Montag, 7. November 2016

Berlin: Peinlicher Kunstentzug - Kritik am Verschwinden des Pergamon-Altars

Diese fantastische Architektur wurde unter König Eumenes II. in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf dem Burgberg der kleinasiatischen Stadt Pergamon errichtet und war bis 2013 im Berliner Pergamonmuseum zu sehen. © gemeinfrei laut Wikipedia

Zugegeben, meist geht es an dieser Stelle um zeitgenössische Kunst. Aber zum einen wollen wir unberechenbar bleiben. Und zum anderen soll es hier - wie der Leitspruch sagt - vor allem um Kunst und deren Präsentation gehen. Und dafür liefert Berlin nun eine herrliche Steilvorlage.

Ähnlich sieht es wohl auch Nikolaus Bernau in seinem Kommentar zum Umbau des Pergamonmuseums. Bernau spricht von einem skandalösen Umgang mit den Besuchern des Museums, warum eigentlich? OK, der Pergamonaltar ist zwar nicht ganz so bekannt wie die Mona Lisa, aber ein globaler Blockbuster ist er doch.

Ein Wiedersehen im Jahre 2023?

 
Dass die Baukosten allmählich in Richtung einer halben Milliarde Euro steigen, wen wundert’s? Dass der Zeitplan völlig offen ist, ist aus Kölner Perspektive (Stichwort Archiv-U-Bahn-Theater-Oper) und angesichts des Flughafens in Berlin auch nicht besonders überraschend. Das Budget und die Terminierung der Baumaßnahme im
Pergamonmuseum sind eher nebensächlich, viel wichtiger ist, dass der Pergamonaltar - also der namensgebende U.S.P. des Hauses - wahrscheinlich ein Jahrzehnt lang nicht zu sehen ist.

Wer würde das bei klarer Kommunikation in Kauf nehmen? Oder anders gefragt, welcher Louvre-Verantwortliche wäre so wahnsinnig, zu planen, dass die Mona Lisa die nächsten 5-6 Jahre aufgrund von Baumaßnahmen nicht zu sehen sei? OK, der Vergleich hinkt etwas. Das berühmte Gemälde kann – wie es die Sammlung des MoMA einst vormachte – leicht auf Reisen gehen. Den Berliner Altar dagegen sollte man und kann man kaum bewegen…

Niemals wäre das British Museum auf so eine Idee gekommen

 
Aber dennoch. Nikolaus Bernau kritisiert wohl begründet scharf, dass den Besuchern kein Alternativprogramm angeboten wird. Kann man hunderttausenden Kulturtouristen ein Werk von weltkultureller Bedeutung über 5 Jahre vorenthalten, wenn es nicht durch konservatorische Maßnahmen begründet ist? Bereits vor dem jetzt durchgesickerten, neuen Wieder-Eröffnungstermin 2023 wäre dies eine äußerst fragwürdige Planung gewesen.

Peinlich auch die Tatsache, dass es durchaus eine Alternative zur Vorenthaltung gibt. Aber nicht einmal die vorhandenen Gipsabgüsse des Pergamonaltars werden für eine Präsentation des weltbekannten Kulturgutes verwendet. Na ja, es bleiben ja laut jüngsten Schätzungen noch knapp 6 Jahre. Da kann man sicher noch schnell eine Ausstellung mit den Abgüssen kreieren…

Fazit

Nicht erst in Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit sich zur Leitwährung der globalen Gesellschaft entwickelt, sollten Kulturinstitutionen bei Bauprojekten von Beginn an bei den Planungen alternative Ausstellungs- und Sammlungspräsentationen für die Bauphase entwickeln. Wenn man dies von Anfang an macht, wird es sicher auch nicht so teuer…und peinlich.

Service und Links
- die Kritik von Nikolaus Bernau zum Nachhören und -lesen, hier
- der Tagesspiegel über den Gau am Bau in Berlin,
hier

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