Freitag, 30. Juli 2010

Köln Kultur - Theater kann abhärten - Orangerie II

Schön, aber marode. Ein Blick auf die Orangerie im momentanen Zustand. © Orangerie

Die Orangerie im Volksgarten hat wie die zuletzt vorgestellte Kölner Simultanhalle eine wechselvolle und - je nach Gemüt - wunderbare Geschichte.

Leider ist auch diese weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Kölsche Institution für zeitgenössische Kunst (Tanz und Theater) so wie die Artothek oder die Kunst- und Museumsbibliothek durch die erneuten Sparmaßnahmen letztlich in ihrer Existenz bedroht. kunstlich.com hatte bereits im Juni darüber berichtet und die Pläne vorgestellt (siehe hier).


'Wir hätten gerne eine gut ausgebaute Orangerie', meint Kulturdezernent Schmidt-Werthern und manövriert mit dem Konjunktiv geschickt durch die Diskussion

Hans Christoph-Zimmermann formuliert treffend in seinem Artikel (Stadtrevue 8/2010, S. 56) über den aktuellen Stand der Diskussion um Erhalt und Sanierung der Institution: "Theater kann abhärten. Besonders, wenn man im Winter die Orangerie im Volksgarten besucht. (...)" Um die notwendigen Wolldecken und andere durch den gigantischen Sanierungstau entstandenen Mängel zu beheben, müsste die Stadt Köln endlich kräftig investieren.


Aprospos Scheine: In Asien gibt es ein schönes Ritual, das nicht mit dem postmodernen bzw. aktuellen an den Börsen verwechselt werden wollte, mehr dazu am Ende dieses Beitrags...

Und jetzt alle: Et hätt noch immer jot jejange


Kein Problem für die Dommetropole, den Termin für den Antrag auf Zuschüsse für Städtebauförderungsmittel hat sie schon mal verstreichen lassen, Vielleicht springen ja die Kölner Privatbanken und Immobilienfondsgesellschaften ein, die dank Messe und Co. über satte Mieteinkünfte verfügen...

Aber zurück zur Geschichte und der Parallele zur Simultanhalle. Der Orangerie genannte, zum Teil unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplex im Volksgarten war Teil der Befestigungsanlagen der ehemals um seinen Reichtum beneideten Domstadt. Lünette 3 genannt diente die Orangerie dem Schutz eines Munitionsdepots.


make
art not war - Blumen statt Munition

Später, im Zuge der Stadterweiterung am Ende des 19. Jahrhunderts, wurde der Komplex in den neu geschaffenen Volksgarten integriert. Das ehemalige Depot wurde eine Gärtnerei und beherbergte zugleich die opulente die Dienstvilla des Gartenbaudirektor; ja auch solche gutdotierten Stellen gab's mal... Seit 1991 wird der Ort von freien Theatergruppen und Tanzkompanien als Probe- und Spielstätte genutzt.

help wanted

Wer den Ort unterstützen möchte, der sei auf das Gästebuch der Orangerie verwiesen und an den Förderverein erinnert. Aprospos: Zuletzt (27. - 29. Juli) wurde unter dem Titel Bin ich Arbeit? ein spartenübergreifendes Programm zur Integration arbeitsloser Kunst- und Theaterschaffender präsentiert. Aber Moment, auch diesem Thema hat sich kunstlich.com unter dem Titel Anpackprämie für Kunst und Kultur bereits gewidmet.

Wer also mehr die prekären Zustände im Kulturproletariat erfahren möchte, der lese hier weiter.


Service:
Orangerie
Theater im Volksgarten e.V.
Volksgartenstraße 25
50677 Köln
fon: 0221-952 27 09
fax: 0221-952 27 07
info@orangerie-theater.de

Anhang:

Hier das versprochene PS zu den Scheinen:
In Asien gibt es ein schönes Ritual: Geschenke wie Geld, Essen und Konsumgüter können an die verstorbenen Verwandten und Ahnen gesendet werden, um diese somit - je nach Charakter und Situation - zu pflegen, zu verwöhnen und natürlich auch zu versöhnen. Dafür muss das Geschenk - wie der hier gezeigte Geldschein der Heaven bzw. Hell Bank - verbrandt werden.

Das Verbrennen der Gaben dient der Transformation und anschließenden Übertragung ins 'Jenseits'. Heute werde für dieses von traditionellen Opfergaben abgeleitete Ritual Konsumartikel aller Art - Autos, Häuser, Computer... - im Miniaturformat
aus Pappe gefertigt. Wer z. B. der Orangerie oder anderen Hilfsbedürftigen etwas auf diese Art zukommen lassen möchte, der findet die Scheine im Asiashop um die Ecke.

Kunst verbrennen statt stiften?

In der Kunstwelt sorgte der inzwischen verstorbene japanische Sammler Saito Ryoei zu Beginn der 1990er Jahre mit einem dem Ritual verwandten Wunsch für Aufsehen: Er kaufte für dem damaligen Kunstmarkthype geschuldete, unglaubliche 160 Millionen Euro einen van Gogh und einen Renoir. Ein damals rekordverdächtiger Kaufpreis.

Ja wo sind sie denn nun?

Die von ihm geliebten Bilder sollten mit ihm - einem japanischer Brauch entsprechend - im Sarg verbrannt werden. (siehe dazu den Literaturtipp 'Das kann ich auch' S.244)
Manche behaupten sein Sohn besitze heute - nachdem erregte Kunstliebhaber den Vater vor seinem Tod 1996 von der Verbrennung der Werke abbrachten - die Werke, andere schreiben, die Werke seien bis heute verschollen...

Interessierten sei als Quelle für diesen Kunstkrimi das folgende Buch empfohlen:
Cynthia Saltzman: Das Bildnis des Dr. Gachet.
Insel Verlag
Frankfurt 2003
ISBN 3-458-34577-9

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