Donnerstag, 6. Juli 2017

documenta - Nizzablocker - historische Linien des Terrors

Man könnte es auf den ersten Blick als eine Stolperfalle, eine hinterlistige, an die wilden 1960er oder 1970er erinnernde Installation interpretieren... als Kunst noch weh tat und Künstler sich für jene - wie Günter Brus - im wahrsten Sinne des Wortes zu zerreißen drohten...

Wären die beiden minimalistisch anmutenden Betonkuben nicht durch ein massives Stahlseil verbunden, könnte es ein eben erst für die documenta-Besucher frisch gekärchertes altes documenta-Kunstwerk sein. Hatte Jimmie Durham nicht mal zwei kubische Felsen hier gelassen? Aber die waren doch rot...


Nein, Durham hat seine beiden Felsen, Überbleibsel der Hoetschen documenta von 1992, nach der Neu-Inszenierung im Rahmen seines documenta 13-Beitrags in der Karlsaue abgezogen, leider. Ein großer Verlust, der zum Spekulieren über die Hintergründe des Entzugs anregt... Denn Durham ist nicht dafür bekannt, dass die Erlöse auf dem Kunstmarkt Einfluss auf sein Werk haben. Aber zum Glück hat er 2012 neue, fruchtbare Spuren in Kassel hinterlassen, einen Apfelbaum nahe der Orangerie.

Jetzt zurück zum vermeintlichen Minimal-Art-Werk der aktuellen documenta. Das angebrachte Label auf den Betonklötzen scheint echt zu sein. F B S ist die Abkürzung für Fahrzeug - Blockier - System. In Kassel sagt man dazu kurz Nizzablocker, ein zynischer Neologismus, den viele schnell verstehen. Und auch das ist ein Teil der aktuellen  documenta in Kassel, sichtbare Spuren der Angst.

Aber letztere soll doch kein guter Ratgeber sein... Being safe is scary steht in großen Lettern, prominent platziert über den Säulen des Fridericianums, dem traditionellen Hauptausstellungsort der documenta.
Diese Intervention wird von vielen mit 'sicher zu sein, macht Angst' übersetzt, sicher zusein ist beängstigend trifft es aber besser. Ist die FSB-Installation nun also doch auch ein Kunstwerk? Spielt hier jemand ein zynisches Spiel?

Die Nähe der hier nur zum Teil abgebildeten FSB-Sicherheitsinstallation zum ausgetauschten Fridericianums-Schriftzug von Banu Cennetoglu gibt zu denken. In Athen widmete sich Cennetoglu der prokurdischen Journalistin Gurbetelli Ersöz, eine frühere Freiheitskämpferin. Freiheit, Sicherheit, Angst. FSB ist übrigens auch die Abkürzung für den russischen Geheimdienst. Ist das alles nur Zufall oder sublime Irritation oder besser subtile Provokation?

Andere Baustelle: Die als Teil der documenta 14 ganz offiziell proklamierte Versetzung des Denkmals von Wadim Sidur für die Opfer der Gewalt aus dem Jahr 1974, also genau in dem Jahr als Sidur von der KPdSU ausgeschlossen wurde, bringt auf diese Idee. Denn das Wandern bzw. Versetzen von Kunst im öffentlichen Raum ist Teil der d14. Sidurs Werk in Kassel ist übrigens einer Bürgerinitiative zu verdanken. Sie sammelte das Geld dafür, um basierend auf Sidurs kleinformatigem Entwurf ein großes Werk für den öffentlichen Raum zu schaffen.

Statt wie gewohnt nahe der Tramstation inmitten der Konsummeile zu verweilen, konfrontiert die documenta 14 Sidurs eindringliches Mahnmal auf dem Friedrichsplatz nun mit der übergroßen Figur des Landgrafen Friedrich II. Und eben jener ist u.a. für seine Söldner bekannt, die er Meistbietenden gerne zur Verfügung stellte...

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