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Lecker Mädchen haben schon immer für die Alkoholwerbung herhalten müssen.
© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)
© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)
Kunstgeschichte ist immer auch Kulturgeschichte. In diesem Sinne wird hier ein spannendes Buch empfohlen, dessen ausführliches Bildmaterial eine wahre Freude ist. Manfred und Regina Hübner haben mit der Neuauflage (Der Deutsche Durst hieß die erste Ausgabe) ihrer Untersuchung über den Alkoholkonsum in Deutschland ein spannendes Stück Sozial- und Kulturgeschichte geschrieben.
Die Autoren erklären mit vergnüglicher Lust am Fabulieren, was den deutschen Alkoholkonsum von dem der anderen Völker unterscheidet und beleuchten die überlieferte Nähe der Deutschen zum Alkohol.
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© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)
Vom ideologisch motivierten Vorurteil zum beliebten Klischee und verzweifelt gesuchten Nationalcharakter
Schon vor 2000 Jahren scherzte Tacitus, man könne die Germanen leichter mit Wein als mit Waffen besiegen. Das tat er allerdings nicht ohne politisch motivierten Hintergrund, denn das Bild der dumpfen, nur mühsam zivilisierbaren Trunkenbolde passte nur zu Gut in Roms Ideologie und Selbstverständnis.
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© Manfred und Regina Hübner (Reproduktion)
Jahrunderte später dann, als man im Mittelalter den ‚Germania’ genannten Bericht von Tacitus über die Teutonen wiederentdeckte, glaubten die Historiker, dass sie damit endlich eine objektive Quelle für das vermeintliche Wesen der Deutschen gefunden hätten. Auf diesem Wege wurde der sprichwörtliche Deutsche Durst zu einem Bestandteil des im Entstehen begriffenen Nationalcharakters der Teutonen.
Mit der Germania von Tacitus schien man endlich eine plausible Erklärung für den ’Deutschen Durst’ gefunden zu haben. Denn nicht erst Kaiser Maximilian I. kämpfte gegen dieses Phänomen. Scherze über die wegen ihrer Körperkräfte gefürchteten, aufgrund ihres Alkoholkonsums meist aber einsatzunfähigen deutschen Söldner waren die Regel. Während seines ersten Reichtags 1495 in Worms verbot Maximilian I. das exzessive Trinken. Die mangelnde Disziplin der häufig betrunkenen Soldaten wurde zunehmend zu einem ernsthaften Problem für die Regenten.
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© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)
Wie etwa ägyptische Reliefs und Bilder zeigen - die frühesten Nachweise für Bier gibt es aus dem mesopotamischen Raum - war Bier über Jahrtausende nicht nur für die Germanen ein elementares Nahrungsmittel. Wenn die Ernte neben der Brotproduktion auch ausreichend Getreide fürs Brauen geliefert hatte, tranken Kinder und Erwachsene täglich den Alkoholsaft. Dabei ging es jedoch nicht wie heute um den Geschmack oder den Alkoholrausch.
Denn das Bier bildete eine willkommene, weil kalorienreiche Alternative zu dem in der Regel mit Keimen und anderen Krankheitserregern verschmutzen Trinkwasserquellen. Daher hatte zumindest die Oberschicht - also Klerus und Adel - meist den noch heute bekannten ’Pegel.’ Diese Klientel konnte sich die gesunde Alternative zum Wasser leisten. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass weder in der Bibel noch in den griechischen Sagen Wasser als Getränk erwähnt wird.
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© Manfred und Regina Hübner (Reproduktion)
Seit der Neuzeit häufen sich die Belege für den Kampf gegen den ’Deutschen Durst.’ Wie schädlich die Auswirkungen des täglichen Pegels für das gewünschte Wohl des Volkes waren, zeigt sich etwa daran, dass die deutschen Kaiser sich gezwungen sahen, den geistlichen und weltlichen Trinkern mit Berufsverbot für ihr Laster zu drohen - allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Denn der Widerstand war enorm und wie bei schon bei Kaiser Maximilian I. blieben die meist nur verbal drastischen Maßnahmen letztlich fromme Wünsche. ’Saufen ist in unserem Land eine Pest, welche Gottes Zorn über uns geschickt hat’, klagte etwa der Reformator Martin Luther. Doch nach dem Bierrausch sollte man sich wenig später wieder sehnen, denn der viel stärkere Branntwein breitete sich schon bald wie ein Laubfeuer aus.
