Freitag, 17. Februar 2017

Mitmachen - Lobbyarbeit gegen die prekären Verhältnisse in der Kultur

Ein Screenshot der artbutfair-Website. © artbutfair

Sie kennen das sicher auch. Sonntags wird die Kunst von allen Würde- und Amtsträgern in höchsten Tönen gelobt und ihre Bedeutung für die Gesellschaft hervorgehoben. Doch am Folgetag, montags, wenn das Budget für die Kultur beschlossen werden soll, ist sie nur noch freiwillige Leistung und wird dementsprechend im Haushalt berücksichtigt. 

Dieser nur scheinbar paradoxe Zustand ist allen, die sich dafür, also die Bedingungen für die Produktion, Konzeption und Kommunikation von Kultur, interessieren, leidlich bekannt. Und ja, zugegeben, meist berichten wir an dieser Stelle über die selbständigen Produzenten von Bildender Kunst, also Maler, Bildhauer, Performer, Multimedia-Künstler etc. Doch die Konsequenzen des paradoxen Zustandes, also die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Würdigung der Bedeutung von Kunst und Kultur und der Bereitschaft, für diese entsprechende finanzielle Mittel einzustellen, sind gattungsübergreifend.

get up stand up ... 


Denn auch wenn man sogenannter Bühnenkünstler ist, unabhängig davon, ob frei oder angestellt, ob in Schauspiel, Tanz, Oper, Musical oder als freier Musiker, sind prekäre Verhältnisse trotz voller Arbeitstage keine Ausnahme. Diesem Zustand, der natürlich nicht nur die Akteure, sondern auch die mit der Kommunikation bzw. Vermittlung der Kunst betrauten Mitarbeiter des Kulturbetriebs betrifft, widmet sich der Verein artbutfair, den wir an dieser Stelle empfehlen möchten. Es folgen Zeilen von der artbutfair-Website: 

'Anstatt reglos zuzusehn
greife ich ein
und ernenne gewisse Dinge für falsch
und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern

(Peter Weiss, Marat/Sade)

Schlechte Bezahlung, im Extremfall unter dem Mindestlohn, unsichere und prekäre Vertragsverhältnisse mit geringem Kündigungsschutz, freie Einzelverträge, die knebeln, aber keine Sicherheit und katastrophale Abendgagen bieten, unüberprüfbare Wochenarbeitszeiten (50 Stunden? Kann leicht vorkommen!), ein ganzer Monat ohne einen einzigen freien Tag, komplette Arbeitsphasen ohne Bezahlung (Proben), Respektlosigkeit im täglichen Umgang, Beurteilung von Können und Leistung nach rein subjektiven / persönlichen Kriterien, Arbeitsplatzverlust nach 13 Jahren nur mit der Begründung, dass der direkte Vorgesetzte wechselt (Theaterverträge), ein ständiges (diffuses) Gefühl der Angst, das einem (konkreten) Bewusstsein der Abhängigkeit entspringt: ist so etwas überhaupt vorstellbar in Arbeitsverhältnissen in Deutschland, Österreich und der Schweiz?Ja, ist es, wenn man Bühnenkünstler ist, ob frei oder fest, ob in Schauspiel oder Tanz, Oper oder Musical, und auch als freier Musiker in Rock und Pop, Jazz und Klassik.

In all diesen Bereichen ist der Ausbeutung Tür und Tor geöffnet, denn: es geht ja um künstlerische Erfüllung, es ist ja eine Berufung, nicht nur ein Beruf. Die Konkurrenz ist riesig, unzählige junge Menschen streben Jahr für Jahr aufs Neue mit Leidenschaft auf die Bühnen, die Gefahr, dass Idealismus missbraucht wird, ist groß. Und es sind nicht nur die „klassischen“ Bühnenberufe, über die ja aktuell viel öffentlich diskutiert wird; fast jeder freie Musiker, der um seine Gigs und Konzerte, um faire Verträge und Rechteregelungen (oder gar um Erfolgsbeteiligung) kämpft, hat dem Thema: „Friss oder stirb“ etwas hinzuzufügen.

Natürlich: Missbrauch geschieht nicht überall, es gibt viele Institutionen und Veranstalter, künstlerische Leitungen und Agenturen, die sich um Fairness und Gerechtigkeit bemühen. Aber es gibt auch, da muss man realistisch sein, mehr als ein paar wenige schwarze Schafe, die die angespannte Lage am Arbeitsmarkt für Künstler ausnutzen:

Indem sie schlechte Gagen zahlen und katastrophale Bedingungen bieten – weil es der Markt erlaubt. ART BUT FAIR hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Missstände aufzuzeigen – und an ihrer Veränderung zu arbeiten.'


Ein Screenshot der Website der Kulturpolitischen Gesellschaft. Viele der lesenwerten Publikationen sind als PDF zum Download zur Verfügung © Kulturpolitische Gesellschaft

Es gibt natürlich noch andere, ältere Institutionen, die sich dem Thema ausführlich widmen. Etwa die Kulturpolitische Gesellschaft. Sie ist ein inzwischen rund 40jähriger Thinktank, der Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik versteht und dementsprechend auch die Interessen der Kulturschaffenden und -vermittler vertritt. Dank eines dem Verein verbundenen Institutes, das Bonner Institut für Kulturpolitik, wird in Kooperation umfangreiche Forschung betrieben.

Auch dieser Verein, der sich schlicht als bundesweite Vereinigung kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen bezeichnet, lässt in seinen Leitlinien keinen Aspekt der Aufgaben und problematischen Bedingungen der Kunst- und Kulturschaffenden außer Acht. Seine umfangreiche Forschungs-, Vermittlungs- bzw. Lobbyarbeit für die Kultur ist bemerkenswert. 


Also, nicht-wissen gilt nicht, Mitglied werden schon...

Service und Links
- artbutfair-Website, mit allen Infos, dem Newsletter und der Möglichkeit, dem gemeinnützigen Verein beizutreten oder zu spenden, hier 
- die Website der Kulturpolitischen Gesellschaft, hier


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