrichtendiensten zum gefährlichsten Mann Amerikas gekürt wurde.

I have a dream...

Die Reden der 1968 erschossenen Ikone des Freiheitskampfes haben eine noch heute wirkmächtige Aktualität und traurige Brisanz. Einige seiner Reden erscheinen dank der Edition Nautilus nun zum ersten Mal auf Deutsch, sie zeigen, so Katja Ridderbusch, eine bislang weniger bekannte Seite des wortgewaltigen Baptistenpredigers. Sie sind besonders vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in den U.S.A. geradezu unheimlich aktuell.
 

Ein Screenshot der Deutschlandfunk-Website mit der lesens- und hörenswerten Rezension von Günter Kaindlstorfer. Das Bild zeigt Ulrich Beck im Jahre 2006. © Deutschlandfunk und Foto Claudia Esch-Kenkel/picture-alliance/ZB

Ulrich Beck: Die Metamorphose der Welt, druckfrisch beim Suhrkamp Verlag 

Die Welt ist aus den Fugen, so zitiert Beck einleitend Hamlet und fährt wie folgt fort: In diesem Buch versuche ich zu verstehen und zu erklären, warum wir die Welt nicht mehr verstehen. Globale Katastrophen und Krisen zeigen deutlicher denn je, das der Nationalstaat nicht der Lösungsansatz für globale Probleme sein kann. Gerade in der den aktuellen Debatten und politischen Tendnezen tut diese klare Ansage gut. Doch Beck ist kein Freund von einfachen Antworten, er ist weder ein Freund von Zukunftseuphorikern noch von Dystopikern.

...take your towel and remember: don't panic!


So wie die Raupe nicht weiß, dass aus ihr ein Schmetterling wird, weiß momentan niemand, wohin sich die Welt entwickeln wird, formuliert Beck und bevorzugt angesichts der nicht absehbaren Prozesse den Begriff der Metamorphose, um den notwendigen, grundlegenden Wandel zu kennzeichnen. Die überzeugende Mittlerposition des 2015 verstorbenen Soziologen Ulrich Beck in seinem letzten, von Co-Autoren vollendeten Buch über die globalen Transformationsprozesse, regt an und macht Mut.


Ein Screenshot der Deutschlandfunk-Website mit der hörenswerten Rezension von Tom Göller war leider nicht möglich, da der Beitrag bisher nur als Audio-Datei vorliegt. Das Bild zeigt das Cover des Buches von Sabine Kebir: Frauen ohne Männer? Selbstverwirklichung im Alltag. Elfriede Brüning © Aisthesis Verlag

Sabine Kebir: Frauen ohne Männer? Selbstverwirklichung im Alltag. Elfriede Brüning (1910-2014), just erschienen im Aisthesis Verlag.  

Eine Frau, die alle politischen Systeme Deutschlands im 20. Jahrhundert erlebte, das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Dritte Reich der Nationalsozialisten, die DDR und die gegenwärtige Bundesrepublik, ein spannendes Buch. Dank den ausführlichen Interviews der Autorin Sabine Kebir liefert dieses Buch eine fast 1000 seitige, dennoch kurzweilige Biografie, der es gelingt Brüning den Lesern so nahe zu bringen, als hätten sie Brüning selbst kennengelernt, lobt der Rezensent Tom Göller.

Eine visionäre Kämpferin für Frauen- und Kinderrechte und überzeugte Sozialistin  


An ihrem 100. Geburtstag nach wesentlichen Erfahrungen befragt, antwortete Brüning wie folgt: Sollten mich junge Leute fragen, was meiner Meinung nach das Wichtigste im Leben ist, so würde ich sagen…das Wertvollste ist, neben einem gesunden Körper, eine Arbeit, die Befriedigung gibt, die kann beglückender sein als die Liebe, ist beständiger als die Leidenschaft und niemals so quälend wie die Eifersucht…

Service und Links

- die Website der Literatursendung  Andruck - Das Magazin für Politische Literatur von Deutschlandfunk, hier
- Katja Ridderbusch rezensiert die Neuerscheinung von Martin Luther Kings Reden, hier
- mehr über Martin Luther King, hier
- Günter Kaindlstorfer rezensiert Ulrich Becks Buch Die Metamorphose der Welt, hier 

