Montag, 28. November 2016

Köln: Georges Adéagbo - Wir nennen es Ludwig - noch bis zum 8. Januar

Eine der drei Interventionen von Georges Adéagbo im Kölner Museum Ludwig © Museum Ludwig und Georges Adéagbo, Foto: Gerd Mörsch

Bis zur Weihnacht stellen wir an dieser Stelle in loser Folge ausgewählte Arbeiten und künstlerische Positionen aus dem Kölner Museum Ludwig vor. Das ist unser Geschenk für die Institution, die in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen feiert und sich selbst und uns eine spannende Ausstellung schenkte.

Bereits 2003 erwarb das Museum Ludwig die documenta-11-Arbeit des 1942, im heute so genannten Benin geborenen Künstlers Georges Adéagbo. Kennzeichnend für Adéagbo ist, dass er seine Installationen stets auf Neue aktualisiert

Anlässlich einer Ausstellung fügt er zum Beispiel neue Objekte zu den vorhandenen einer Installation hinzu. Auf diese Weise verändert, modifiziert Adéagbo seine Werke mit jeder neuen Präsentation und nimmt häufig auch Bezug auf die jeweiligen Ausstellungsprojekte.
 

So auch in der aktuellen Kölner Schau, der an dieser Stelle schon mehrfach beworbenen Jubiläumsausstellung 'Wir nennen es Ludwig'. Mehr dazu in Kürze...
 

In der Ausstellung 'Wir nennen es Ludwig' vertreten sind die folgenden Künstler: Ge­orges Adéag­bo, Ai Wei­wei, Ei Arakawa & Michel Au­d­er, Min­er­va Cue­vas, Maria Eich­horn, An­drea Fras­er, Meschac Ga­ba, Guer­ril­la Girls, Hans Haacke, Dian­go Hernán­dez, Can­di­da Höfer, Bodys Isek Kin­gelez, Kuehn Malvezzi, Chris­tian Philipp Müller, Mar­cel Oden­bach, Ah­met Ögüt, Claes Ol­d­en­burg, Pratchaya Phin­thong, Alexan­dra Piri­ci & Manuel Pel­muş, Ger­hard Richter, Av­ery Singer, Jür­gen Stoll­hans, Rose­marie Trock­el, Vil­la De­sign Group, Chris­to­pher Wil­li­ams.

Service und Links
- die Website des Museum Ludwig zur Ausstellung, hier
- kunstlich über die Guerilla Girls im Museum Ludwig (11.2016), hier 
- kunstlich über Alexandra Pirici und Manuel: Public Collection (11.2016), hier
- kunstlich über Alexandra Pirici und Manuel: Public Collection (09.2016), hier
- Michael Köhler über das Jubiläum und die Ausstellung im Museum Ludwig, hier
- Kunstkritikerin Christiane Vielhaber über das Museum Ludwig, den Mäzen und die Geschichte des Hauses, hier
- Kunst ist Trumpf: 40 Jahre Museum Ludwig, Sabine Oelze über das Museum Ludwig, hier
- Mäzene und Museen - Dörte Hinrichs über das vielschichtige Verhältnis am Beispiel des Kölner Museum Ludwig, hier
- Barbara Engelbach, Kuratorin der Fotosammlung des Museum Ludwig im Gespräch, hier
- das Video zur Kölner Geburtstagsausstellung – Wir nennen es Ludwig, hier
- Museen von Köln bis Peking, der Name Ludwig steht für eines der größten Kunstimperien der Welt, eine aktuelle WDR-Dokumentation, hier
- Ein Museum zieht sich um, eine Multimediareportage von Thomas Köster und Philipp J. Bösel, hier
- Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, im Gespräch mit Britta Bürger über die Bedeutung der Sammlung Haubrich, hier

Freitag, 25. November 2016

Neue Formen des (demokratischen?) Faschismus - Symposium


In wenigen Tagen wird in Österreich gewählt. Klar, die überwältigende Mehrheit der Kulturschaffenden steht auf der Seite des liberalen Kandidaten. Auch die Konkurrentin des neuen US-Präsidenten hatte die meisten Intellektuellen hinter sich. Aber wir wissen, wie die Wahl ausgegangen ist...

