Mittwoch, 26. Mai 2010

PKK - Kunstkritik zum Mitmachen - Teil V: Liebermann - Corinth - Slevogt - Die Landschaften WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM-KÖLN

Flyer für die Ausstellung "Liebermann - Corinth - Slevogt. Die Landschaften" im WRM © Wallraf-Richartz-Museum, Köln

PostKartenKritik zur Ausstellung von Gerd Mörsch © Gerd Mörsch

Service:
Liebermann - Corinth - Slevogt. Die Landschaften
bis 1. August

Eintritt: 9,50 Euro
Wallraf-Richartz-Museum Köln
Obenmarspforten
50667 Köln

Montag, 24. Mai 2010

Trier: Dorthe Goeden - Papierschnitte

Dorthe Goeden, Blick ins Atelier © Dorthe Goeden

Die großformatigen Psaligraphien Dorthe Goedens knüpfen zwar an die klassischen Vorbilder des Scherenschnitts an (etwa der chinesische Scherenschnitt, der vornehmlich zur Ornamentierung von Papierfenstern diente und in Europa erst viel später Verbreitung fand), doch die Künstlerin geht neue Wege.

Dorthe Goeden: Ohne Titel (2007), Papierschnitt, schwarzer Karton, 69 cm Durchmesser
© Dorthe Goeden und VG Bild-Kunst

Goeden fügt abstrakte Elemente ein, die eine Symbiose mit den figurativen und ornamentalen Darstellungen eingehen und somit eine vollkommen andere Sicht auf das lange unterschätzte Medium offeriert.

Dorthe Goeden: Ohne Titel (scrabble), 2008, Papierschnitt, schwarzer Karton, 70 x 100 cm
© Dorthe Goeden und VG Bild-Kunst

Auszüge aus dem Katalogtext:
... Ein Blick in die Ausstellung in Trier © Dorthe Goeden und VG Bild-Kunst
...
Cover des Kataloges © Dorthe Goeden und VG Bild-Kunst

Der zur Ausstellung erschienene Katalog ist für 10 Euro + Porto über die Galerie Junge Kunst erhältlich.

Mehr Arbeiten Dorthe Goedens sind auf ihrer Homepage zu sehen.

Service:
bis 3. Juli
Öffnungszeiten
Fr 17-19 Uhr, Sa und So 14-16 Uhr
und nach Vereinbarung
Galerie Junge Kunst
Karl-Marx-Straße 90
54290 Trier
0651 / 9 76 38 40

Donnerstag, 20. Mai 2010

PKK - Kunstkritik zum Mitmachen - Teil IV: Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen

Plakat zur Ausstellung „Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen"


PostKartenKritik zur Ausstellung von Olafur Eliasson, die leider anonym an kunstlich.com gesendet wurde

Service:
Martin-Gropius-Bau, Berlin
Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen
Ausstellung
28. April bis 9. August 2010
Eintritt 11 Euro

Coming soon: Aachen - Kornelimünster Kunstsammlung NRW

Der Eingang zur Kunstsammlung NRW im Aachener Kornelimünster, das Teile der Kunstsammlung NRW beherbergt und regelmäßig Neuerwerbungen zeigt.
© Gerd Mörsch


Nein, auch hierbei handelt es sich nicht - wie man angesichts der ausgewogenen Komposition vermuten könnte - um eine temporäre Installationen eines Künstlers, der den Eingang in die wunderbaren Ausstellungsräume im Aachener Kornelimünster bespielen durfte. Es handelt sich um kaschierte Schäden, die im Laufe der Reinigung der Treppe entstanden. Urheber ist ein bisher in der Kunstwelt unbekannter Handwerker.

kunstlich.com hat das wunderbare Ensemble aus moderner wie zeitgenössischer Kunstsammlung und den prunkvollen Räumen des Kornelimünsters besucht und u.a. spannende Werke von Künstlern wie Robert Elfgen und Gert und Uwe Tobias entdeckt.

Mehr dazu wie immer in Kürze...

Kunst und Kapital

'Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltener wen, der sie bezahlt.' Das schrieb vor langer Zeit der Dichter und Maler Wilhelm Busch und kaum einer hat's gemerkt.

kunstlich.com meint, dass Busch damit leider richtig liegt und in diesem Sinne danken wir allen Sponsoren für ihre großzügige Unterstützung.

Coming soon: Kolumba Köln - Hinterlassenschaft

Das aktuelle Ausstellungsheft © Kolumba, Köln

Der wunderbare Neubau auf den sakralen Ruinen von St. Kolumba ist - nicht nur wegen der integrierten Architekturfragmente und der 1950er Jahre Kapelle von Gottfried Böhm - eine Reise und einen langen Ausstellungsrundgang wert. Es ist ein Ort ungewöhnlicher Begegnungen wie etwa jene von Madonnen und Modeskizzen.

kunstlich.com hat das neue, von Peter Zumthor konzipierte und 2007 eröffnete Kunstmuseum des Erzbistums Köln besucht und wird es in Kürze ausfühlich vorstellen.

