Mittwoch, 10. Mai 2017

Kassel: Vision/Version - noch bis zum 7. Juli

Ein Teil der Arbeit 'Tracing Coyotes' von Eeva Ojanperä und Theresa Grysczok.

Fernab von der documenta hat Kassel dank der Kunsthochschule ein für die Größe der Stadt ungewöhnlich reichhaltiges Kulturangebot. Und natürlich ist daran auch die documenta und das Staatstheater schuld. Denn wenn wie zuletzt...

...fast 1 Millionen Menschen die Stadt besuchen, um sich mit Werken, Projekten und Definitionen der zeitgenössischen Kunst zu beschäftigen, kann dies nicht ohne nachhaltigen Einfluss auf die documenta-Stadt geschehen. Die hier im Folgenden beworbene Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des documenta Archivs und der Kunsthochschule, gestartet 2015. 

Martina Bramkamp, Professorin für Trickfilm im Studiengang Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel, lud ihre Studierenden zu einem Besuch ins Archiv ein. Denn man mag es kaum glauben, aber vielen Studierenden in Kassel ist die Wunderkammer documenta Archiv mit seinen fantastischen Beständen kaum bekannt. Natürlich liegt das vor allem an dem seit Jahrzehnten andauernden Dornröschenschlaf des Instituts. 

Der Anfang vom Ende des Dornröschenschlafs?

Aufgrund chronischer Unterfinanzierung waren die Öffnungszeiten und Arbeitsplätze des Archivs nicht gerade geeignet, Studierende und Interessierte anzulocken. Doch glaubt man den jüngsten politischen Bekundungen, wird sich dieser Zustand hoffentlich bald ändern. Seit 2016 verfügt das Archiv über ein Jahresbudget von immerhin 1 Millionen Euro. 

Jetzt aber zurück zur aktuellen Ausstellung. Die Klasse von Martina Bramkamp wurde 2015 durch die Bestände des Archivs geführt und dazu eingeladen, sich intensiver mit den darin verborgenen Schätzen auseinander zu setzen. Daher auch der Titel: Vision/Version, inspiriert bzw. ausgehend von Archivalien im documenta Archiv entstanden die Positionen der Studierenden.

Sechs von ihnen präsentieren nun, nach intensiver Auseinandersetzung mit von ihnen ausgewählten künstlerischen Positionen im Archiv, ihre eigenen Arbeiten. Und wer im Rahmen der diesjährigen Kunst-Grand-Tour nach Kassel reist, sollte sich also nicht nur die aktuellen documenta 14-Beiträge anschauen. Hier folgen nun einige Zeilen aus der Presseeinladungen zur Ausstellung Vision/Version:



Das in der Presseerklärung mitgelieferte Bild der jungen Künstler aus Kassel.

'Inspiriert von ehemaligen documenta Künstlern wird das Publikum von den filmischen und installativen Arbeiten angehalten oder in Bewegung gesetzt. Dabei werden Verbindungen und unvorhergesehene Schnittstellen zwischen den Künstlerinnen und Künstlern und deren direkter Umwelt hergestellt. Verbindungen zwischen Kultur und Natur, Tier und Mensch – durch die wir uns in einen innerlichen Zustand begeben, in dem wir uns eher selten bewegen. Die Herausforderung ist es sich selbst zu positionieren, so die Künstlergruppe.

Daniel Maaß sucht Räumlichkeiten auf, die normalerweise verborgen bleiben. Er öffnet dem Publikum die “Teeküche” des Verwaltungsgerichthofes und macht uns durch die Manipulation des Raumes die Fremdgesetzlichkeit bewusst, die der französische Philosoph Michel Foucault mit dem Begriff 'Heterotropie' beschreibt: der Abhängigkeit aller Wesen von Raum und Zeit. Die Frage ist, ob die Abhängigkeit von Maaß oder dem Zuschauer selbst hergestellt wird.

Die geistige Positionierung steht zentral in Ingrid Fischers und Chengjie Xus Rauminstallation 'Looking Back'. Mittels der Technik des Nudogramms behandeln Fischer und Xu die Veränderungen, die sich nach einer Schwangerschaft sowohl seelisch, als auch körperlich bemerkbar machen. Das Nudogramm, eine fotografische Technik, in welcher die Silhouette einer Person abgebildet wird, geht dabei sensibel mit dem intimen Thema der Schwangerschaft um. Denn, so wie Fischer es beschreibt, "wo Licht ist, fällt auch immer Schatten." Sowohl eine metaphorische als auch wortwörtliche Beschreibung der Arbeit.

Die Installation "Tracing Coyotes" von Eeva Ojanperä und Theresa Grysczok begibt sich auf die Suche nach der Geschichte des Hundes, vom Coyoten zum Gefährten des Menschen. Dabei stoßen sie auf verschiedene Sinnbilder und Erklärungsversuche. Kennen Sie den, während der Documenta 13 benutzten Begriff 'companion' (Gefährte) noch? Dieser Begriff, geprägt von der US-amerikanischen Naturwissenschaftshistorikerin und Biologin Donna Haraway, beschreibt die Sicht auf die Beziehung zwischen Hund und Mensch und steht im Mittelpunkt der Installation. Sie bietet dem Besucher einen, alle Sinne ansprechenden Einblick in das Zusammenleben mit einem ganz speziellen Hund.

Zuletzt nutzt Karolin Twiddy die Briefmarken des vor kurzem verstorbenen Grafikers Karl Oskar Blase als Ausgangspunkt für eigene Motive. Sie werden durch Animation in Bewegung gesetzt und den Marken Blases gegenübergestellt. Die typischen Formen, Farben und Schriften des Konstruktivismus zeigen zwar ihre Präsenz, doch laufen sie dem Besucher zeitgleich davon. Doch, wo die Briefmarken bestimmt schon lange Wege hinter sich gebracht haben, bewegt sie Twiddy an Ort und Stelle (J.H.C. van Nieuwkoop).'

Service

Vision/Version
Gruppenausstellung mit Werken von Karolin Twiddy, Ingrid Fischer, Chengjie Xu, Eeva Ojanderä, Theresa Grysczok und Daniel Maaß.
Lichthof des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
Brüder-Grimm-Platz 1 - 34117 Kassel

noch bis zum 7. Juli
Öffnungszeiten Mo-Do 9-15 und Fr 9-13 Uhr

lobenswert ist der freie Eintritt

Links

- die Website der Kasseler Trickfilmklasse, hier
- die Website des documenta Archivs, hier


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