Daher folgt hier nun ein Debattentipp zum Thema, ein Auszug aus dem aktuellen Pressetext des Kasseler Fridericianums: Anlässlich der Ausstellung von Loretta Fahrenholz veranstaltet das Fridericianum ein Symposium, das sich der Frage nach neuen Formen des Faschismus widmet. 

Hand in Hand: Kapitalismus und Faschismus

In ihrem Roman Nach Mitternacht (1937) schildert Irmgard Keun den Alltag im nationalsozialistischen Deutschland Ende der dreißiger Jahre. Angst, Kontrolle und Willkür beherrschen das Leben. In ihrer aktuellen Ausstellung im Fridericianum greift die Künstlerin Loretta Fahrenholz Parallelen zum aktuellen Zeitgeschehen auf: Frei nach Keuns Exilroman hat die Künstlerin mit Two A.M. einen soziofiktionalen Film gedreht, dessen Analogien mit der Gegenwärtigkeit von Überwachung, Kapitalismus und neu aufkommendem Faschismus erschreckend sind.

Die neue, faschistische Internationale 

Eines der zentralen Merkmale der neuen Rechten, vom ungarischen Ministerpräsidenten bis zu Marine Le Pen, ist, dass sie ihrem Selbstverständnis nach allesamt Demokraten sind. Wenn man sie selbst sprechen hört, werden sie sogar jeden Tag demokratischer. Die AfD beruft sich, ohne zu erröten, auf eine Widerstandgruppe im dritten Reich: auf die „Weiße Rose“. Und die französische Front National verkündet stolz, dass sie die einzige Partei Frankreichs gewesen sei, die unter ihren Mitgliedern demokratisch über die europäische Verfassung habe abstimmen lassen. Tatsächlich hatten alle etablierten Parteien Frankreichs auf eine solche Abstimmung verzichtet, weil sie Angst vor einem die Europa-Verfassung ablehnenden Ergebnis hatten.

Kein Widerspruch in sich? Rechtsextreme Demokraten 

Man kann somit in der Undurchsichtigkeit der europäischen Institutionen einen der Gründe für das Aufkommen neurechter Bewegungen in allen Ländern Europas markieren. Ebenso, wie man die mit Sicherheit in der nächsten Zeit nicht abnehmenden Migrations- und Fluchtbewegungen als einen weiteren Grund für das Erstarken der neuen Rechten und nationalen Parteien benennen kann. Dabei muss man mit Zeev Sternhell feststellen, dass die faschistische Mentalität seit ihrem Beginn zu Anfang des 20. Jahrhunderts nie verschwunden war. 

Von der Wiederkehr des Alten und neuen Herausforderungen

Faschistische Strömungen waren immer mehr oder weniger sichtbar vorhanden. Sie treten aktuell wieder sichtbar und in neuem Gewand auf. Der Faschismus hat sich neu erfunden, wie Alain Badiou bereits vor über zehn Jahren anmerkte. Er hat neue Formen angenommen, die man analysieren muss, und dazu reichen die alten Faschismustheorien nicht mehr aus.

Das Symposium findet in englischer Sprache statt. Die Teilnahme ist frei. Wir bitten um Anmeldung unter: symposium@fridericianum.org

Programm 

10.30 – 13.00 
Susanne Pfeffer (Einführung)
Franco “Bifo” Berardi, Wilhelm Heitmeyer: Group-Focused Enmity, Social Disintegration and Right-Wing Populism in a Process of Escalation
 

14.00 – 16.00
Chantal Mouffe: The Populist Moment
G. M. Tamás: Fascism Without Fascism
 

16.30 – 19.00
Didier Eribon: What’s Next? Reflections on the Categories of Political Theory
Diskussion
Moderation: Gernot Kamecke


Service und Links 
www.fridericianum.org

Donnerstag, 24. November 2016

Wir nennen es Steuerhinterziehung? Die Guerrilla Girls zu Gast Museum Ludwig…

Das Bild zeigt die aktuelle Außenarbeit der Guerrilla Girls für das Kölner Museum Ludwig © Museum Ludwig und Guerrilla Girls, Foto: Gerd Mörsch

Bis zur Weihnacht werden wir an dieser Stelle in loser Folge ausgewählte Arbeiten und künstlerische Positionen aus dem Kölner Museum Ludwig vorstellen. Das ist unser Geschenk für die Institution, die in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen feiert und sich selbst und uns eine spannende Ausstellung schenkte.

