Das Buchcover ziert eine Arbeit von Andreas Slominski: Elritzenfalle (2005)
© Museum für Moderne Kunst, Frankfurt , Foto: Axel Schneider
© Museum für Moderne Kunst, Frankfurt , Foto: Axel Schneider
Was verbindet Adam und Eva, den listigen Teufel und die Mausefalle miteinander? Und handelt es sich etwa bei dem Künstler Andreas Slominski, der sich selbst als Fallensteller bezeichnet und Fallen baut, um einen zeitgenössischen Parrhasios, weil seine Fallen (wie der gemalte Vorhang des Parrhasios, den Gerhard Richter ca. 2.000 Jahre später nachahmte) die Menschen täuschen?
Diesen Fragen ist Gerd Mörsch in seiner Dissertation (veröffentlicht im November 2009 in der wissenschaftlichen Reihe des Leopold-Hoesch-Museum- Düren) ausführlich nachgegangen. Da bisher - zumindest in der deutschsprachigen Kulturgeschichte - keine ausführliche motivgeschichtliche Untersuchung zur Falle vorlag, hat der Autor eine solche verfasst und sie einleitend vor den Haupteil der Untersuchung - die Kunst des 20. Jahrhunderts - gestellt.
Das Buch liefert - von der Höhlenmalerei bis ins 19. Jahrhundert - eine ausführliche kultur- und motivgeschichtliche Untersuchung der Falle, die als Grundlage für die Untersuchung des Motivs in der Kunst des 20. Jahrhunderts dient.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich interessante Fragen, etwa wie sich die Bedeutung und Verwendung der Falle als Symbol in der Kunst verändert hat. Oder: Was verbindet Falle und Skandal miteinander und wie bewertet die - sich im Laufe der Jahrhunderte sich wandelnde - Moral den listigen Fallensteller?
Fotomontage des Kölner Künstlers Ivo Weber für seine Ausstellung in der Frankfurter Galerie Thomas Hühsam © Ivo Weber
Don't touch me! Pandora, Eva, das Luder, der Teufel und der erste Roboter der Menschheit
Von Marcel Duchamp über Bruce Nauman, Vito Acconci und Günther Uecker bis hin zu Zeitgenossen wie Carsten Höller, Gregor Schneider, Santiago Sierra und natürlich Andreas Slominski wird deutlich, das der Kunstrezipient häufig in einer Falle steckt oder zumindest in eine solche gelockt werden soll.
Aus der Falle befreien kann der Betrachter sich nur selbst - doch kann man daher wie etwa Kate Linker von einem 'victory for the viewer' sprechen? Handelt es sich dabei auch um einen emanzipatorischen Akt des Rezipienten?
Kunst als Spiegel der Gesellschaft?
Die Falle als Symbol, künstlerisches Motiv und Strategie spielt eine bedeutende Rolle in moderner und zeitgenössischer Kunst. Und in ihrem Bedeutungswandel (die Beurteilung der ursprünglich göttlichen List) spiegelt sich auch der Wandel der Gesellschaft wider.
Noli me tangere - Die süße Macht der Versuchung
Kamer te hure - die attraktive Dame bietet Gästen nicht nur ihr Zimmer an. Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Gemäldes 'Jonge vrouw met muizeval' (1682) von Abraham Snaphaens. Standort und © Stedelijk Museum 'De Lakenhal', Leiden
Vorsicht Luder- die eindeutigen Indizien sind die Mausefalle und der umgekippte Krug
Das Motiv der verführerischen Dame mit Falle ist ein klassisches Beispiel. Der Betrachter wird eindeutig vor den Versuchungen des Lebens (bzw. des Teufels) gewarnt. Und wie sehr sich die Falle bzw. die Jagd als wirtschaftlich bedeutende, später vor allem aber symbolische Handlung in das kulturelle Gedächtnis einprägte, zeigt sich besonders deutlich an der Sprache. Das Luder, ködern oder kirre machen, einen Haken schlagen, von etwas Wind bekommnen, in die Falle gehen und fallende Soldaten sind nur einige Beispiele dafür.
Falle, Tod und Teufel
Die Qualen der Liebe, Holzstich von Meister Casper aus dem 15. Jahrhundert, Standort und © Kupferstich Kabinett Berlin
Dieser wunderbare Stich zeigt die Qualen der Liebe besonders deutlich. Doch obwohl der junge Herr von gemarterten Herzen umgeben ist, blendet ihn die kaum bekleidete Schöne. In seinem Liebeswahn fleht er die Schöne sogar an, sie solle ihn von seinen Leiden erlösen. Dass er der Versuchung in die Falle getappt ist, zeigen die unzähligen Foltermethoden um ihn herum: Von der Fisch- bis zur Mausefalle über die Säge bis hin zu Feuer und Klobe wird deutlich, dem Herzen des Verblendeten wird es schlecht ergehen.
Doch im Laufe der Säkularisierung gewinnt die mit der Falle eng verbundenen List wieder an Bedeutung. So wie bereits in der Antike darf sich der Listige in der Neuzeit wieder mit seinen Taten schmücken, wenn er denn für eine gute Sache kämpft. Der folgende, aus einem Kinderbuch stammende Stich macht dies besonders deutlich.
Sei listig aber gerecht!
Liebe Kinder gebt fein acht: Den Iltis fing des Jägers List hier ein, sey listig, doch vergiß niemals gerecht zu seyn. Quelle: Hempel, Friedrich Wilhelm; Neues ABC- Lese- und Bilderbuch für deutsche Knaben und Mädchen: nebst einer Anweisung vorzüglich für Aeltern, welche ihren Kindern auf eine leichte und faßliche Art den ersten Unterricht selbst ertheilen wollen, Leipzig 1816, kolorierter Kupferstich.
© Pictura Paedagogica Online
© Pictura Paedagogica Online
Service:
Gerd Mörsch:
Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Täuschung, List, historische Fallen und Fanggeräte - Motivgeschichtliche Wurzeln des Fallenstellens.
Düren 2009, 545 Seiten, 382 s/w Abbildungen
ISBN 978-3-925955-02-0
Das Buch ist für 17 Euro erhältlich bei
kunstlich.com sowie der Buchhandlung W. König
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