- mehr über Ulrich Beck, hier
- Tom Göller rezensiert Sabine Kebirs Buch: Frauen ohne Männer? Selbstverwirklichung im Alltag. Elfriede Brüning, hier
- mehr über Elfriede Brüning, hier


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Mittwoch, 25. Januar 2017

Bonn: Touchdown - Eine Ausstellung mit und über Menschen mit Down-Syndrom - noch bis zum 12. März

Ein Screenshot der Website der Bundeskunsthalle zur Ausstellung Touchdown. Zu sehen ist ein Ausschnitt einer Arbeit von Johanna von Schönfeld: Ohrenkuss-Ausgabe "Superkräfte" 2013
© Johanna von Schönfeld / VG Bild-Kunst und Bundeskunsthalle

Diese Ausstellung ist ein Novum. Und ein Muss. Es ist die erste Ausstellung über die Geschichte des Down-Syndroms. Und - wie der Titel schon sagt - es ist ein Projekt mit und über Menschen mit Down-Syndrom. Vorbildlich möchte man sagen. Doch zugleich traurig genug, dass es das erste Projekt dieser Art ist...

In Zeiten zuvor nicht gekannter Formen von Selbstoptimierung und medizinisch-technischer Möglichkeiten, welche künftigen Eltern die zurecht umstrittenen Früherkennungstests sehr nahe legen, ist eine umfangreiche Untersuchung und Präsentation der Geschichte von Menschen mit Down-Syndrom ein notwendiger, folgenreicher Denkanstoß. 

Doch fernab von dieser bedeutenden, gesellschaftspolitischen Debatte sei an dieser Stelle auch ein kleiner, kunsthistorischer Exkurs erlaubt: Denn der Kunstkritiker Michael Köhler merkt in seinem hörens- wie lesenwerten Bericht über die Bonner Ausstellung zurecht an, dass die in Bonn ausgestellten, mexikanischen Figuren exemplarisch aufzeigen, wie es ist, wichtig Kunstwerke beschreibend zu erfassen. Warum?

Ganz einfach: Es geht um Datenbanken und deren Bedeutung für die kulturwissenschaftliche Forschung, ein Thema, dem kunstlich.com sich immer wieder annimmt. Denn zahlreiche, auch aktuelle Digitalisierungskampagnen lassen in ihren engstirnigen, weil rein fachspezifischen Erfassungsrichtlinien die fachfremde Suche in den digitalen Schatztruhen außen vor. Und so wundert es kaum, dass viele kulturhistorische Datenbanken eine kaum nennenswerte Nutzerzahl außerhalb des Elfenbeinturms aufweisen können...
 
Ein Screenshot der Website von Deutschlandradio Kultur mit dem Bericht von Michael Köhlers über die Ausstellung Touchdown in der Bonner Bundeskunsthalle. © Deutschlandradio Kultur und Foto dpa / Marius Becker

Konkret und in Sinne Köhlers bzw. bezogen auf die Bonner Ausstellung bedeutet dies: Das Downsyndrom ist bei der Verwendung von fachspezifischen Schlüsseln, wie sie etwa in der Kunstgeschichte üblich sind, kaum auffindbar. Neben den überholten, weil engmaschigen Elfenbeinperspektiven spiegelt sich hierin letztlich auch die andauernde Tabuisierung des Down-Syndroms. 

Im Sinne der crossmedialen Berichterstattung zum Schluss noch ein Filmtipp zum Thema: Der Science-Fiction-Thriller Cube (1997) thematisiert die sich hinter der Tabuisierung des Down-Syndroms verbergende ethische Dimension in einem interessanten Filmstoff. Wie sehen Außerirdische wohl den Menschen? Ein klassisches Thema: Ob Perry Rhodan oder Raumschiff Enterprise, das peinliche Bild, dass die bis heute zerstrittene Menschheit von sich bietet, macht keine Lust auf Austausch mit dem sich selbst so bezeichnenden homo sapiens.

Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Einiges darüber kann man in Bonn erfahren bzw. Fragen wie diese tun sich dort auf. Und in diesem Sinne wird dieser Ausflug in die Bundeskunsthalle hoffentlich viele sensibilisieren. Und vielleicht auch zahlreiche, nachhaltige (Denk-)Spuren hinterlassen...