Ein Blick von außen auf das Bauensemble © Kolumba, Köln und Willy Horsch (Foto)

Service:
noch bis zum 30. August
Öffnungszeiten:
Mi - Mo: 12 - 17 Uhr
lobenswert: Eintritt für alle unter 18 Jahre frei
Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln
Kolumbastraße 4
50667 Köln

Köln - open memory - Portraits Deportierter

Nach den peinlichen Reaktionen der Deutschen Bahn auf das Mahnmal am Kölner Hauptbahnhof für die - von ihrem Rechtsvorgänger der Reichsbahn - massenhaft deportierten Opfer des Naziregimes, gibt es nun endlich eine diesem Gedenken würdige Installation - leider nur temporär.

Hier der Text der Initiative 'Die Bahn Erinnern'


Der verschwiegene Skandal


Drei Millionen Juden wurde 1942 bis 1944 in Zügen der deutschen Bahn deportiert. Die Initiative „11.000 Kinder“ will dazu eine Wanderausstellung für deutsche Bahnhöfe organisieren, doch die Bahn stellt sich - auch ohne Hartmut Mehdorn - quer. Dabei ist sie dank der Finanzkrise doch noch nicht 'ganz' an die Börse gegangen und der Bund, also die Bürger der BRD sind Hauptaktionäre und könnten in diesem Sinne durchaus Einfluss ausüben.


Links zum Thema:
Faz.net über die Problematik
Neue Rheinische Zeitung
Zug der Erinnerung

Gerd Mörsch

Mittwoch, 19. Mai 2010

Grenzgänger: (Garten-)Kunst oder was?

Ein ungewöhnlicher Schrebergarten im Norden von Köln © Gerd Mörsch

Nein, hierbei handelt es sich nicht um ein Architekturmodell des zuvor bereits vorgestellten Künstlers Stephan Mörsch. Die beiden taubengrau lackierten Hütten sind Teil eines Schrebergartens.

Die in der farbenfrohen Gartenanlage irritierende trist-graue Farbe der Architektur ist bewusst gewählt und scheint eine Hommage an deren wahre Bewohner: Jene Tauben, die auf dem Dach thronen und durch das Metallgitter einen exklusiven Zugang zur Hütte haben. Es scheint, als ob ein extrem ordnungsliebender Gärtner - man beachte die exakten Wege und die perfekten Schutzzylinder für die Pflanzen im Beet - dem alten Hobby der (Brief-)Taubenzucht nachgeht.

Vergessen und verwahrlost

Es handelt sich dabei um jene uralte Art der Kommunikation über weite Entfernungen hinweg, bevor Telefon und Post - die Männer und Frauen in gelber Montur, die früher Briefe statt Werbung pünktlich an alle Haushalte lieferten - die Tauben arbeitlos machte. Auch daher streunen die Tauben heute in vielen Städten sinn- und ziellos umher, sind zur 'Flugratten' genannten Plage geworden. Welch trauriges Schicksal trotz ihrer jahrhundertelangen, treuen Dienste für den Menschen.


© Galerie von der Milwe und Marco Lietz, Köln

Bei der Frage wohin die oben gezeigten, privaten Posttauben fliegen und welche Botschaften sie wohl transportieren kann man - trotz der erschreckenden Perfektion der Anlage - ins Schwärmen geraten. Und wer sich nun fragt, was das mit Kunst zu tun hat, dem sei der hier abgebildete, kleine aber feine Katalog der Aachener Galerie von der Milwe empfohlen:

Roland - temporäre Kleingärten


Der Katalog dokumentiert die temporären Interventionen von Künstlern (siehe unten), die in der Aachener Schrebergartenanlage Roland kurz vor deren Zerstörung im März 2009 realisiert wurden. Eine vielseitige künstlerische Hommage an die unzähligen, oft belächelten Lebenskünstler, deren grüne Idyllen einen wichtigen Beitrag zur urbanen Lebenskultur bilden. Danke!

© Galerie von der Milwe und Marco Lietz, Köln

Service:
Roland - temporäre Kleingärten
Autor: Manfred Schneckenburger
Hrsg.: Galerie von der Milwe, Aachen
ISBN 978-3-939130-97-0

Gerd Mörsch

Dienstag, 18. Mai 2010

MARTA Herford: Stephan Mörsch - Landnahme

Ausstellungsflyer © Stephan Mörsch und MARTA Herford

Endlich feiert man die fantastischen Werke Stephan Mörschs mit der ersten Einzelausstellung des Künstlers in einem deutschen Museum. Das wurde aber auch Zeit, mögen manche zurecht munkeln.

Aber halt! Bedenkt man, dass der von
kunstlich.com bereits im Rahmen des Sammlungskataloges rattus norvegicus erwähnte Stephan Mörsch 1974 geboren wurde, relativiert sich der Einwand doch ein wenig. Mörsch ist eben nicht der typische bestselling Youngster der Kunstwelt der vergangenen Jahre, eher ein 'alter' Geheimtipp für Eingeweihte. Und wie sagt man so schön, gut Ding will Weile haben.

Hier vorab der Pressetext des MARTA Herford:

'Innen- und Außenräume, urbane wie ländliche Orte tauchen in den Grafitzeichnungen von Stephan Mörsch aus dem Dunkel auf. Wie Schemen der Erinnerung reiht der Künstler seine virtuos ausgeführten grafischen Blätter aneinander. Einzelne Partien verschwimmen zur Vagheit (alb)traumhafter Beobachtungen oder zur Bewegungsunschärfe flüchtiger Reisebetrachtungen.

