Montag, 14. November 2016

Dresden: Blutiger Boden – Tatortbilder und der Stand der Dinge nach fünf Jahren NSU Aufarbeitung

Hier starb am 09.09.2000 Enver Şimşek. Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem Foto von Regina Schmeken in der Ausstellung Blutiger Boden. Die Tatorte des NSU. © Regina Schmeken/MHM

Ausgerechnet in einem Militärmuseum, in Dresden? Nein, wer das Programm des von Daniel Libeskind charakteristisch erweiterten Militärhistorischen Museums der Bundeswehr kennt, den wundert es kaum, dass dort nun Fotografien der NSU Tatorte ausgestellt werden.

Scheinbar unschuldiger Alltag in grobkörnigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Doch vor allem die ungewöhnlichen Perspektiven der Fotografien von Regina Schmeken, die u.a. als Fotojournalistin für die Süddeutsche Zeitung arbeitet, irritieren. Je drei Bilder zu jedem der zwölf NSU-Tatorte werden in Dresden in der traditionellen Form des Triptychons zusammengefasst präsentiert.

Aufklärung nötiger denn je… 


Und da alle Aufnahmen auf einer Höhe hängen, verschmelzen sie zu einem durchgehenden, unheimlichen Bilderfries. Die teils ungewöhnlichen, weil so tiefen Perspektiven der Aufnahmen erläutert die Fotokünstlerin Schmeken im Gespräch mit Jochen Stöckmann wie folgt. Sie illustrieren

"dass ich einerseits wirklich tiefer graben möchte oder diese Fragen zu den Morden mich nicht loslassen, nicht loslassen können, wenn man keine Antworten bekommt. Und zweitens ist es schon so ein, ja; vielleicht ist es eine Art Respekt. Vielleicht ist es dieses Gefühl am Tatort, dass der Mensch gestürzt ist, er ist auf den Boden gestürzt. Er ist vernichtet, er liegt in seinem Blut."

Würdigung durch Leerstellen

 
Ebenso ungewöhnlich wie die Präsentation der Bilder in Teilen der Dauerausstellung des Militärhistorischen Museums ist der Katalog zur Ausstellung. Die Kuratoren des Militärhistorischen Museums haben Abzüge der Fotografien Schmekers an Autoren gesendet, die ihre Eindrücke, ihre Interpretationen der Bilder in Form von Essays festgehalten haben.

Schriftsteller wie Feridun Zaimoglu oder Hans Magnus Enzensberger waren involviert. Und ihre Reaktionen, die Impressionen der Autoren von den Fotografien Schmekens, werfen interessante, teils neue Fragen auf. Eine vorbildliche Publikation, die der bedeutenden Ausstellung, der mutigen Präsentation der eindringlichen Bilder gerecht wird. 


Weniger vorbildlich, um nicht zu sagen skandalös, ist der Stand der Dinge beim Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordeserie, wie Liane von Billerbeck, Ombudsfrau im NSU-Prozess, berichtet, siehe unten.

Service
Blutiger Boden - Die Tatorte der NSU

Militärhistorisches Museum Dresden 
Olbrichtplatz 2
01099 Dresden
mhmeingang@bundeswehr.org

noch bis zum 7. Mai 2017

Links 

- die Website des Militärhistorischen Museums Dresden zur Ausstellung Blutiger Boden, hier
- Jochen Stöckmann berichtet über die Ausstellung Blutiger Boden im Militärmuseum Dresden, hier
- Barbara John im Gespräch mit Liane von Billerbeck, Ombudsfrau im NSU-Prozess über den Stand des Verfahrens, hier
- Kemal Hür über das Stück 'Die NSU-Monologe', das auf Interviews mit den Familien der Ermordeten basiert, hier
- Elske Brault über die Dramatisierung der NSU und die Frage, ob sie zur Aufarbeitung beiträgt, hier
- Matthias Dell über eine Frankfurter Tagung zur Aufarbeitung der NSU-Verbrechen, hier

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