Die Geburtstags- und Jubiläums-Ausstellung ‚Wir nennen es Ludwig‘ haben wir schon mehrfach beworben, denn sie ist bemerkenswert und noch bis zum 8. Januar 2017 zu sehen. Und angesichts des bevorstehenden Weihnachtstummels muss man wohl sagen nur noch...

Heute möchten wir auf die Arbeit der Guerrilla Girls aufmerksam machen, die neben der hier gezeigten, großformatigen Arbeit für die Fassade des Museum Ludwig mit Videos und anderen Werken die problematischen Aspekte des Kunstbetriebs aufmerksam machen. Natürlich kann man wie viele Kritiker angesichts des Vortrags der Guerrilla Girls im Ludwig unken und sagen, dass sei nun wirklich nicht neu.

Ja, ABER an den Zuständen im Kunstbetrieb hat sich kaum etwas verändert. Daher finden wir die Position nach wie vor aktuell, denn das Projekt Aufklärung ist eben nicht abgeschlossen und gerade im so politisch korrekten Kunstbetrieb sind diese Zustände nach wie vor skandalös. Oder warum hängt das Plakat an der ‚Rückseite‘ des Museums und nicht an der frequentierteren Seite, wo die Massen von Bahnhof und Rheinpromenade kommend am Museum vorbeiziehen?

In diesem Sinne zitieren Teile des Plakats der Guerrilla Girls:

Die Vorteile ein eigenes Kunstmuseum zu besitzen
 

Sie sind der Chef, Sie geben den Ton an, genau wie in der eigenen Firma!

Sie entscheiden darüber, was das Museum sammelt und ausstellt - unter dem Einfluss eines Kartells von internationalen Galerien und Auktionshäusern, die den aktuellen Kunstmarkt manipulieren und bestimmen.

Auf schicken Kunstmessen, Partys und Biennalen kriecht Ihnen jeder in den Hintern - und in die Brieftasche!

Für Ihre enormen Schenkungen kriegen Sie enorme Abschreibungen, und dabei denkt jeder, Sie wären ein unglaublich großzügiger Wohltäter der Menschheit.

Falls Ihnen mal der Fehler unterläuft, Direktoren, Kuratoren oder Mitarbeiter einzustellen, die an Fortschritt und Integration orientiert sind, können Sie sie einfach feuern.

Mehr dazu und zu anderen Positionen der Ausstellung Wir nennen es Ludwig an dieser Stelle - in Kürze...

Service und Links
- die Website des Museum Ludwig zur Ausstellung, hier
- kunstlich.com über Alexandra Pirici und Manuel Public Collection (11.2016), hier
- kunstlich.com über Alexandra Pirici und Manuel Public Collection (09.2016), hier
- Alexandra Pirici und Manuel Pelmus: Public Collection in Bologna 2015, hier
- Alexandra Pirici und Manuel Pelmus: Public Collection im Museum für Moderne Kunst in Warschau 2015, hier
- Jan Kedves über die Arbeit von Pirici und Pelmus in Venedig 2013, hier
- kunstlich.com über Pirici und Pelmus in Venedig (2013), hier
- Bilder zu den Arbeiten von Alexandra Pirici und Manuel Pelmus, hier
- Michael Köhler über das Jubiläum und die Ausstellung im Museum Ludwig, hier
- Kunstkritikerin Christiane Vielhaber über das Museum Ludwig, den Mäzen und die Geschichte des Hauses, hier
- Kunst ist Trumpf: 40 Jahre Museum Ludwig, Sabine Oelze über das Museum Ludwig, hier
- Mäzene und Museen - Dörte Hinrichs über das vielschichtige Verhältnis am Beispiel des Kölner Museum Ludwig, hier
- Barbara Engelbach, Kuratorin der Fotosammlung des Museum Ludwig im Gespräch, hier
- das Video zur Kölner Geburtstagsausstellung – Wir nennen es Ludwig, hier
- Museen von Köln bis Peking, der Name Ludwig steht für eines der größten Kunstimperien der Welt, eine aktuelle WDR-Dokumentation, hier
- Ein Museum zieht sich um, eine Multimediareportage von Thomas Köster und Philipp J. Bösel, hier
- Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, im Gespräch mit Britta Bürger über die Bedeutung der Sammlung Haubrich, hier

