Sonntag, 11. April 2010

Auf nach Kassel: Thomas Zipp - Mens sana in corpora sano

Buchrücken von rattus norvegicus © TRANSPORTdesign, Köln

Der wie Markus Oehlen in der Rubrik Buchtipps - der Katalog rattus norvergicus - hier bereits erwähnte Künstler Thomas Zipp ist gerade im Kasseler Fridericianum zu sehen.

Einleitendes: Thomas Zipp (*1966 in Heppenheim) gilt zurecht als einer den spannendsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Der ausgebildete Maler fasst seine Einzelwerke - Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Installationen - immer zu einem Gesamtkonzept zusammen und bezieht die jeweiligen Ausstellungsräume stets mit in dieses ein. Manche nennen das Environment...

In Kassel lobt man ihn für die so geschaffenen Dichte und Präsenz seiner Arbeiten wie folgt: 'Durch diese Arbeitsweise verleiht Zipp seinen Ausstellungskonzepten eine einzigartige, unwiederholbare Existenz."

Mens sana in corpora sano vs. Geist ohne Körper

Hier vorab ein Blick auf ein recht junges Werk Zipps, das im Herbst 2009 zurecht großformatig in der Kunstzeitung abgebildet war. Es scheint, als hörten neben Sammler wie Dahlmann oder Goetz auch die Kuratoren der öffentlichen Institutionen so langsam die Glocken läuten, was die Qualität der Arbeiten des Künstlers betrifft.

Thomas Zipp: Geist ohne Körper (2004), Galerie Guido W. Baudach, Berlin
© Thomas Zipp und Roman März (Foto)

Bereits durch seine Anlehung an das vielzitierte Bonmot - der Ausstellungstitel - des römischen Dichters Juvenal über das 'gesunde Verhältnis' von Körper und Geist - gibt Zipp einen listigen Hinweis. Apropos: Zyniker munklen, dass Juvenal das Bonmot nur von den Griechen kopierte, aber bisher hat's noch keiner gemerkt... Doch nun zurück zu Zipp.

Public Private Partnership? White Reformation Co-Op

Der Künstler verwandelt das Fridericianum in ein absurdes Labor, eine psychiatrische Anstalt. Licht und Schattenspiele unterstützen die nicht nur formal düster erscheinenden Werke, die verzweifelten Protest provozieren würden - wenn da nicht der wohltuend Distanz schaffende Humor Zipps und die mehr oder weniger subtilen Referenzen in den Werken wären. Wer will, kann seine Arbeiten wie einen Krimi lesen.

Philosophisch oder zumindest gerne mal etwas tiefer als der Mainstream, auch das könnte man Zipp unterstellen. Denn in der wohl einige wütende Proteste der Kasseler Bürger hervorrufenden, weil nicht so schönen, temporären Kunst-Klapse Zipps dreht sich alles um Norm und Abweichung.

Menschen machen Menschen ... Platon, Sloterdijk und die real existente Gesundheitsdiktatur

Die ironische Psychatrie des Künstlers lässt sich intuitiv schnell etwa als Spiegel sozialer Mechanismen wie Abgrenzung und Einordnung in unserer Gesellschaft lesen - wenn man es will. Die Stärke der meist ironisch gebrochenen Dystopien Zipps, die durch in der Regel fein gesponnene Verweise den Rezipienten im besten Sinne des Wortes aufklären, oder zumindest sensibilisieren möchten, liegt in ihrer Vielschichtigkeit und Subtilität.

Und wie weit diese Dystopien schon mehr oder weniger Realität geworden sind, das hat zuletzt auf sehr anschauliche Weise etwa Juli Zeh in ihrem Roman Corpus Delicti' (2009, Rezension zeit.de ) aufgezeigt.

Hier nun das versprochene Bild und der Katalogtext von Gerd Mörsch über Zipps Werk in der Hamburger Sammlung Dahlmann.

Thomas Zipp: Plant (2005), Ausstellungsansicht Leopold-Hoesch-Museum Düren 2006
©
Thomas Zipp und
Anne Gold (Foto)

Auszug aus dem Katalog rattus norvergicus (S. 52-53) © Gerd Mörsch


Und mehr dazu wie gewohnt in Kürze...

Hintergrund:
Ausstellungsbesprechung von Hans-Joachim Müller auf zeit.de
Birgit Sonna in Art über Thomas Zipp in München - Ritt durch die Unterwelt
Saatchi Gallery über Zipp (viele Bilder)
Fotostrecke der aktuellen Ausstellung in Kassel auf hna.de

Service:
Ausstellungsdauer:
bis 13. Juni
Öffnungszeiten:
Mi - So 11 - 18 Uhr
Mittwochs ist der Eintritt frei
Kunsthalle Fridericianum
Friedrichsplatz 18
34117 Kassel

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