Freitag, 11. Juni 2010

Aus aktuellem Anlass II: Der blonde Geert und die Burka

Wer hat hier Angst vor wem bzw. keine Angst vor der Liebe? Der Titel der vor wenigen Jahren für knapp 3 Millionen Dollar versteigerten Plastik des Skandalkünstlers Maurizio Cattelan ist nicht eindeutig: 'Not afraid of love' (2000).
© Maurizio Cattelan und Marian Goodman Gallery

Nein, hierbei handelt es sich nicht um die Tatwaffe eines jüngst vereitelten Anschlags
pakistanischer Terroristen auf Geert Wilders. Und der Elefant ist auch nicht krank. Zumindest wurde bisher nichts von Sonnenbrand oder gar psychischen Störungen berichtet.

Schuld ist an diesem rätselhaften Leiden ist Maurizio Cattelan. In seinem umstrittenen Werk finden sich zahlreiche ähnlich böse Plastiken: Ein vom Meteorit erschlagener Papst Johannes Paul II. oder auch ein andächtig betender Adolf Hitler
(Abbildungen siehe hier).

Aber wer hat, um auf den vermummten oder gläubigen Elefanten zurück zu kommen, denn nun keine Angst vor der Liebe? Die Maus vor der des Elefanten oder umgekehrt? Oder handelt es sich gar um eine Liebes-Falle für die Maus, weil sie vom grauen Koloss zerquetscht wird, also eine Anspielung auf traditionelle Liebesfallenmotive? Oder aber handelt es sich hierbei um einen trojanischen Elefanten, eine Art tierischer Märtyrer?

'Europa hat viel unter Fundamentalismus und verschiedenen Ideologien gelitten. Wir sollten nicht wieder damit anfangen,'
das meint Thorbjorn Jagland, Generalsekretär des Europarats zu den Themen Burka- und Minarettverbot (Spiegel 24/2010 S. 89)

Doch im Sinne des tronjanischen Elefanten scheinen sich nach den Belgiern leider nun auch die Niederländer vor den nicht nur symbolträchtigen, burkatragenden Damen zu fürchten. In der BRD gibt es - RAF und Helmut Kohl sei Dank - das Vermummungsverbot.

Und so fehlt es bisher lediglich an einer geschickten
Auslegung von § 17a Abs. 2 des Versammlungsgesetzes bzw.einer kleinen Manipulation. Daher fordern wir hier die Anerkennung Ein-Mann- bzw. Ein-Frau-Demonstration, denn damit könnte man die sicher bald anstehende deutsche Burka-Diskussion schnell abhandeln.

Aprospos Kunst und Religion, da war doch was...


Stimmt und im Sinne der Solidarität darf das hier an dieser Stelle natürlich nicht fehlen. Denn vielleicht hat ja dieser bärtige Mann seine Finger im Spiel und stand für die Elefanten-Burka Cattelans Pate.
© Kurt Westergaard und Jyllands Posten

Jetzt aber zurück zur Wahl und den Niederländern. Letztere stehen - laut Medienecho - nun vor einer der schwierigsten Regierungsbildungen ihrer jüngsten Geschichte. Nach dem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden ehemaligen Volksparteien wird die Koalitionsbildungskrise immer deutlicher.

D
ie niederländischen Sozialdemokraten liegen nur knapp hinter der rechtsliberalen Partei für Freiheit und Demokratie, die stärkste politische Kraft geworden ist und der deutschen CDU nahe kommt. Den benachbarten Wählern in NRW kommt das bekannt vor...

Strohblond und doch erfolgreich, der wilde Geert

Der eigentliche Sieger der niederländischen Wahl und der Grund für die Wiederentdeckung des Burka-Elefanten ist der islamfeindliche Rechtspopulist Geert Wilders. Er blondiert seine für traditionelle Holländer eher ungewöhnlich dunklen Haare gern und gelt sie nach hinten - ganz Sturm und Drang.

Doch trotz dieser und ähnlich plumper PR-Strategien - Wilders Vorfahren sind dummerweise Zuwanderer - konnte seine Partei die größten Zuwächse verbuchen. Und
das erscheint manch aufgeklärten Zeitgenossen zurecht nicht weniger rätselhaft als die Arbeit Cattelans. Außerdem: Was würde Freud wohl zu der Blondiermanie des Rechtspopulisten sagen?

Mit diesem Plakat war das Schweizer Bürgerbegehren für das sogenannte Minarett-Verbot im Herbst 2009 erfolgreich. In Deutschland kopierte man das Plakat auf plumpe Weise u.a. für die NRW -Wahl, da kann man nur schmunzeln, an den Ohren ziehen und fragen, wer hat's erfunden?

Fazit: Wie schon bzgl. der Rasterbilder Sigmar Polkes formuliert und auch wenn viele die folgende Metapher und These verabscheuen: An Cattelans Meteoriten-Papst und Burka-Elefant lässt Kunst sich ebenso wie an der Kaaba Gregor Schneiders als eine Art Seismograph, als Spiegel der Zeit erkennen.

Und so findet sich das Burka-Beben als ein Anzeichen für die lange unterdrückte Islam- und Integrationsdiskussion in der zeitgenössischen Kunst schon lange bevor populistische Parteien in ganz Europa mit Motiven wie Verbotsschildern für Minarette oder Schleier warben.

Eine frühe, im wahrsten Sinne des Wortes 'schwarz-weiß' Arbeit von Jürgen Klauke: Schwule, Irre, Süchtige, Anarchistin und Künstler lachen - aber nicht mehr lang, wenn es nach den finster drein schauenden Bullen, Priestern, Richtern, Soldaten und Beamten geht.
© Jürgen Klauke


Ähnliches lässt auch an Jürgen Klaukes meist fotografisch dokumentierten Exzessen und den aktuellen Sex-Skandalen im Umfeld der katholischen Kirche aufzeigen. Klauke war Schüler eines streng katholischen Internates in der Eifel und provozierte mit seinen Aktionen wütende Proteste gläubiger Christen.

Brisante Darstellungen Geistlicher sorgten zuletzt auch durch das Titanic- und Spiegel-Cover für Aufregung. Doch die hier gezeigte Arbeit ('Grüße vom Vatikan') Klaukes stammt aus dem Jahr 1977 und dürfte damals nicht minder heftige Proteste hervorgerufen haben.
© Jürgen Klauke


Aus heutiger Perspektive betrachtet scheinen Klaukes Aktionen wie 'Im Schatten des Doms' (documenta VI, 1977) und Fotoserien wie 'Grüße vom Vatikan' auf den ersten Blick altbacken oder gar plump, wäre da nicht die nach wie vor vorhandene Brisanz und das Alter der Werke.
Aprospos sakraler Luxus und Genuss, wie er von Jürgen Klauke in der Arbeit
'Grüße vom Vatikan' persifliert wurde: Zum Thema Parallelwelten empfiehlt sich auch der aktuelle Artikel über die geheimen Kassen der katholischen Kirche (Spiegel 24/2010, S. 66f.).

Links:
Geert Wilders Polit-Portrait
Maurizio Cattelan über die Triebfedern des Kunstmarkts (KulturSPIEGEL)
Weitere skandalträchtige Kunstwerke zum Thema Kunst & Religion

Gerd Mörsch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website kunstlich.blogspot.com Links tauschen