Montag, 20. März 2017

Conrad Schnitzler - Wegweisender Klangarbeiter der Musik des 20. Jh.

Ein Screenshot der DLF-Website zur Langen Nacht über Conrad Schnitzler - absolut hörenswert. © Deutschlandfunk, Foto MaxJoy.org
Hör- und lesenswert: Beate und Stefan Becker haben für Deutschlandfunk ein spannendes Feature geschaffen: Eine Lange Nacht über Conrad Schnitzler, ein mehrstündiges Klangabenteuer mit vielen Zeitzeugen und Klangbeispielen... 

Auf diese Weise kann man dem komplexen Schaffen, dem wundersamen Leben Schnitzlers auf die Spuren kommen, seiner Kindheit im Krieg, seinen Schifffahrten rund um den Globus und und und. Wer intelligent sucht, wird sicher einen Mitschnitt finden, denn aktuell ist beim gebührenfinanzierten Deutschlandfunk leider nur noch die Website zur Sendung und das Manuskript abrufbar.

So viel sei hier vorab angemerkt: Der gelernte Handwerker Conrad Schnitzler wurde ohne musikalische Ausbildung zu einem leidenschaftlichen Klangarbeiter und gilt heute zurecht als einer der einflussrechsten Wegbereiter der elektronischen Musikszene der 1970er Jahre.

'Es hat geschneit...das hört man am Glockenklang, da war ich vier Jahre alt oder so... hab ich das ganz mit Bewusstsein gehört....das Kontrollieren der Klänge ist mir sehr früh in die Wiege gelegt worden...ich war zuerst in der Fabrik...in so einer Halle...alle Hallen haben einen anderen Klang', so Conrad Schnitzler.

Zirpen, Blubbern, Flimmern, Quitschen, Fabriksirenen, ratternde Züge oder Schiffsmotoren? Der Intermedia-Künstler Conrad Schnitzler mischte Geräusche wie diese, experimentierte unablässig mit den neuesten Technikerrungenschaften, um neue Effekte zu kreieren. So schuf er im wahrsten Sinne des Wortes neue Musik, bezeichnete sich selbst jedoch nie als Musiker.

Der frühe Beuys-Schüler Schnitzler hatte selbst aufgrund von Lehraufträgen an Kunsthochschulen und Akademien bedeutenden Einfluss auf zahlreiche Künstler, auch diese Sessions mit Kunststudierenden werden in der langen Nacht über Schnitzler besprochen.

Unerhörte, elektronische Musik, Eimert und Stockhausen...

"Dass Conrad in diesen Kulturbetrieb hinein konnte, verdankte er dieser ganz speziellen 60er-Jahre-Gemengelage, wo diese alte gesellschaftliche Ordnung, Hierarchie, das "Kastenwesen", infrage gestellt wurde. Das war dann gerade so in den 60ern, Anfang 70er, wo dann das Bürgertum und der Kunstbetrieb so linke Aufwallungen hatte, war er da als ein Vorzeigearbeiter natürlich ganz toll. Aber genau auf diese Rolle hatte Conrad keine Lust und hat sich auch immer verweigert dieser Art von Networking, die man betreiben muss, um in dieser Welt zu überleben," beschreibt Wolfgang Seidel Schnitzlers zwiespältiges Verhältnis zur Kunstszene.  

Beuys, Can, Kraftwerk und die Fluxus-Welle...

Mit dem Zodiak gründete Schnitzler 1968 das erste freie Kunstlabor in Berlin. Rein musikalisch betrachtet, könnte sagen, den ersten Underground-Club der Stadt. Dieser Ort gilt heute vielen als Geburtsstätte des Krautrocks. Doch das Programm des Zodiak ging weit über damals gängige, musikalische Performances und Definitionen hinaus. Auch  Happenings, Freejazz-Konzerte und fluxusinspirierte Aktionen fanden hier statt. Und entgegen der zeitgemäßen, hippieesken Gestaltungsmode, strich Schnitzler einen Raum weiß, den anderen schwarz.

Schnitzler schwamm gegen den Kunstmainstream-Strom. Er blieb Sonderling und schuf scheinbar allein wegweisende, international beachtete Werke. Wir danken an dieser Stelle

Beate und Stefan Becker für die faszinierende Lange Nacht über Conrad Schnitzler, die sie für Deutschlandfunk konzipierten und empfehlen allen, die am künstlerischen Crossover des ausgehenden 20. Jahrhundert interessiert sind, das Nachhören und -lesen.

Service und Links
- Manchmal artet es in Musik aus, die Lange Nacht über Conrad Schnitzler, hier
- kunstlich.com über einen anderen Musikpionier der 1970er Jahre, Erkki Kurenniemi, im Kontext der documenta 13, hier


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