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© Thomas Kläber, Cottbus (Reproduktion)
Im 16. und 17. Jahrhundert sorgte ein neues Getränk für Aufsehen in Europa: Kaffee. Dessen Konsum breitete sich trotz der kostspieligen Bohnen schnell aus. Doch zunächst genoss nur die Oberschicht den teuren, weil exportierten Kaffee. Und wie so oft bescherte diese Exklusivität der Substanz zusätzlich enorme Kraft: Kaffeegenuss wurde zum schicken Statussymbol der Neuzeit. Das erste deutsche Kaffeehaus stand bereits 1673 in Bremen, das erste Wiener Kaffeehaus eröffnete 1685.
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© Florett / Falcon Schallplatten
Im 18. Jahrhundert schließlich etablierten sich Kaffeehäuser und bildeten eine zunehmend beliebte Alternative zum Wirtshaus. Doch hiermit begann das (wirtschaftspolitische) Problem. Denn entgegen dem zeitgemäß nüchternden Arbeitsethos startete die Politik eine wirtschaftlich motivierte Kampagne für den Alkohol. Der Arbeiter sollte zwar nüchtern und zuverlässig sein, um den zunehmend von Maschinen bestimmten Rhythmus einhalten zu können, doch die vom Kaffee verdorbenen Wirtschaftsbilanzen ließen der Deutschen Wirtschaftselite keine Wahl.
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© Marion Wenzel, Leipzig (Reproduktion)
Die Anfänge des bis heute einflussreichen Alkoholobbyismus
Der zuvor verteufelte Trunkenbold wurde nun zum Patrioten stilisiert: ’Friedrich der Große wurde noch mit Biersuppe erzogen, aber die Kinder seiner Untertanen schon mit Kaffee’ schimpfte etwa der Johann Wilhelm Petersen. Dementsprechend erhöhte Friedrich der Große in seinem Kaffee-Edikt die Steuern auf Kaffee und 1781 wurde in Preußen auch das Rösten des Kaffees für Privatleute verboten. Zur Überwachung wurden so genannte 'Kaffeeriecher', ehemalige französische Soldaten, eingestellt. Sie sollten die illegale Kaffeerösterei durch den Geruchssinn feststellen. Friedrich wollte offiziell die Volksgesundheit, in Wirklichkeit aber die Wirtschaftsbilanz seines Reiches vor dem vermeintlich schädlichen Kaffeegenuss schützen.
Eine explosive Mischung: Der Arbeiter und der Alkohol
Trotz der rückwärtsgewandten Alkoholpatriotismus-Bewegung zeigte sich im Laufe der industriellen Revolution nur allzu deutlich, dass der nüchterne Arbeiter mehr Geld für sich und seinen Chef verdienen konnte. Andererseits gaben viele Fabrikanten ihren Arbeitern kostenlos Branntwein, damit sie die harte Arbeit durchhalten konnten.
Hier zeigt William Hogarth mit seinem 1751 geschaffenen Kupferstich welche gesellschaftlichen Folgen der Schnaps- im Gegensatz zum Bierkonsum hat: Chaos, Wahnsinn, Tod und Verfall.
© Marion Wenzel, Leipzig (Reproduktion)
Der einflussreiche Dürener Eisenkönig Leopold Hoesch wetterte gegen jene Fabrikanten, die ihren Arbeitern mit fabrikeigenen Wirtshäusern das eigentlich für die Familie bestimmte Geld wieder aus den Taschen zogen. Angesichts des weit verbreiteten Alkoholismus in verarmten Schichten bildete sich eine breite Front von Alkoholgegnern: Der ’Kreuzzug gegen den Branntwein’. Ein beliebtes Ritual war die quasi religiöse Beerdigung des Schnapses, mit solchen Handlungen sollte der Schwur auf die Enthaltsamkeit gestärkt werden.