Service und Links
- Michael Köhler über Touchdown in der Bundeskunsthalle Bonn -die erste Ausstellung über die Geschichte des Down-Syndroms, hier
- die Website zur Ausstellung Touchdown in der Bonner Bundeskunsthalle, hier 
- spannende Diskussion: Menschen mit Behinderung - Vom Hochschuldozenten bis zum Museumsführer. Wie leben eigentlich Menschen mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft und welche besonderen Bedürfnisse haben sie? Um das herauszufinden, fragt man sie am besten selbst, hört ihnen zu und lässt sie als Experten in eigener Sache zu Wort kommen, hier
- mehr über die Früherkennung des Down-Syndroms, Test mit einer "verheerenden Botschaft" – so Gisela Höhne im Gespräch mit Nana Brink, hier
- Susanne Arlt berichtet über Lehrer und Schauspieler mit Down-Syndrom, hier

- mehr über den im Text erwähnten Science-Fiction-Thriller Cube von 1997, hier

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Montag, 23. Januar 2017

Nicht wissen gilt nicht: Die geheimen Löschteams von Facebook

Ein Screenshot der Website des SZ-Magazins mit dem Artikel von Hannes Grassegger und Till Krause über die geheimen Löschteams des Social-Media-Giganten. © Süddeutsche Zeitung Magazin, Illustration Sead Mujic
 
Ende des Jahres 2016 reagierte der umstrittene Social Media-Gigant auf die Vorwürfe einer Recherche, welche die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern der Firma Avarto thematisierte, die für Facebook Bilder, Videos und Textbeiträge prüft und entscheidet, was gelöscht wird und was nicht.

Doch auf Enthüllungen des SZ-Magazins über die traumatisierenden Arbeitsbedingungen der Lösch-Teams reagierte Facebook – wie gewohnt – mit schwammigen Beschwichtigungen. Juristen sprechen angesichts dieser Situation von einem "angeordneten Rechtsbruch" während der Social Media-Konzern auf einer anderen Baustelle – die sogenannten Fakenews – durch eine Kooperation versucht, aus den Negativschlagzeilen zu kommen.
 

Multimediale Gewalt, Missbrauch, Folter, jeden Tag aufs Neue in zwei Schichten von 8:30 bis 22 Uhr

Wir konzentrieren uns ganz an dieser Stelle ganz auf die skandalösen Arbeitsbedingungen der Facebook-Lösch-Teams, die natürlich nicht als solche zu bezeichnen sind, denn sie arbeiten ja für einen Subunternehmer: Die Bertelsmann Tochter Avarto. Die folgenden Zeilen sind ein Surrogat des höchst lesenswerten Artikel von Hannes Grassegger und Till Krause, den wir ausdrücklich an deiser Stelle empfehlen.
 

Zunächst vermuteten Social-Media-Experten, dass die sisyphoshaft anmutenden Säuberungsmaßnahmen, also die Sichtung von gemeldeten Facebook-Beiträgen, um zu entscheiden, ob sie gelöscht werden müssen oder nicht, in Schwellenländern stattfinden würden. So wie die Verwertung des Wohlstandsmülls, giftiger Elektroschrott etwa, in Afrika.
 

Doch spätestens seit den Enthüllungen des SZ-Magazins (12/2016) ist allen, die es wissen wollen klar, diese Arbeit wird zum Teil auch von multinationalen Teams in Berlin erledigt. Über Monate haben die beiden Autoren Hannes Grassegger und Till Krause mit ehemaligen und noch tätigen Mitarbeitern der Firma Avarto gesprochen, obwohl ihnen vom ihrem Arbeitgeber ausdrücklich untersagt wurde, mit Journalisten zu sprechen.
 

Cash Cow: 28 Millionen in Deutschland und 1,8 Milliarden Nutzer weltweit wollen nicht verstört werden

Es ist sicher kein Zufall, dass die digitale Müllabfuhr auf junge Menschen setzt, die in Berlin gestrandet sind. Menschen mit Fremdsprachen- und PC-Kenntnissen, denen erzählt wird, sie hätten das große Los gezogen: Sie arbeiten für Facebook. Nur eine Frage im Bewerbungsverfahren machte stutzig: Können Sie verstörende Bilder ertragen?
 

