Donnerstag, 19. August 2010

Eine neue Rubrik: Wörter, die man nicht vergessen sollte... Teil I: Labsal

Der Schuhmacher Niklas Rode und seine Frau genießen selbstgemachten Apfelwein. Die Bildunterschrift des 1815 entstandene Druckes lautet: Man kann oft aus gemeinen Sachen, durch Fleiß und Kunst ein Labsal machen. Doch bist du ungeschickt und faul, so nimm vorlieb und wisch das Maul.
Quelle und
© Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung

Dass Wörter auch Kunst sein können, muss an dieser Stelle wohl nicht weiter erläutert werden. Ausgehend von Wörtern entstehen Bilder in unseren Köpfen, von deren Qualität die bildende Kunst meist nur träumen kann.

Der umstrittene Universalkünstler
Günter Grass hat ein neues Buch geschrieben - Grimms Wörter - und wie der Titel andeutet den Gebrüdern Grimm gewidmet. Sein Interview (Der Spiegel 33/20120, S. 118f.) ist Anlass für diese neue Rubrik auf kunstlich.com.

Wir folgen dem großen Dichter und Denker und widmen die erste Ausgabe der Wörter-Rubrik dem von Grass gelobten, tröstlichen Labsal. Über dieses Wort spricht der Literaturnobelpreisträger wie folgt:

Vokabeloralverkehr

'Labsal... Dieses doppelte lange a ist wunderbar. Es begeisterte ja auch die Gebrüder Grimm, die trieben ja ohnehin Oralverkehr mit den Vokalen. Labsal wirkt so tröstlich, als gelange man nach großem Schrecken sicher nach Hause zurück.'

Um sich - und wieder sind wir bei dem einleitenden Gedanken und der Rechtfertigung dieser Rubrik auf kunstlich.com - ein genaueres Bild von der Bedeutung dieses Wortes machen zu können, haben wir in Grimms Wörterbuch und anderen (gedruckten) Büchern gestöbert.

Aprospos: Grass schätzt gute, aufwendig produzierte Bücher. Eine Veröffentlichung seines neuesten Werkes in digitaler Form hat er daher untersagt.

In Grimms Wörterbuch finden sich u.a. die folgenden Zitate, mit denen man sich ein genaueres Bild der Bedeutung von Labsal machen kann:

'Labsal bezeichnet, entsprechend der Verwendung des Verbums laben, alles, was zur Erquickung dient, Speise, Trank, Arznei, auch aufrichtender Zuspruch und sonstiges....

Ausgewählte Beispiele für Labsal

Er were seer matt, fülete gar kein kraft mehr. wir rieben und kületen in, gaben im labsal, und theten was wir kundten bis der arzt kame.'

Auch schön sind die Folgenden:

Du meiner Hoffnung Trost, du Labsal meiner Pein.


Wer die Anmuth recht geschmeckt,
die im Ehestande steckt,
dem wird eheloses Leben
gar ein schlechtes Labsal geben.

Quelle: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Dank der Uni Trier auch als Online-Version)

Niedertauendes Labsal


Du kennest meinen Kummer,
Der auf gen Himmel blickt,
Wann für den süßen Schlummer
Die ganze Welt sich schickt,
Womit so schwer beladen
Mein Herz nach oben schaut,
Nach jenem Born der Gnaden,
Der Labsal niederthaut.

Auszug aus: Ernst Moritz Arndt - Die Feier des 18. des Weinmonds 1814

Oder etwas moderner: Labender Kaffee

Auch an diesem Tage – die jedesmalige Tagesfahrt war nur vier Meilen – kamen sie früh ins Quartier, und er erquickte sich an Kaffee, »der überhaupt sein bestes Labsal war«. Sowohl abends wie morgens.

Auszug aus: Theodor Fontane - Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Das sollte vorab genügen. Wir wollen uns ja nicht gleich (wie die Grimms) in Hardcore-Oralverkehr mit Vokalen stürzen. Wer weitere labsalige Zitate finden möchte, dem sei die stetig wachsende, kostenlose digitale Bibliothek Projekt Gutenberg empfohlen.

Zum Schluss: Etymologisches zum Labsal

Labe meint Erfrischung, labendes Getränk, althochdeutsch (9. Jh.), bereits im Althochdeutschen mannigfache Verwendung, auch im Sinne von Hilfe und Heil, dann auf Erquickungsmittel für Geist und Körper bezogen. In neueren Zeiten wurde es als zu dichterisch empfunden und weniger gebräuchlich als die Anstrakta Labsal (Erquickung, was zur Erquickung dient).

Quelle: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 6. DTV-Taschenbuchausgabe 2003)

In diesem Sinne wünscht kunstlich.com: Mögen Sie ihr Labsal finden und sich daran nach Herzenslust erquicken!

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