Die Graphitzeichnung (Ohne Titel, 2005/2006) ist Teil einer Installation im Besitz der Sammlung Dahlmann (Installationsansicht siehe weiter unten).
© Stephan Mörsch, Sammlung Dahlmann, Anne Gold, Aachen (Foto)

Ganz in der Tradition des Film Noir zeigen die filmischen Bildsequenzen Ausschnitte aus der Kameraperspektive und beschwören beunruhigende oder melancholische Szenen herauf.
So sind auch seine Modelle nicht nur detailgetreue Nachbilder, sondern entwickeln zugleich eine atmosphärische Dichte: Die leeren Hüllen verlassener Behausungen bestehen aus einfachen, fast ärmlichen Materialien. Scheinbar belanglose Architekturen wie Hochsitze, Strandhäuser, Bunker oder Gartenhäuser lassen Prinzipien einfacher Bauten nachvollziehen, die jenseits professioneller Entwürfe zunehmend unseren Alltag prägen.

Auch diese Graphitzeichnung (Ohne Titel, 2005/2006) ist Teil des Werks der Sammlung Dahlmann (Installationsansicht siehe weiter unten).
© Stephan Mörsch, Sammlung Dahlmann, Anne Gold, Aachen (Foto)

Das Nebeneinander von Architektenhaus und kreativem Heimwerkertum, Ikone und improvisiertem Unterschlupf, wie es uns allerorts begegnet, lässt die Frage aufkommen, inwiefern der Baumarkt als neues Formendiktat zunehmend eine modernistische Tradition ablöst. Entwickeln sich offizielle und private Bebauung immer weiter auseinander? Wem gehören bestimmte Räume und wer beherrscht sie? Mit Zeichnungen und Modellen rückt die Ausstellung „Landnahme“ von Stephan Mörsch diesen Fragen zu Leibe, indem sie unterschiedliche Arten der Raumerkundung, -eroberung oder -aneignung untersucht. Nach zahlreichen Einzelpräsentationen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland richtet das Marta Herford Stephan Mörsch, der an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg u.a. bei Bogomir Ecker, Gunnar Reski, Alexander Roob und Pia Stadtbäumer studiert hat, seine erste Einzelausstellung in einem deutschen Museum aus.'

Großstadtszenen und Tiefgaragentristesse

Hier ein Blick auf die Werke in der Hamburger Sammlung Dahlmann und der Text von Tobias Lenartz aus dem Katalog rattus norvegicus.


Wie die Sequenzen eine Films wurden unzählige Graphitzeichnung (alle Ohne Titel, 2005/2006) zum Teil einer Installation Stephan Mörschs im Leopold-Hoesch-Museum Düren 2006. Die Zeichnungen zeigen Szenen in oder im Umfeld einer Tiefgarage. Ein Geschoss der Architektur wurde vom Künstler als Modell aus Styropor geschaffen (Ohne Titel 2005). Beide Werke - die Serie von Zeichnungen und das Modell - sind im Besitz der Hamburger Sammlung Dahlmann und wurden im Rahmen der Ausstellung rattus norvegicus gezeigt.
© Stephan Mörsch, Sammlung Dahlmann, Anne Gold, Aachen (Foto)

So sah ich nach oben
Fand noch nicht einmal den Mond
Und diese Stadt war leise
Fast so still und sanft wie der Tod

Einen guten Überblick über das Werk Stephan Mörschs kann man neben Herford auch bei der Galerie Sfier-Semler gewinnen.

Service:
noch bis 1. August
Öffnungszeiten:
Di - So: 11 – 18 Uhr
jeden 1. Mittwoch im Monat bis 21.00 Uhr
lobenswert: freier Eintritt jeden 1. Mittwoch im Monat
MARTA Herford
Goebenstraße 4 - 10
32052 Herford

Das muss auch mal sein...

Denn nicht nur Kurt Schwitters, der Vater der Ursonate und des immer wieder zerstörten Merz-Baus, hat sich von Werbung und Kommerz inspirieren lassen. Und da man heute ohne viel Werbung und Aglizismen wie Guerilla-Marketing, Low-Budget-Marketing und Radical-Advertising nicht mehr als professionell angesehen wird, hat sich kunstlich.com für letzteres entschieden. In diesem Sinne danken wir allen Sponsoren für ihre großzügige Unterstützung.

Donnerstag, 13. Mai 2010

Coming soon: Olafur Eliasson im Martin-Gropius-Bau



In Kürze berichtet kunstlich.com über die aktuelle Ausstellung Olafur Eliassons in Berlin


Plakat zur Ausstellung „Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen

Service:
Martin-Gropius-Bau, Berlin
Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen
Ausstellung
28. April bis 9. August 2010

Samstag, 8. Mai 2010

Kunst NL - Zeitgenössische Künstler zu Gast in der Kölner Halle 10

Das passt doch wie auf's Auge: In dem wunderbaren, quasi musealen - trotz aller bisherigen politischen Lippenbekenntnisse noch immer vom Abriss bedrohten - Ausstellungsraum auf dem Gelände der Clouth-Werke im Kölner Norden sind nun holländische Künstler zu Gast. Und das Thema der Gruppenschau ist passenderweise das schöne alte Wort Behausung.