Dienstag, 22. November 2016

Kein moralischer Zeigefinder mehr? Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts

Das inzwischen vergriffene, daher nur noch antiquarisch zu erwerbende Buch 'Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts'. Das Buchcover zeigt eine Arbeit von Andreas Slominski: Elritzenfalle (2005) © Museum für Moderne Kunst, Frankfurt , Foto: Axel Schneider

Die Falle in der Kunst ist ein auf kunstlich.blogspot.de regelmäßig wiederkehrendes Thema. Bereits 2010 haben wir an dieser Stelle ausführlich das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts vorgestellt. Daher folgt an dieser Stelle nur der Hinweis auf ein hörenswertes SWR-Matinee zum Thema Falle.  

Die Omnipräsenz der Falle als evolutionäres, eben nicht nur menschliches Prinzip spiegelt sich in der Fülle der Beiträge des dreistündigen SWR2-Matinees zu Falle. Hier folgt eine Auflistung der Titel der verschiedenen Beiträge und Gespräche, die alle als Podcast zum Nachhören auf der SWR2-Website bereitgestellt werden. Sie verdeutlichen die Vielseitigkeit des Themas und den durchaus gelungenen Versuch des SWR, die verschiedenen Perspektiven des Phänomens Falle im Rahmen eines umfassenden Matinees zu beleuchten: 

Mit dem Fallensteller im Wald - Gespräch mit Christoph Hildebrandt über Fallenstellen als Jagdtechnik - Auf den Leim gegangen : Die Tricks der fleischfressenden Pflanzen - Vorsicht Falle!: Die Tricks von Neppern, Schleppern und Bauernfängern - Gespräch mit Prof. Dr. Timm Grams über Denkfallen - Die Radarfalle - Die Falle in der modernen Kunst - Gespräch mit Peter von Matt: über literarische Fallen - In der Abseitsfalle.

Service und Links  

- SWR2 Matinee zur Falle, hier
- SWR2 Feature von Claudia Friedrich über die Falle in der modernen Kunst, hier
- kunstlich.blogspot.de über das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts, hier

- kunsttexte.de: Spiegelung im Werk von Andreas Slominski – Gerd Mörsch über eine Kampfhundfalle des Künstlers, hier
- kunstlich.blogspot.de über die Frankfurter Slominski-Ausstellung (2010), hier
- das Buch Die Falle in der Kunst des 20. Jahrhunderts bei ART-Dok, hier
- Tipp: Mehr zum Verhältnis von Kunst und Falle auf kunstlich.blogspot.de findet man über die Suchfunktion im blog

Samstag, 19. November 2016

Gutes tun und Kunst für kleines Geld

Das Bild zeigt Werke der Künstlerin Zandra Harms, Zeichnungen und Aquarelle, jeweils 30 x 20 cm, 2014–2016 © Zandra Harms / VG BILD-KUNST

Zuletzt haben wir an dieser Stelle das vielen unbekannte Kunstausleihe-Prinzip und Artothek-Netz in Deutschland empfohlen. Denn Kunst kann man auch mieten bzw. Freunden dafür Gutscheine schenken. Dank der Gemeinnützigkeit der Artotheken ist es ein für alle Seiten fairer Deal: Artothek, Künstler und Beschenkte bzw. Ausleiher. 

Jahresgaben nennen meist Kunstvereine ihre ähnlich fairen Kunstkaufangebote an die Mitglieder der Vereine. Die gemeinnützigen Vereine generieren Gelder für die Vereinsarbeit. Künstler können – wenn auch nur für kleines Geld, weil der Verein seinen Anteil bekommt – Werke veräußern, ihre Bekanntheit steigern und so neue Sammler erreichen.

Ja, ist denn schon Weihnachten?


In diesem Sinne möchten wir an dieser Stelle nun eine ähnlich gemeinnützige Veranstaltung bewerben: artconnection Köln. Vom 25.11. bis 27.11. 2016 stellen 38 Kölner Künstler gemeinsam ihre vor allem kleinformatige Exponate aus. Und jedes dieser Werke ist zu dem unglaublichen Festpreis von 230 EUR zu haben, sofort. Aber bitte in bar zahlen, wie die Veranstalter betonen.