Ein Screenshot der Künstlerin Isabel Seliger, die für den SZ-Magazin Artikel eine überzeugende Illustration. © Isabel Seliger

Im Training, so berichten die Arvarto-Facebook-Mitarbeiter, wurden zunächst nicht so schlimme Bilder gezeigt, Penisse in allen Größen und entblößte Nippel. In den Schulungen – oder sollte man nicht besser Indoktrinationsmaßnahmen sagen – erklärten die Trainer den Neulingen, dass sie Facebook sauber halten würden, Dinge entfernen, die Kinder nicht sehen sollen. Sie würden Terror und Hass der Plattform entziehen und so zum Schutz der Gesellschaft beitragen.
 

Der Job macht euch fertig, schmeißt ihn hin, so schnell ihr könnt, rät einer…  

Vierzig Stunden die Woche Folter, Porno, Gewalt, Mord, Missbrauch, Hass und andere, unbeschreibliche Dinge, die für 1500 EUR Bruttto im Monat gesichtet werden müssen. Im Akkord. Man loggt sich ein, steuert eine Warteschlange, wo Tausende gemeldete Beiträge auf Bearbeitung warten. Psychologische Schulung und Betreuung steht zwar in den Verträgen, aber keiner der Interviewten Mitarbeiter berichtete von solchen Maßnahmen. Unser Auftraggeber Facebook hat sich vorbehalten, alle Pressenanfragen zu der Zusammenarbeit mit Avarto selbst zu bearbeiten, so lautete die Antwort auf kritische Fragen der Süddeutschen Zeitung Ende 2016.
 

Horrorrandom: Tierquälerei, Hakenkreuze, Porno, Leichen 

Immer wieder kommt es vor, so berichteten die interviewten Mitarbeiter Hannes Grassegger und Till Krause, dass plötzlich Kollegen aufspringen, rausrennen, weinen. Pro Tag sollten etwa 1000, neutral sogenannte 'Tickets' bearbeitet werden. Das darf bleiben, das darf nicht auf Facebook bleiben. Doch das komplexe und natürlich streng geheime Regelwerk, das bestimmt, was auf der Plattform bleiben darf und was nicht, verändert sich ständig. Was gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstößt muss weg, was nicht, darf bleiben.
 

Ein geheimes Parallelgesetz zur Meinungsfreiheit, geschrieben von einem Konzern, der Milliarden Kunden halten will

Aber wer definiert und kontrolliert diese geheimen Standards? Selbst Vertretern des Bundesjustizministeriums wurde der Zugang zu den Berliner Löschteams verweigert. Dem SZ-Magazin lagen große Teile des Löschkodexes vor. Demzufolge darf etwa ein Abtreibungsvideo nur gelöscht werden, wenn es Nacktaufnahmen enthält. Das Bild eines Gehängten mit dem Kommentar ‘Hängt diesen Hurensohn‘ darf nicht gelöscht werden, denn es handelt dabei um eine erlaubte Befürwortung der Todesstrafe… 
 

 

Maschinen haben Probleme zwischen Operationsvideos und Hinrichtungen zu unterscheiden. Für Millionen von Menschen ist Facebook die zentrale oder zumindest eine wichtige Nachrichtenquelle, doch da der Konzern nicht als Medienkonzern angesehen wird, weil er keine eigenen Inhalte produziert, muss er sich auch keinen ethischen Standards verpflichten.
 

Eines Tages werden Computer in der Lage sein, Inhalte zu erkennen, die gegen die Facebook-Richtlinien verstoßen…

Wir wollen nun mit der Aussage eines Mitarbeiters enden und empfehlen ausdrücklich und erneut, den umfangreichen Artikel Hannes Grassegger und Till Krause zu lesen: 'Ich weiß, dass jemand diesen Job machen muss. Aber es sollten Leute sein, die dafür trainiert werden, denen geholfen wird und die man nicht einfach vor die Hunde gehen lässt wie uns.'


Und noch dies: Die beiden Autoren haben am Ende ihrer Interviews die Informanten auch gefragt, ob sie nach diesen Erfahrungen selbst noch Nutzer von Facebook seien. Fast alle bejahten.