Auszug aus dem Pressetext: 'In der Ausstellung 'Behausungen' realisieren zehn niederländische KünstlerInnen Arbeiten zum Thema und zeigen ästhetisch und sinnlich wahrnehmbar in der HALLE ZEHN in skulpturale und ortsbezogene Arbeiten als metaphorisch vielschichtige Installationen, Objektarbeiten und Videos.'

Meg Mercx - please remember that I want us to live
© Meg Mercx und Gerd Mörsch (Foto)

Auszug aus dem Pressetext: 'Das Thema der Behausung erfüllt in unserer Gesellschaft unterschiedliche Bedeutungsebenen. Dies umsomehr, als dass sich unser Leben im Kontext der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen global unbegrenzten Mobilität zu einer Art modernen Nomadentums entwickelt hat. Gerade hier erfüllt das Häusliche, die Behausung und deren unterschiedliche Konnotationen im psychosozialen und der individuellen Wahrnehmung eine wichtige Funktion.'

Auch Wörter haben eine lange Geschichte

In diesem Sinne ist es oft sehr hilfreich und erhellend, sich mit der Wortkunde, der Etymologie auseinanderzusetzen. Also nähern wir uns dem Thema Behausung mal auf diesem Wege und schauen, inwieweit sich Parallelen zu den Arbeiten der niederländsichen Künstler zeigen.

Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1838 (online recherchierbar über die Uni Trier) steht das Folgende:

BEHAUSUNG, f. habitatio, wohnung:
- und wirst erfahren, das deine hütte friede hat und wirst deine behausung versorgen. Hiob 5, 24;
- und wird eine behausunge sein der drachen. Es. 34, 13;
- ire behausung müsse wüste werden und sei niemand, der drinnen wohne. apost. gesch. 1, 20;
- sehnen wir uns nach unser behausung, die vom himel ist. 2 Cor. 5, 2;
- zu einer behausung gottes im geist. Eph. 2, 22;
- sie ist gefallen und eine behausung der teufel worden. offenb. 18, 2;
- denn er hat ihn geprüft, als in des pfaffen behausung er sich nach mäusen hinab liesz. GÖTHE 40, 64.
(
Hintergrundinfos zum Wörterbuch)

Gerhard Stephanus de Groot - fake & fur & hopeless
© Gerhard Stephanus de Groot und Gerd Mörsch (Foto)

Für jenes ominöse wie amorphe Wesen von de Groot scheint die käfigartige Behausung auf den ersten Blick eine Art Rückzugs- oder Zufluchtsort zu sein, was auch der Titel nahe legt. Aber deutet der Begriff fake nicht auf eine Täuschung hin? Verkriecht das Wesen sich nicht, sondern bedroht es gar 'alienlike' den Rezipienten? Das Objekt erinnert nicht von ungefähr an surrealistische Plastik, denn Pelz und Käfig lassen sich wunderbar mit den (Un-)Tiefen der Seele verbinden.

Marijke Schlebusch - it came home to me © Marijke Schlebusch und Gerd Mörsch (Foto)

Wie an einer Wäscheleine gereiht hat die Künstlerin Marijke Schlebusch unzählige, durch die Muster und Patina eindeutig als 'gebrauchte' zu erkennende Matratzen aufgehangen. Der Titel ist vieldeutig: Kamen die Matratzen zu ihr, sind sie also objets trouvés? Oder kamen mit ihnen auch Menschen zu ihr und hinterließen sie als Spuren?

Das Bett als Behausung wurde schon häufig skandalös
- zuletzt etwa Tracey Emin, siehe dazu DLF - inszeniert. Hier aber scheint weniger (good selling) Sex als Melancholie im Vodergrund zu stehen und über eine verspielte Parallele (oder gar Hommage?) zu den leiblichen Stoffbildern Gotthard Graubners kann spekuliert werden.

Rachel Kruithof - de zee © Rachel Kruithof und Gerd Mörsch (Foto)

Behausung kann auch Heimat bedeuten - diesen Gedanken hat Rachel Kruithof mit ihrer faszinierenden Installation sehr anschaulich gemacht. Ein niederländisches Seemannslied erklingt, eine Frau winkt dem Mann sehnsüchtig zum Anschied und der blinkende Leuchturm bildet den Höhepunkt der scheinbar in s/w-projezierten Hafenkulisse.

Doch schaut man hinter die Leinwand entdeckt man eine minimalistisch anmutende Installation aus Glasobjekten: Teller, Tassen, Gläser und Vasen sind so arrangiert worden, dass sie durch ihren Schatten die Hafenkulisse auf der Leinwand bilden.


Ein Blick hinter die Leinwand enthüllt die faszinierende, durch die Symmetrie an ein Brettspiel erinnernde Glasinstallation. © Rachel Kruithof und Gerd Mörsch (Foto)

Verkehrte Welt?

Gerlinde Haberkotté - husje in het bos © Gerlinde Haberkotté und Gerd Mörsch (Foto)

Das filigrane Häuschen im Busch der Künstlerin Gerlinde Haberkotté überzeugt bereits durch seine formale Erscheinung. Doch etwas stimmt hier nicht, der Busch hängt von der Decke, eine Täuschung oder Falle? In diesem Sinne fühlt man sich an die wunderbar kitschigen Nistkästen Andreas Slominskis erinnert, die - wie er betont - statt Vogelasyl eben auch Fallen sind. Denn das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Huis clos - Die Hölle, das sind die anderen

Die Redewendung vom gut gemeinten bildet wiederum eine schöne Brücke zur - besonders in Zeiten des entdeckten oder zumindest erahnten Datenmissbrauchs von google, facebook etc. - oft hochgehaltenen Privatsspähre in der heutigen Zeit.

