Mittwoch, 9. November 2016

artothek Köln: Chargesheimer Stipendium für Medienkunst – noch bis 19. November

Die Einladungskarte für die Ausstellung ‘This has been going on for years’ von Miriam Gossing und Lina Sieckmann zeigt einen Filmstill aus ihrem preisgekrönten Film 'Ocean Hill Drive' (2016, 22 Min.). Courtesy Miriam Gossing und Lina Sieckmann

Die Kölner artothek verleiht nicht nur für kleines Geld große Kunst, sie lädt auch regelmäßig zu Ausstellungen ein. Zuletzt hatten wir an dieser Stelle die Intervention des Kölner Künstler Ivo Weber anlässlich der Photoszene Köln besprochen. 

Die artothek, ein spannender Bau im Schatten des Kölner Domes bietet einen großen, hohen Ausstellungsraum, der von einer Galerie umfasst wird. Mittelalterliche und 1950er Jahre Architektur verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen, das jetzt von zwei jungen Künstlerinnen bespielt wird.

Hypnotische Bilder und eine eindringliche Stimme

‘This has been going on for years’ ist der Titel der Ausstellung von Miriam Gossing und Lina Sieckmann, die den das Chargesheimer-Stipendium der Stadt Köln für Medienkunst in diesem Jahr erhalten haben und den Preis mit dieser Ausstellung feiern. Die beiden jungen KHM-Absolventinnen haben die artothek für die stimmige Präsentation ihres Filmes ‚Ocean Hill Drive‘ mit einer riesigen Fototapete und Elementen eines stilvollen 1960er Jahre Wohnzimmers verwandelt.

Das Unheimliche in der Nachbarschaft  

Oben auf der Galerie, nahe einem schweren Vorhang, kann der Besucher sich auf zwei Sesseln ausruhen und im Licht einer Wohnzimmerlampe den auf dem Tisch liegenden Katalog der Künstlerinnen studieren. Es ist ein Unikat, das (noch) einen Verleger sucht… Von hier oben kann man auch das zentrale Werk der Ausstellung, den ca. 20 minütigen Film gut schauen und die dichte, düstere Atmosphäre genießen.  

Preisverdächtige NewcomerInnen

Der Film ‚Ocean Hill Drive‘ ist als gemeinsame Diplomarbeit von Miriam Gossing und Lina Sieckmann an der Kunsthochschule für Medien bereits in diesem Sommer ausgezeichnet worden und ergatterte zuletzt auch den ‚Best Film – NRW-Competition‘-Preis des Kurzfilmfestivals in Oberhausen

Fazit  


Dank der Stimme der Erzählerin, den lange auf Details ruhenden Aufnahmen, die durch die von ihnen geschaffene Stimmung deutlich an David Lynch erinnern, gewinnt der Film eine eindringliche Intensität, die von der Jury zu Recht gelobt wurde. Diese Professionalität bzw. Qualität steht im leider im Gegensatz zu der etwas unprofessionellen bzw. echt kölschen Preisverleihung, die dem Publikum viel Geduld abverlangte…

Jetzt aber schnell hin: Der Film ist noch bis zum 19. November in der artothek zu sehen und wenn man schon mal da ist, kann man auch gleich artothek-Mitglied werden oder Freunden einen artothek-Gutschein mitbringen. Es ist ja schon bald Weihnachten...

Hintergrundinformationen aus dem Pressetext


Auf Grundlage ausführlicher Interviews mit Bewohnern einer Vorstadtsiedlung im Osten der USA entwickelten die Künstlerinnen ein Filmscript, in dem es um die unbestimmten Ängste und Projektionen von Menschen geht, in deren heimisches Umfeld ein ständiger und nervöser Puls von Licht und Schatten eindringt. Der sogenannte Flickereffekt, ein aus strukturellen Experimentalfilmen bekanntes Motiv, taucht hier in dokumentarischen Aufnahmen der US-amerikanischen Suburbia auf. Tableauartige Ansichten von menschenleeren Räumen zeigen die Künstlerinnen mit der Stimme einer fiktiven Erzählerin und schaffen eine an die schleichende Beklemmung von Horrorfilmen erinnernde Stimmung. Dokumentarische Momente werden zu einem fiktiven Ganzen, in dem die Grenzen zwischen Realität, Erinnerung und Fiktion verschwimmen.

Miriam Gossing (1988 geboren in Siegburg) und Lina Sieckmann (1988 geboren in Engelskirchen) kennen sich seit ihrer Kindheit und arbeiten seit Mitte des Studiums an der Kunsthochschule für Medien (2009 – 2015) zusammen. 16mm Film und Video, Fotografie bis hin zu Büchern sind die Medien, in denen sie sich bewegen. Ihre Arbeitsergebnisse sind geprägt durch intellektuelle Sensitivität und sensible Realisierung ihrer Projekte, Eigenschaften, die sie über die Jahre der Zusammenarbeit miteinander entwickelt haben. Intensive Recherchen und Begegnungen mit Gruppen und Individuen kennzeichnen ihre Arbeiten ebenso wie die eindeutige und klare Annäherung an urbane und private Architekturen und künstlich geschaffenen Welten, die Sehnsucht, Angst, Beklemmung und Entfremdung entstehen lassen. In ihrer Vielschichtigkeit und formalen Konsequenz bleibt ihre Arbeit stets undidaktisch und auf subtile Weise politisch.
 

Service
This has been going on for years  
Miriam Gossing und Lina Sieckmann - Chargesheimer Stipendium für Medienkunst 
bis 19. November
artothek - Am Hof 50 - 50667 Köln 

Öffnungszeiten Di-Fr 13-19 und Sa 13-16 Uhr  

Links 
- die Website der artothek, hier
- kunstlich.com-Besprechung von Ivo Webers Ausstellung 'Waldfegen' in der artothek, hier

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