Service und Links

- Inside Facbook, der Artikel von Hannes Grassegger und Till Krause, hier
- die Reaktion auf die Enthüllungen des SZ-Magazins, hier
- die Illustration von Isabel Seliger zum SZ-Artikel Inside Facebook findet man auf der Instagram-Seite der Künstlerin, hier

- auch interessant, kunstlich.com über Big Data and Brother: Firmen wissen, was wir denken und machen Politik, hier
- auch interessant, kunstlich.com über Meinungsmache mit Social Bots bei Facebook und Co, hier

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Freitag, 20. Januar 2017

Essen: Emil Siemeister - Vom Rufen zum semiotischen Fallenstellen - noch bis zum 19. Februar

Ein Screenshot der Website zur Ausstellung, zu sehen ist ein Ausstellungsplakat von Emil Siemeister für die Sammlung Prinzhorn: Irre ist weiblich ... (2004) © Emil Siemeister, VG Bild-Kunst, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, Museum Folkwang

Der Titel der Ausstellung macht neugierig. Hat Museumsleiter Tobia Bezzola etwa das Thema Falle aus seiner Züricher Zeit mitgebracht? Wie auch immer. Der österreichische Totalkünster Siemeister ist immer für eine (humorvolle) Überraschung gut.

Seine beiden Manifeste, das Manifest zur 'Verdrängung der Kunst durch eine Nähmaschine' von 1974 und das Fest-Manifest von 1975, wurden beide als Performances vollzogen und kündeten schon früh von der für Siemeister typischen Medien- und Ausdrucksvielfalt.

Wir werden uns die Essener Ausstellung etwas genauer ansehen, denn das semiotische Fallenstellen trifft ein an dieser Stelle regelmäßig wiederkehrendes Thema, die Falle in der Kunst. Hier folgen vorab nun ein paar Zeilen von der Website des Folkwang Museums zur Ausstellung, mehr in Kürze...

"Siemeisters Plakate sind zumeist – wie seine Fotos auch – integraler Bestandteil seiner Performances, Ausstellungen und Filmprojekte. Damit sind sie von Anfang an Teil eines Gesamtkonzepts und selten „nur“ Werbefläche. Seine Gestaltungen stehen oftmals auch in diametralem Gegensatz zur allgemeinen Lehrmeinung, etwa wenn es um die Frage geht, wodurch man Wirkung im öffentlichen Raum erzielen kann. Damit bewegt er sich spielerisch pendelnd zwischen Werbefläche und Kunstprodukt.

Siemeister bedient sich dafür einer ganzen Palette von Möglichkeiten: Gedruckte Kleinauflagen werden individuell grafisch weiterbearbeitet, so dass aus einer Auflage gleichartiger Blätter eine signierte und nummerierte Serie von Varianten wird. Gleiche Motive werden auf verschiedene Materialien gedruckt, die zum Teil vorher händisch eingefärbt wurden. Zu einer Ausstellung werden verschiedene Motive in kleiner Auflage hergestellt, in reiner Handarbeit oder als individuelle Überarbeitungen gedruckter Motive. Mittels Siebdruck, Offsetdruck, Digitaldruck und Belichtungen auf Reprofolie, mit Kugelschreiberpaste, Blei- und Farbstiften werden die Motive auf verschiedene Trägermaterialien gebracht; neben unterschiedlichen Papieren (vom Löschkarton bis zum Transparentpapier) sind dies z. B. auch PVC-Folien. Dabei steht die Verständlichkeit der Botschaft nicht im Vordergrund.
 

Es scheint fast so, als wolle Siemeister mit dem „Massenmedium“ Plakat die „Masse“ eher ausschließen als einbeziehen. Für das einfache oder schnelle Aufnehmen einer Botschaft oder als Assoziationsfläche sind seine Plakate nicht gedacht. Sie verstecken mehr als sie preisgeben, fordern Aufmerksamkeit und Einlassung und verweigern letztlich doch den Zugang über das Nötigste hinaus. In diesem Sinne befreit Emil Siemeister seine Plakate weitgehend von ihrem medialen Zweck und widmet sich in der Gestaltung überwiegend der freien Form – damit sind sie fast so etwas wie die „Antiplakate“ unter den Plakaten.

Erstmals überhaupt widmet sich eine Ausstellung dem Plakatwerk von Emil Siemeister. Seine extreme Positionierung des Plakats als Teil seiner freien Kunst besetzt eine ebenfalls extreme Randposition dessen, was ein Plakat leisten kann."