Lobke Burgers - moving houses © Lobke Burgers und Gerd Mörsch (Foto)

Lobke Burgers präsentierte eine schlicht anmutende Installation mit Miniaturhäusern, die sich - von einem Bewebungsmelder gesteuert - auf und ab bewegten, wenn man sich der Arbeit näherte.

Lobke Burgers - moving houses © Lobke Burgers und Gerd Mörsch (Foto)

Die mit schlichten Materialien und Figuren geschaffenen Szenen in Inneren der Behausungen zeigen die Abgründe der Privatsphäre - eine zynischer Blick hinter die Kulissen.

Lobke Burgers - moving houses © Lobke Burgers und Gerd Mörsch (Foto)

Jacqueline Hanssen - Sehnsucht © Jacqueline Hanssen und Gerd Mörsch (Foto)

Jacqueline Hanssens Sehnsucht bildet eine wunderbare Parallele zu den Einträgen in Grimms Wörterbuch: Also die biblische 'behausung gottes im geist (Eph. 2, 22)' und die andere 'behausung der teufel (offenb. 18, 2)'.

Jacqueline Hanssen - Sehnsucht © Jacqueline Hanssen und Gerd Mörsch (Foto)

Die Künstlerin hat ein klassisch anmutendes Paar von Behausungen entwickelt: der helle Thron wird von lichten Engeln umsorgt, der blutrote wirft teufliche Schatten und dunkle Wesen kreisen um ihn.

Jacqueline Hanssen - Sehnsucht © Jacqueline Hanssen und Gerd Mörsch (Foto)

Fazit

Die Ausstellung bot einen vielseitigen Einblick in das zeitgenössische Kunschaffen niederländischer Künstler und ein Blick über den eigenen Tellerrand kann bekanntlich ja nie schaden. Besonders die Verschiedenartigkeit der hier nur zum Teil abgebildeten und vorgestellten Arbeiten zum Thema Behausung überzeugte.

Der durch die Konzentration auf ein Sujet ermöglichte Vergleich der Position weckt Neugier und ruft ungeahnte Assoziationen hervor. Auch die überschaubare Anzahl an mehr oder weniger überzeugenden Positionen ist neben der wunderbaren, den Kunstgenuss fördernden Ruhe und großzügigen Hängung in der Halle Zehn eine Reise wert gewesen.

In diesem Sinne und in der Hoffnung auf die Wahr- und Nachhaltigkeit (lokal-)politischer Lippenbekenntisse ein eindeutiges 'weiter so' an die Kuratoren der Halle Zehn.

Service:

Lobke Burgers
Gerhard Stephanus de Groot
Gerlinde Habekotte
Jacqueline Hanssen
Rachel Kruithof
MamaBart
Meg Mercx
Marijke Schlebusch
Dini Thomsen
Rob Verwer

Bildergalerie Kölner Stadtanzeiger

HALLE ZEHN CAP Cologne e.V.
Xantener Straße Tor 4

50733 Köln

Donnerstag, 6. Mai 2010

München - Von der seriellen zur digitalen Architektur - Ausstellung in der Pinakothek der Moderne

Ausstellungsflyer © Pinakothek der Moderne / Architekturmuseum der TU München

kunstlich.com stellt die wirklich sehenswerte Ausstellung nur kurz und knapp vor und verlinkt stattdessen weiter unten. Hier vorab zwei Einblicke in die kleine, aber wohltuend konzentrierte Ausstellung und der offizielle Link der Ausstellung Wendepunkt(e) im Bauen | Von der seriellen zur digitalen Architektur

Bei dem sternartigen Verbindungselement im Vordergrund rechts handelt es sich um den MERO-Knoten. Er wurde nach seinem Erfinder Max Meringhausen benannt und gilt seit 1937 als Inbegriff der Standardkonstruktion von Raumfachwerk.
© Gerd Mörsch (Foto)

Es ist die angenehme Mélange aus minutiös gefertigten Modellen, Bildern, Bauteilen sowie Animationen und Filmen die dem Besucher einen guten, weil didaktisch und multimedial ausgewogen aufbereiteten Einblick in die Entwicklung der seriellen Architektur gibt. Auf kleinem Raum kann man deren Werdegang von den Anfängen der Moderne im vorletzten Jahrhundert bis heute verfolgen. Und staunen über die zunächst schlicht anmutenden technischen Meisterleistungen wie den Wachsmann- oder den MERO-Knoten, die beide lange vor dem Einsatz von Computern erfunden wurden, darf man auch. Auch was letztere in der Architektur zu leisten vermögen wird in München anschaulich vorgeführt.

Sequentielle Wand 2006, 2008 © Gerd Mörsch (Foto)

Nein, hierbei handelt es sich ausnahmweise mal nicht um ein (kinetisches) Kunstwerk. Schön finden darf man das filigrane, aus beweglichen Holzelementen, konstruierte Objekt dennoch. Und wieder nein, es handelt sich auch nicht um eine Studie für licht- und luftdurchlässige Fassadenelemente. Diese Struktur ist ein aktuelles Ergebnis der Baurobotik-Studien.