Schnaps das war sein letztes Wort, da trugen ihn die Englein fort... Alkohol als Doping am Arbeitsplatz
Der Chemiker Justus von Liebig erkannte die Gefahren des Schnapskonsums während der Arbeit und erklärte sie 1858 wie folgt: 'Der Branntwein... durch seine Wirkung auf die Nerven, gestattet dem Arbeiter, die fehlende Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Menge heute zu verwenden, welche naturgemäß erst den Tag darauf zur Verwendung hätte kommen dürfen... Es ist ein Wechsel, ausgestellt auf die Gesundheit, welcher immer prolongiert werden muss, weil er aus Mangel an Mitteln nicht eingelöst werden kann; der Arbeiter verzehrt das Kapital statt der Zinsen, daher dann der unvermeidliche Bankerott seines Körpers.'
Vorbeugende Aufklärung. Käthe Kollwitz gestaltete dieses Plakat für den Kampf gegen den Alkoholmissbrauch im Jahre 1922. © VG Bild-Kunst
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© Marion Wenzel, Leipzig (Reproduktion)
Schnaps das war sein letztes Wort, da trugen ihn die Englein fort... Alkohol als Doping am Arbeitsplatz
Der Chemiker Justus von Liebig erkannte die Gefahren des Schnapskonsums während der Arbeit und erklärte sie 1858 wie folgt: 'Der Branntwein... durch seine Wirkung auf die Nerven, gestattet dem Arbeiter, die fehlende Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Menge heute zu verwenden, welche naturgemäß erst den Tag darauf zur Verwendung hätte kommen dürfen... Es ist ein Wechsel, ausgestellt auf die Gesundheit, welcher immer prolongiert werden muss, weil er aus Mangel an Mitteln nicht eingelöst werden kann; der Arbeiter verzehrt das Kapital statt der Zinsen, daher dann der unvermeidliche Bankerott seines Körpers.'
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Nach der patriotischen Biersuppenpropaganda wettert Bismarck in der Tradition Luthers gegen den Alkohol
’Es wird bei uns Deutschen mit wenig so viel Zeit totgeschlagen, wie mit Biertrinken’ schimpfte Reichskanzler Otto von Bismarck. Der Wettkampf der Industriestaaten war härter geworden und erste Rezessionen brachten in den schnell gewachsenen Arbeiterstädten Armut und Revolutionspotential an die Oberfläche. Der weit verbreitete Alkoholismus wurde als Volkskrankheit verstanden. Neben den teils abstrusen Schwüren und Gemeinschaften, deren Wurzeln in die Zeit der Branntweinseuche reichen, wurde der Alkoholmissbrauch zunehmend auch mit Hilfe von modernen Aufklärungskampagnen bekämpft.
Im 20. Jahrhundert schließlich zeigen sich erste Erfolge der vielschichtigen Anti-Alkohol-Bewegung. ’Alkoholmissbrauch ist zurückgegangen, und zwar namentlich unter intelligenten Arbeitern’ schrieb etwa die Brandenburger Zeitung im Jahre 1908. Und so wurde aus dem im Mittelalter und in der Neuzeit verteufelten Saufgelage schließlich das beliebte ’Feierabendbier’ in der Kneipe um die Ecke.
Von hier ist es bis zur gegenwärtigen Alkoholkultur nicht mehr weit und zuviel soll an dieser Stelle ja nicht verraten werden...
Service:
Manfred Hübner, Regina Hübner:
Trink, Brüderlein, trink - Illustrierte Kultur- und Sozialgeschichte deutscher Trinkgewohnheiten.
Edition Leipzig
Leipzig 2004
ISBN 3-361-00575-2
1 Kommentar:
Danke sehr an den Webmaster.
Gruss Nanna
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