Service und Links


- die Website zur  Ausstellung Emil Siemeister - Vom Rufen zum semiotischen Fallenstellen, hier

- Das Buch von Gerd Mörsch 'Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Täuschung, List, historische Fallen und Fanggeräte – Motivgeschichtliche Wurzeln des Fallenstellens', hier
- Kein moralischer Zeigefinder mehr? kunstlich.com über das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts über die Falle, hier 
- ein recht aktuelles SWR2 Matinee zur Falle, hier
-
SWR2 Feature von Claudia Friedrich über die Falle in der modernen Kunst, hier
-
kunstlich.blogspot.de über das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts, hier
-
kunsttexte.de: Spiegelung im Werk von Andreas Slominski – Gerd Mörsch über eine Kampfhundfalle des Künstlers, hier
-
kunstlich.blogspot.de über die Frankfurter Slominski-Ausstellung (2010), hier
-
das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts bei ART-Dok, hier
-
Tipp: alles zum Verhältnis von Kunst und Falle auf kunstlich.blogspot.de findet man über die Suchfunktion im blog


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Mittwoch, 18. Januar 2017

Nicht vergessen bitte - Petition weiterempfehlen - Pressereaktionen


Das Projekt „Kunst an Kölner Litfaßsäulen“ ist eine Kooperation der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), der Ströer Gruppe und der Stadt Köln - und ist nun akut vom Ende bedroht. Hier sehen wir ein Screenshot der Website von Johanna Reich mit Arbeiten aus der Serie 'Heroines', die bis zum 13. März 2016 zu sehen waren. © Johanna Reich
Wer sich bei diesem herrlichen Wetter flanierend im Kölner Stadtraum bewegt, hat noch die Chance irritierende, weil nicht mit Werbebotschaften versehene Plakate an Litfaßsäulen zu sehen. Doch das Projekt 'Kunst an Kölner Litfaßsäulen' steht vor dem Aus.

Warum eigentlich? Thomas Linden beschreibt die Situation in seinem 'Nicht ins Knie schießen' genannten Artikel wie folgt:

'Die Stadt hat ihre Werbeflächen im Rahmen einer Ausschreibung an die Firma Ströer verkauft, und die reißt nun vertragsgemäß die alten Säulen ab und ersetzt sie durch drehbare Glasvitrinen, in denen Kommerz und nur am Rande Kulturevents beworben werden. Kunst kommt hier in jedem Fall nicht vor. Der Rat hat sich diese Suppe ohne Not selbst eingebrockt. Immerhin wird nun Reue gezeigt, sowohl die Kulturdezernentin als auch sämtliche Sprecher der Parteien innerhalb des Kulturausschusses beknien die Firma Ströer, die Kunstsäulen nicht weiter zu vernichten.'

Den Link zum ausführlichen Artikel von Linden und zwei weitere Reaktionen der Presse findet hier weiter unten. Dort ist auch der Link zu der von der Art Initiatives Cologne (kurz AIC) ins Leben gerufenen Petition für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen.

Wir würden uns freuen, wenn auch Sie der Kunst im öffentlichen Raum eine Stimme geben, Danke!

Service und Links
- kunstlich.com über die Online-Petition der AIC für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier
-  Sebastian Fuhrmann berichtet für die Rheinische Post über den politischen Kampf für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier
- Thomas Linden kommentiert für choices.de die Kölner Posse um die Kunst-Litfaßsäulen, hier
Cornelia Ott berichtet für report-K über die Aktion für den Erhalt der Kunst-Litfaßsäulen, hier

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Montag, 16. Januar 2017

Labyrinth des Schreckens unserer Zeit: Wand vor Wand von Gregor Schneider in Bonn

Ein Screenshot der Ausstellung Gregor Schneider: Wand vor Wand in der Bonner Bundeskunsthalle. © Gregor Schneider / VG-Bild und Bundeskunsthalle

Auf nach Bonn. Dort wird noch rund einen Monat eine große Solo-Show von Gregor Schneider zu sehen sein, kuratiert von Ulrich Loock. Wir werden uns die Ausstellung etwas genauer ansehen und detailliert berichten. Denn Schneider ist kunstlich.com bestens bekannt. 