Während gängige
Baurobotik-Systeme Wände klassisch mauern oder gießen lassen, wurden hier Holzelemente von (Bau-)Robotern mit Heißkleber zu einer Struktur verklebt. Und doch scheint wie so oft die Natur den - die Maschinen immerhin noch programmierenden - Wissenschaftlern Modell gestanden zu haben: Die Struktur erinnert nicht von ungefähr an schuppige oder behaarte Oberflächen von Pflanzen und Tieren. Strukturen, die dank den Pflanzenfotografien Karl Blossfeldts heute zu den Klassikern der Kunst- und Fotografiegeschichte gehören (siehe dazu etwa Blossfeldts Blick auf das Büschelkraut).

Ein zahlreich bebilderter und detailiert wie kenntnisreich beschriebener Ausstellungsrundgang von Frank Kaltenbach findet sich unter detail.de.

Service:
noch bis 13. Juni
Öffnungszeiten:
Di: 10 - 20 Uhr
Mi - So: 10 – 18 Uhr

lobenswert: Sonntags Eintritt für 1 Euro
Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
80333 München

Trink, Brüderlein trink! Alkohol als Kulturgeschichte

Lecker Mädchen haben schon immer für die Alkoholwerbung herhalten müssen.
© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)

Kunstgeschichte ist immer auch Kulturgeschichte. In diesem Sinne wird hier ein spannendes Buch empfohlen, dessen ausführliches Bildmaterial eine wahre Freude ist. Manfred und Regina Hübner haben mit der Neuauflage (Der Deutsche Durst hieß die erste Ausgabe) ihrer Untersuchung über den Alkoholkonsum in Deutschland ein spannendes Stück Sozial- und Kulturgeschichte geschrieben.

Die Autoren erklären mit vergnüglicher Lust am Fabulieren, was den deutschen Alkoholkonsum von dem der anderen Völker unterscheidet und beleuchten die überlieferte Nähe der Deutschen zum Alkohol.

Klare Worte und kein Spaß: Plakataufruf abstinenter Sozialdemokraten an das schnapstrinkende Proletariat aus dem Jahr 1909. Der Widerspruch zwischen dem die Arbeitsleistung temporär steigernden und daher von manchen Industriellen durchaus geförderten Schnapskonsum der Arbeiter und seinen negativen sozialen wie gesundheitlichen Folgen führte zu erbitterten Debatten.
© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)

Hier folgt nun eine pointierte Zusammenfassung wesentlicher Inhalte bereichert mit aussagekräftigem Bildmaterial aus dem Buch.

Vom ideologisch motivierten Vorurteil zum beliebten Klischee und verzweifelt gesuchten Nationalcharakter

Schon vor 2000 Jahren scherzte Tacitus, man könne die Germanen leichter mit Wein als mit Waffen besiegen. Das tat er allerdings nicht ohne politisch motivierten Hintergrund, denn das Bild der dumpfen, nur mühsam zivilisierbaren Trunkenbolde passte nur zu Gut in Roms Ideologie und Selbstverständnis.

Hans Sebald Beham schuf 1546/1547 vier Kupferstiche zum Thema Alkohol. Die beiden hier eingefügten zeigen die typischen, negativ konnotierten Klischees alkoholbedingter Ausgelassenheit: Wollust und Gewalt.
© Manfred und Regina Hübner (Reproduktion)

Literarische Wurzeln des Klischees vom trinkfesten Germanen

Jahrunderte später dann, als man im Mittelalter den ‚Germania’ genannten Bericht von Tacitus über die Teutonen wiederentdeckte, glaubten die Historiker, dass sie damit endlich eine objektive Quelle für das vermeintliche Wesen der Deutschen gefunden hätten. Auf diesem Wege wurde der sprichwörtliche Deutsche Durst zu einem Bestandteil des im Entstehen begriffenen Nationalcharakters der Teutonen.

Mit der Germania von Tacitus schien man endlich eine plausible Erklärung für den ’Deutschen Durst’ gefunden zu haben. Denn nicht erst Kaiser Maximilian I. kämpfte gegen dieses Phänomen. Scherze über die wegen ihrer Körperkräfte gefürchteten, aufgrund ihres Alkoholkonsums meist aber einsatzunfähigen deutschen Söldner waren die Regel
. Während seines ersten Reichtags 1495 in Worms verbot Maximilian I. das exzessive Trinken. Die mangelnde Disziplin der häufig betrunkenen Soldaten wurde zunehmend zu einem ernsthaften Problem für die Regenten.

'Will man den Gehorsam gegen Gesetz und Obrigkeit fördern, so verbanne man den Branntwein' fordert eine Enthaltsamkeitsverein aus Osnabrück im Jahre 1847. Die Karrikatur aus dem Jahre 1837 lässt keine Zweifel am Urheber der sogenannten Branntweinseuche: Der Teufel höchstpersönlich hat seine Finger im Spiel. Schon im Narrenschiff von Sebastian Brant waren die Säufer gut vertreten. Die Bildsprache der Karrikatur steht in dieser spätmittelalterlichen Tradition.
© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)

Trink doch dem Kind die Milch nicht weg, trink doch lieber Bier...

