Freitag, 18. November 2016
Von den Briten lernen: Freier Eintritt in staatlichen Museen JETZT
Ludger Fittkau berichtete zuletzt über die Pressekonferenz der seit rund drei Monaten im Amt befindlichen Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig. Bisher hatte sich Hartwig, die lange als Literaturkritikerin arbeitete, vor allem in der Debatte über die Zukunft von Schauspiel und Opernhaus in Frankfurter profiliert.
Die an Köln und andere Kommunen erinnernde, Frankfurter Debatte drehte sich um die Frage, ob es sich lohne, das Frankfurter Schauspiel und Opernhaus in der Innenstadt für mehrere hundert Millionen Euro zu sanieren. Wäre es nicht besser gleich ein neues Doppelhaus an einem anderen Ort zu bauen?
Von Köln lernen? Hoffentlich…
Ina Hartwig entschied sich gegen den Neubau und damit für Schauspiel und Opernhaus im Herzen der Stadt. Eine gute Entscheidung. Es bleibt die Hoffnung, dass die Frankfurter Kultur- und Bauverantwortlichen auch von den Verzögerungen und Kostenexplosionen des Kölner Projektes lernen. Jetzt aber zum eigentlichen Coup der neuen Frankfurter Kulturdezernentin. Hartwig kündigte an, dass ab 2017 Schüler, Auszubildende und Studierende freien Eintritt in allen städtischen Museen haben werden.
Aber um genau zu sein, müssen wir ergänzen, dass die Studierenden dafür zahlen. Allerdings kaum spürbare, weil als Teil des Semesterbeitrages abzutretende 2 EUR pro Jahr. Ein fairer, vorbildlicher Deal, den zuletzt auch die Stadt Kassel für seine Studierenden und das Theater wagte. Bleibt zu hoffen, dass diese Politik sich durchsetzt und der freie Eintritt in (kommunale oder staatliche) Museen schon bald wirklich für ALLE Bürger gilt. Denn nur wenn Museen sich – dank des freien Eintritts – als alltägliche Treffpunkte und Orte der Entschleunigung in den Alltag vieler integrieren, können sie alle gesellschaftlichen Gruppen erreichen und so ihrem Bildungsauftrag gerecht werden.
Barrieren schleifen und Besucher dauerhaft binden
Denn wer kann bzw. wer zahlt schon gerne 15 EUR Eintritt? Ja, soviel kostet der Eintritt heute durchschnittlich in einem Museum in einer größeren Stadt. Das Argument, dass Opern-, Theater- und Konzertkarten meist deutlich mehr kosten ist – ist unserer Meinung nach – kein echtes. Wobei es natürlich toll wäre, wenn Theater- und Opernhäuser regelmäßig Karten zu fairen Preisen an bedürftige Gruppen vergeben würden. Auch diese Häuser haben einen Bildungsauftrag und müssen sich um die künftigen Kunden kümmern. Denn die Zahl der reiferen Bildungsbürger mit einst obligatorischen Theater- oder Operabo entwickelt sich nicht automatisch positiv bzw. parallel zum Altersdurchschnitt der Bevölkerung.
Zurück zu den Museen. Der Eintritt in die ständige Sammlung ist besonders fragwürdig, wenn es sich um ein kommunales oder staatliches Museum handelt, da es bereits von allen Bürgern/Steuerzahlern finanziert wird. Die Vorreiter der Institutionen mit freien Eintritt differenzieren daher häufig zwischen Wechselausstellungen und der (permanenten) Präsentation der eigenen Bestände. Der Eintritt in die museumseigene Sammlung ist meist frei. Für Sonder- bzw. Wechselausstellungen mit zahlreichen, inzwischen leider sehr teuren Leihgaben muss dagegen Eintritt gezahlt werden.
Das Folkwang Museum glänzt wieder, freier Eintritt für ALLE
Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Folkwang Museum erneut Vorreiter. Dank einer sehr potenten Stiftung, die dem Museum – genauer gesagt, der Stadtkasse Essen – den Ausfall der Eintrittsgelder kompensiert, ist der freie Eintritt in die ständige Sammlung des Folkwang Museum schon seit über einem Jahr Standard. Und dass gilt für jeden, nicht nur Schüler, Auszubildende oder Studierende. Dass finden wir vorbildlich und zukunftsweisend.
Mitte 2015 glänzte Leiter Tobia Bezzola mit der Entscheidung für den freien Eintritt. Mitte 2016 präsentierte er dann die erste Bilanz mit verdoppelten Besucherzahlen. Diese Zahlen und das jüngste Signal aus Frankfurt machen Mut. Zudem ist, wie bereits angedeutet, für viele schlicht nicht nachvollziehbar, warum Bürger für die ohnehin von Ihnen finanzierten Museumssammlungen Eintritt zahlen sollen.
Geld für Kaffee und Tee, Postkarten und Kataloge statt Eintritt
Zahlreiche Studien belegen außerdem, dass die Besucher die Summe, die sie für den Eintritt sparen, gerne im Museumscafé oder -shop lassen. Bei den aus Essen bekannten, verdoppelten Besucherzahlen dürfte so doch eine stattliche Sumem zusammenkommen. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnisse und Modelle durchsetzen, dass mehr und mehr Kultur- und Finanzverantwortliche verstehen, dass auf Eintrittsgelder zu verzichten, eine nachhaltige Investition in Bürger und Kulturinstitutionen bedeutet.
Service und Links
- Folkwang-Direktor Tobia Bezzola über seine Institution und den Sinn von freien Eintritt, hier
- freier Eintritt und verdoppelte Besucherzahlen, Tobia Bezzola im Gespräch mit Eckhard Roelcke, hier
- Ludger Fittkau über Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig und den freien Eintritt in Museen, hier
- Kommentar: Matthias Thibaut über die Berliner Museumsdebatte und den Sinn von kostenlosen Eintritt, hier
- Sabine Reithmaier und Evelyn Vogel über die Diskussion um den freien Eintritt in München, hier
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