Sein Werk wurde von Gerd Mörsch ausführlich unter dem Aspekt der Falle in der zeitgenössischen Kunst untersucht. Und davon, dass man sich in Schneiders unheimlichen bis horrorartigen Räumen häufig wie 'ziemlich fies in die Falle getappt' vorkommt, kann man sich in Bonn jetzt selber überzeugen.

Kinder in Müllsäcken und Leichen im Keller?


In diesem Sinne wollen wir klaustrophobische, empfindliche Gemüter an dieser Stelle ernsthaft warnen. Trotz der tollen versteckten, verschachtelten Räume, die zum Erforschen einladen, ist diese Ausstellung auch für Kinder wohl kaum etwas. Gregor Schneiders Kunst geht - zumindest beim ersten Mal - unter die Haut. Seine unheimlichen Folterkeller, Zellen und Duschräume sind traurige Spiegel unserer Zeit...

Hier folgen vorab ein paar Zeilen von Website der Bundeskunsthalle über die Bonner Schneider-Ausstellung:

Gregor Schneider wurde 1969 in Rheydt geboren. Schon mit dreizehn Jahren malte er Bilder, die er heute noch in seine Ausstellungen und Publikationen aufnimmt. 1985 hatte er seine erste Einzelausstellung in der damaligen Galerie Kontrast in Mönchengladbach und begann im selben Jahr mit der Arbeit an seinem Haus an der Unterheydener Straße 12 in Rheydt, dem Haus u r. Im Jahr 2001 erhielt Schneider den Goldenen Löwen für den deutschen Beitrag zur Biennale Venedig. Aus der Logik seines Werkes heraus kam es zu verschiedenen Projekten, die als Provokationen missverstanden, heftig diskutiert und teilweise mit Zensur belegt wurden. Die Verhinderung einer schwarzen kubischen Skulptur mit den Maßen der Kaaba in Mekka, die 2005 für den Markusplatz in Venedig geplant war, brachte ihn dazu, sich verstärkt mit der öffentlichen und politischen Dimension seines Werkes zu befassen.

 «Erfahrungen wenden sich an alle Sinne und beruhen auf einer unfassbaren Welt.» Gregor Schneider

In dreißig Jahren hat Gregor Schneider ein Werk aufgebaut, das an einige der empfindlichsten Schmerzpunkte der Gesellschaft rührt. Zu Beginn entwickelte er das Konzept einer künstlerischen Produktion, die ihre eigenen Resultate verschlingt, und stellte damit die Unterwerfung der Kunst unter den Zwang des Ökonomischen in Frage. Später hat er in dem geheimen, aseptischen Hochsicherheitsgefängnis von Guantánamo eine Übereinstimmung mit dem White Cube von Museen und Galerien gesehen. Schließlich veröffentlichte er 2008 seinen Sterberaum und den Wunsch, einen Sterbenden in einem Museum zu zeigen. Daraufhin erhielt er Morddrohungen. Sein persönlicher Sterberaum wird nun zum ersten Mal in Deutschland aufgebaut. Schneiders Überlegungen zum Sterben liegt die Frage zugrunde, ob der Tod ein absolutes Ende ist oder der Übergang zu etwas, das für immer unbekannt bleiben wird. Er hat kulturelle Überkreuzungen in Szene gesetzt, versucht, ein islamisches mit einem katholischen Heiligtum in Verbindung zu bringen und die Rückkehr des Geistes der Nazizeit mit der Pulverisierung des Geburtshauses von Goebbels beantwortet. Das Medium seines künstlerischen Denkens ist der Einbau von Räumen in die gleichen, schon bestehenden Räume; die Verdopplung von Räumen, Personen und Objekten; die Rekonstruktion eines für ihn unerreichbaren Bauwerks. Seine bekannteste Arbeit ist der Einbau von 24 Räumen von Haus u r in den deutschen Pavillon der Biennale Venedig von 2001.