Wie etwa ägyptische Reliefs und Bilder zeigen - die frühesten Nachweise für Bier gibt es aus dem mesopotamischen Raum - war Bier über Jahrtausende nicht nur für die Germanen ein elementares Nahrungsmittel. Wenn die Ernte neben der Brotproduktion auch ausreichend Getreide fürs Brauen geliefert hatte, tranken Kinder und Erwachsene täglich den Alkoholsaft. Dabei ging es jedoch nicht wie heute um den Geschmack oder den Alkoholrausch.

Denn das Bier bildete eine
willkommene, weil kalorienreiche Alternative zu dem in der Regel mit Keimen und anderen Krankheitserregern verschmutzen Trinkwasserquellen. Daher hatte zumindest die Oberschicht - also Klerus und Adel - meist den noch heute bekannten ’Pegel.’ Diese Klientel konnte sich die gesunde Alternative zum Wasser leisten. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass weder in der Bibel noch in den griechischen Sagen Wasser als Getränk erwähnt wird.

'Kirche, Kapital und Krieg sind die Großmächte und Feinde des Arbeiters', schreibt 1904 das Organ des deutschen Arbeiter-Abstinenten-Bundes. Fast hundert Jahre später gelten die drei K auch in der DDR als Gefahr für den sozialistischen Staatsbürger. Doch in der untergegangenen, vermeintlich demokratischen Republik galten Kunst, Kirche und Kneipe als Gefahr. Krieg und Kapital hatten an Bedeutung verloren.
©
Manfred und Regina Hübner (Reproduktion)

Reformatorischer Eifer: Nicht nur Martin Luther wetterte gegen die deutschen Saufteufel

Seit der Neuzeit häufen sich die Belege für den Kampf gegen den ’Deutschen Durst.’ Wie
schädlich die Auswirkungen des täglichen Pegels für das gewünschte Wohl des Volkes waren, zeigt sich etwa daran, dass die deutschen Kaiser sich gezwungen sahen, den geistlichen und weltlichen Trinkern mit Berufsverbot für ihr Laster zu drohen - allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Denn der Widerstand war enorm und wie bei schon bei Kaiser Maximilian I. blieben die meist nur verbal drastischen Maßnahmen letztlich fromme Wünsche. ’Saufen ist in unserem Land eine Pest, welche Gottes Zorn über uns geschickt hat’, klagte etwa der Reformator Martin Luther. Doch nach dem Bierrausch sollte man sich wenig später wieder sehnen, denn der viel stärkere Branntwein breitete sich schon bald wie ein Laubfeuer aus.

In München steht ein Hofbräuhaus... Massenhafter Alkoholkonsum hat eine lange Tradition in Deutschland. 'Weitere 10 Mass' wollte der Absender dieser Postkarte aus dem Jahre 1910 nach dem Versenden der Karte noch trinken. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass auch das vor wenigen Jahren in den Medien zurecht gegeißelte Flatrate-Trinken eine lange Geschichte hat.
©
Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)

Wandel der Zeiten: Wie der Kaffee den Deutschen den patriotischen Durst (zurück-)brachte

Im 16. und 17. Jahrhundert sorgte ein neues Getränk für Aufsehen in Europa: Kaffee. Dessen Konsum breitete sich trotz der kostspieligen Bohnen schnell aus. Doch zunächst genoss nur die Oberschicht den teuren, weil exportierten Kaffee. Und wie so oft bescherte diese Exklusivität der Substanz zusätzlich enorme Kraft: Kaffeegenuss wurde zum schicken Statussymbol der Neuzeit. Das erste deutsche Kaffeehaus stand bereits 1673 in Bremen, das erste Wiener Kaffeehaus eröffnete 1685.

Hoch die Tassen: So warb die westdeutsche Schallplattenindustrie für den geselligen Konsum in guter alter Tradition. Das Flower-Power-Design der Typografie und die Trachtenkleidung scheinen nicht als Widerspruch empfunden worden zu sein - denn es geht um Genuss und Enthemmung.
© Florett / Falcon Schallplatten

Im 18. Jahrhundert schließlich etablierten sich Kaffeehäuser und bildeten eine zunehmend beliebte Alternative zum Wirtshaus. Doch hiermit begann das (wirtschaftspolitische) Problem. Denn entgegen dem zeitgemäß nüchternden Arbeitsethos startete die Politik eine wirtschaftlich motivierte Kampagne für den Alkohol. Der Arbeiter sollte zwar nüchtern und zuverlässig sein, um
den zunehmend von Maschinen bestimmten Rhythmus einhalten zu können, doch die vom Kaffee verdorbenen Wirtschaftsbilanzen ließen der Deutschen Wirtschaftselite keine Wahl.