Und was passiert mit dem Geld? Ganz einfach: 1/3 des Erlöses geht an den Verein „wir helfen“ des Kölner Stadtanzeigers und 2/3 an die jeweiligen Künstler. Die ausgestellten Exponate werden direkt von der Wand weg verkauft. Frühes Erscheinen lohnt sich also, denn wie die unten folgende Liste zeigt, sind spannende und einige durchaus etablierte Positionen dabei.

Teilnehmende Künstler:  


Thomas Baumgärtel | Andreas Bausch | Boris Becker | Peer Boehm |Joe Boerg | René Böll | Yvonne Diefenbach | Sabine Endres | Kerstin Fratzscher | Peter H. Fürst | Judith Ganz | Raphael Good | Agii Gosse | Dirk Gross | Thino Grünwald | Zandra Harms | Sascha Herold | Fabian Hochscheid | Liane Janissen | Oliver Jordan | Kristina Kanders | Jens Mohr | Susanna Neunast | Kerstin Nieke | Dieter Nusbaum | Stewens Ragone | Annette Reichardt | Katja Richter | Angela Rohde | Odo Rumpf | Giampaolo Russo | Klaus Schaefer | Max Stiller | Bernd Straub-Molitor | Kinki Texas | Wolfgang Vollmer | Petra Weifenbach | Thomas Zydek

Service 

artconnection Köln
Vernissage, Freitag, 25.11.2016, 19–22 Uhr
Ausstellung 26.11.-27.11.2016, 10–18 Uhr
studio dumont - Breite Straße 72 - 50667 Köln

Links 

- Mehr über das Prinzip, das Konzept von artconnection, hier
- Mehr über den Verein wir helfen, hier
- kunstlich.com über Artotheken und die Vorteile der Kunstausleihe, hier

Freitag, 18. November 2016

Von den Briten lernen: Freier Eintritt in staatlichen Museen JETZT

Ein Ausschnitt von Ferdinand Dantons (der Jüngere) Trompe-l’œil bringt es auf den Punkt: Zeit ist Geld. Wie lange können es sich Museen im Kampf um Aufmerksamkeit noch leisten, Besucher durch Eintrittsgelder fernzuhalten? Das TIME IS MONEY genannte Bild von 1894 befindet sich Wadsworth Atheneum in Hartford.

Ludger Fittkau berichtete zuletzt über die Pressekonferenz der seit rund drei Monaten im Amt befindlichen Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig. Bisher hatte sich Hartwig, die lange als Literaturkritikerin arbeitete, vor allem in der Debatte über die Zukunft von Schauspiel und Opernhaus in Frankfurter profiliert.

Die an Köln und andere Kommunen erinnernde, Frankfurter Debatte drehte sich um die Frage, ob es sich lohne, das Frankfurter Schauspiel und Opernhaus in der Innenstadt für mehrere hundert Millionen Euro zu sanieren. Wäre es nicht besser gleich ein neues Doppelhaus an einem anderen Ort zu bauen?

Von Köln lernen? Hoffentlich…

Ina Hartwig entschied sich gegen den Neubau und damit für Schauspiel und Opernhaus im Herzen der Stadt. Eine gute Entscheidung. Es bleibt die Hoffnung, dass die Frankfurter Kultur- und Bauverantwortlichen auch von den Verzögerungen und Kostenexplosionen des Kölner Projektes lernen. Jetzt aber zum eigentlichen Coup der neuen Frankfurter Kulturdezernentin. Hartwig kündigte an, dass ab 2017 Schüler, Auszubildende und Studierende freien Eintritt in allen städtischen Museen haben werden.