Links

- die Website zur Ausstellung Wand vor Wand von Gregor Schneider, hier 
- Gerd Mörsch bespricht Gregor Schneider ausführlich in: Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Täuschung, List, historische Fallen und Fanggeräte – Motivgeschichtliche Wurzeln des Fallenstellens, hier

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Freitag, 13. Januar 2017

Schluss mit lustig - Position beziehen und aufklären - Jetzt

Ein Screenshot von Helmut Draxlers Artikel 'Wo stehst Du Kollege?' zu 20 Jahren Texte zur Kunst. Statt Pop Art oder Land Art oder gar Concept Art raus auf die Straße? Jörg Immendorfs Bild von 1973 bringt die Frage, wie politisch können, sollen oder müssen (?) Kulturschaffende sein, auf den Punkt. © Jörg Immendorf, VG Bild-Kunst

Jetzt ist Schluss mit lustig, der Wahlkampf hat längst begonnen. Und der Hilferuf der zuletzt am thüringischen Theater in Gera-Altenburg tätigen Künstler macht es erneut deutlich. Angesichts der internationalen Renaissance nationaler wie rechtsextremer Tendenzen hilft nur Aufklärung und klare Stellungnahme.

Wir meinen wie Jörg Immendorf, dass Kunst per se politisch ist und liefern in diesem Sinne an dieser Stelle umfangreiches Material für Aufklärung und Argumentation: Zahlreiche hörens- und lesenswerte Berichte über die neuen Rechten in Europa und deren Verbindungen.

Die Tatsache, dass Firmen wie Cambridge Analytica für Manipulation im Sinne von individualisierter Fehlinformation und Propaganda bezahlt werden und Wahlkampf machen, sollte allen bewusst sein. Auch wenn die AfD nun auf den Einsatz von Social Bots verzichten will, wer's glaubt...

Die Psychometrik-Debatte und endlich bekannter gewordene, politische Potential der sozialen Medien, die bisher leider nicht ähnlich den klassischen Medien überprüft, geschweige denn verantwortlich für Falschmeldungen und deren Folgen gemacht werden, sind Aufforderungen an uns - die Bürger und Nutzer der sozialen Medien...

In diesem Sinne bitten wir Sie, wehrte Leser, bleiben Sie wach und aufgeklärt und lassen Sie sich nicht von den Angstmachern anstecken...

Service und Links

- Künstler verlassen das Theater: Henry Bernhard über den Skandal am Thüringer Theater Gera-Altenburg, hier
- Alltagsrassismus: Henry Bernhard erklärt, warum  Künstler das Theater Gera-Altenburg verlassen, hier
- Hans Christoph Buch über den jüngsten, unheimlichen Aufstieg der Propaganda, hier 

- Fabian Köhler über das Phänomen Lügenpresse, hier
- Verunsicherte Gesellschaft: Susanne Grüter über das Phänomen Populismus, hier 
- Martin Ganslmeier über das rechtspopulistische US-Internet-Portal Breitbart News und dessen wachsende Nutzerzahlen, hier
- Peter Welchering über Social Bots und den Wahlkampf der Algorithmen, hier
- Jürgen König: Rechte Parteien und die Kultur - Frankreichs Intellektuelle sind ratlos, hier
- Martin Sander: Rechte Parteien und die Kultur - Polnische Regierung setzt auf Konfrontation, hier
- Stephan Ozsvath: Rechte Parteien und die Kultur - Ungarn und seine Schriftsteller, hier
- aktuelle theoretische Hintergrunddebatten: kunstlich.com über das Kasseler Symposium A New Fascism?, hier
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kunstlich.com: über Big Data and Brother: Firmen wissen, was wir denken und machen Politik, hier
- Making of Apokalypse 2.0: Walter van Rossum analysiert die mediale Manipulation und Fehlinformation rund um die Kölner Sylvesternacht 2016, hier
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kunstlich.com: Der postfaktische Stand der Dinge: Meinungsmache mit Social Bots bei Facebook und Co, hier
- Klare Analyse: Albrecht von Lucke - Politikwissenschaftler, Publizist und Jurist - über den aktuellen Angstdiskurs, hier
- Klare Position: Man muss sich jetzt wehren - Autor Falk Richter im Gespräch, hier
- Tipp: Kopf oder Bauch? Ein hörenswerte Reihe über das Zusammenspiel von Gefühl und Verstand in postfaktischen Zeiten, hier

- nicht vergessen: Helmut Draxler: Wo stehst Du Kollege?, in 20 Jahre Texte zur Kunst, hier 

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