Auch in England sprach man von einer Ginepidemie und meinte damit die Folgen von Armut und billigem Schnaps. William Hogarth schuf 1751 dazu zwei Kupferstiche, die das vermeintliche 'Bierparadies' und die 'Schnapshölle' auf Erden zeigen. Beim Bier geht alles seinen rechten Gang, wie man oben sehen kann.
© Marion Wenzel, Leipzig (Reproduktion)

Die Anfänge des bis heute einflussreichen Alkoholobbyismus

Der zuvor verteufelte
Trunkenbold wurde nun zum Patrioten stilisiert: ’Friedrich der Große wurde noch mit Biersuppe erzogen, aber die Kinder seiner Untertanen schon mit Kaffee’ schimpfte etwa der Johann Wilhelm Petersen. Dementsprechend erhöhte Friedrich der Große in seinem Kaffee-Edikt die Steuern auf Kaffee und 1781 wurde in Preußen auch das Rösten des Kaffees für Privatleute verboten. Zur Überwachung wurden so genannte 'Kaffeeriecher', ehemalige französische Soldaten, eingestellt. Sie sollten die illegale Kaffeerösterei durch den Geruchssinn feststellen. Friedrich wollte offiziell die Volksgesundheit, in Wirklichkeit aber die Wirtschaftsbilanz seines Reiches vor dem vermeintlich schädlichen Kaffeegenuss schützen.

Eine explosive Mischung: Der Arbeiter und der Alkohol

Trotz der rückwärtsgewandten Alkoholpatriotismus-Bewegung zeigte sich im Laufe der industriellen Revolution nur allzu deutlich, dass der nüchterne Arbeiter mehr Geld für sich und seinen Chef verdienen konnte. Andererseits gaben viele Fabrikanten ihren Arbeitern kostenlos Branntwein, damit sie die harte Arbeit durchhalten konnten.

Hier zeigt William Hogarth mit seinem 1751 geschaffenen Kupferstich welche gesellschaftlichen Folgen der Schnaps- im Gegensatz zum Bierkonsum hat: Chaos, Wahnsinn, Tod und Verfall.
© Marion Wenzel, Leipzig (Reproduktion)

Der einflussreiche Dürener Eisenkönig Leopold Hoesch wetterte gegen jene Fabrikanten, die ihren Arbeitern mit fabrikeigenen Wirtshäusern das eigentlich für die Familie bestimmte Geld wieder aus den Taschen zogen. Angesichts des weit verbreiteten Alkoholismus in verarmten Schichten bildete sich eine breite Front von Alkoholgegnern: Der ’Kreuzzug gegen den Branntwein’. Ein beliebtes Ritual war die quasi religiöse Beerdigung des Schnapses, mit solchen Handlungen sollte der Schwur auf die Enthaltsamkeit gestärkt werden.

Schnaps das war sein letztes Wort, da trugen ihn die Englein fort... Alkohol als Doping am Arbeitsplatz

Der Chemiker Justus von Liebig erkannte die Gefahren des Schnapskonsums während der Arbeit und erklärte sie 1858 wie folgt: 'Der Branntwein... durch seine Wirkung auf die Nerven, gestattet dem Arbeiter, die fehlende Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Menge heute zu verwenden, welche naturgemäß erst den Tag darauf zur Verwendung hätte kommen dürfen... Es ist ein Wechsel, ausgestellt auf die Gesundheit, welcher immer prolongiert werden muss, weil er aus Mangel an Mitteln nicht eingelöst werden kann; der Arbeiter verzehrt das Kapital statt der Zinsen, daher dann der unvermeidliche Bankerott seines Körpers.'

Vorbeugende Aufklärung. Käthe Kollwitz gestaltete dieses Plakat für den Kampf gegen den Alkoholmissbrauch im Jahre 1922. © VG Bild-Kunst


Nach der patriotischen Biersuppenpropaganda wettert Bismarck in der Tradition Luthers gegen den Alkohol

’Es wird bei uns Deutschen mit wenig so viel Zeit totgeschlagen, wie mit Biertrinken’ schimpfte Reichskanzler Otto von Bismarck. Der Wettkampf der Industriestaaten war härter geworden und erste Rezessionen brachten in den schnell gewachsenen Arbeiterstädten Armut und Revolutionspotential an die Oberfläche. Der weit verbreitete Alkoholismus wurde als Volkskrankheit verstanden. Neben den teils abstrusen Schwüren und Gemeinschaften, deren Wurzeln in die Zeit der Branntweinseuche reichen, wurde der Alkoholmissbrauch zunehmend auch mit Hilfe von modernen Aufklärungskampagnen bekämpft.

Der Kampf um den 'richtigen' Alkoholkonsum hatte schon immer auch politische Dimensionen. Hier wurde - wie so oft in den vergangenen Jahrhunderten - unter Bezug auf Bismarck die vermeintlich typische Trinksucht der Deutschen thematisiert.
©
Manfred und Regina Hübner (Reproduktion)

Im 20. Jahrhundert schließlich zeigen sich erste Erfolge der vielschichtigen Anti-Alkohol-Bewegung. ’Alkoholmissbrauch ist zurückgegangen, und zwar namentlich unter intelligenten Arbeitern’ schrieb etwa die Brandenburger Zeitung im Jahre 1908. Und so wurde aus dem im Mittelalter und in der Neuzeit verteufelten Saufgelage schließlich das beliebte ’Feierabendbier’ in der Kneipe um die Ecke.

Von hier ist es bis zur gegenwärtigen Alkoholkultur nicht mehr weit und zuviel soll an dieser Stelle ja nicht verraten werden...

Service:
Manfred Hübner, Regina Hübner:
Trink, Brüderlein, trink -
Illustrierte Kultur- und Sozialgeschichte deutscher Trinkgewohnheiten.
Edition Leipzig
Leipzig 2004
ISBN 3-361-00575-2