Aber um genau zu sein, müssen wir ergänzen, dass die Studierenden dafür zahlen. Allerdings kaum spürbare, weil als Teil des Semesterbeitrages abzutretende 2 EUR pro Jahr. Ein fairer, vorbildlicher Deal, den zuletzt auch die Stadt Kassel für seine Studierenden und das Theater wagte. Bleibt zu hoffen, dass diese Politik sich durchsetzt und der freie Eintritt in (kommunale oder staatliche) Museen schon bald wirklich für ALLE Bürger gilt. Denn nur wenn Museen sich – dank des freien Eintritts – als alltägliche Treffpunkte und Orte der Entschleunigung in den Alltag vieler integrieren, können sie alle gesellschaftlichen Gruppen erreichen und so ihrem Bildungsauftrag gerecht werden.

Barrieren schleifen und Besucher dauerhaft binden

Denn wer kann bzw. wer zahlt schon gerne 15 EUR Eintritt? Ja, soviel kostet der Eintritt heute durchschnittlich in einem Museum in einer größeren Stadt. Das Argument, dass Opern-, Theater- und Konzertkarten meist deutlich mehr kosten ist ist unserer Meinung nach kein echtes. Wobei es natürlich toll wäre, wenn Theater- und Opernhäuser regelmäßig Karten zu fairen Preisen an bedürftige Gruppen vergeben würden. Auch diese Häuser haben einen Bildungsauftrag und müssen sich um die künftigen Kunden kümmern. Denn die Zahl der reiferen Bildungsbürger mit einst obligatorischen Theater- oder Operabo entwickelt sich nicht automatisch positiv bzw. parallel zum Altersdurchschnitt der Bevölkerung.

Zurück zu den Museen. Der Eintritt in die ständige Sammlung ist besonders fragwürdig, wenn es sich um ein kommunales oder staatliches Museum handelt, da es bereits von allen Bürgern/Steuerzahlern finanziert wird. Die Vorreiter der Institutionen mit freien Eintritt differenzieren daher häufig zwischen Wechselausstellungen und der (permanenten) Präsentation der eigenen Bestände. Der Eintritt in die museumseigene Sammlung ist meist frei. Für Sonder- bzw. Wechselausstellungen mit zahlreichen, inzwischen leider sehr teuren Leihgaben muss dagegen Eintritt gezahlt werden.

Das Folkwang Museum glänzt wieder, freier Eintritt für ALLE

Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist das Folkwang Museum erneut Vorreiter. Dank einer sehr potenten Stiftung, die dem Museum – genauer gesagt, der Stadtkasse Essen – den Ausfall der Eintrittsgelder kompensiert, ist der freie Eintritt in die ständige Sammlung des Folkwang Museum schon seit über einem Jahr Standard. Und dass gilt für jeden, nicht nur Schüler, Auszubildende oder Studierende. Dass finden wir vorbildlich und zukunftsweisend.

Mitte 2015 glänzte Leiter Tobia Bezzola mit der Entscheidung für den freien Eintritt. Mitte  2016 präsentierte er dann die erste Bilanz mit verdoppelten Besucherzahlen. Diese Zahlen und das jüngste Signal aus Frankfurt machen Mut. Zudem ist, wie bereits angedeutet, für viele schlicht nicht nachvollziehbar, warum Bürger für die ohnehin von Ihnen finanzierten Museumssammlungen Eintritt zahlen sollen.

Geld für Kaffee und Tee, Postkarten und Kataloge statt Eintritt

Zahlreiche Studien belegen außerdem, dass die Besucher die Summe, die sie für den Eintritt sparen, gerne im Museumscafé oder -shop lassen. Bei den aus Essen bekannten, verdoppelten Besucherzahlen dürfte so doch eine stattliche Sumem zusammenkommen. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnisse und Modelle durchsetzen, dass mehr und mehr Kultur- und Finanzverantwortliche verstehen, dass auf Eintrittsgelder zu verzichten, eine nachhaltige Investition in Bürger und Kulturinstitutionen bedeutet.

Service und Links 
- Folkwang-Direktor Tobia Bezzola über seine Institution und den Sinn von freien Eintritt, hier 
- freier Eintritt und verdoppelte Besucherzahlen, Tobia Bezzola im Gespräch mit Eckhard Roelcke, hier 
- Ludger Fittkau über Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig und den freien Eintritt in Museen, hier 
- Kommentar: Matthias Thibaut über die Berliner Museumsdebatte und den Sinn von kostenlosen Eintritt, hier 
- Sabine Reithmaier und Evelyn Vogel über die Diskussion um den freien Eintritt in München, hier