© Thilo Beu |
Gestern nach dem beeindruckenden Fußballspiel, das nach dem Brexit nun auch den britischen EM-Exit mit sich brachte, hatte ich einen seltsamen Traum. Viele von Ihnen kennen vielleicht die Rubrik 'Ich habe einen Traum' des Zeit-Magazins. In diesem Sinne, was durchaus als Hommage verstanden werden kann, möchte ich an dieser Stelle nun von meinem Traum berichten.
Der faszinierende Kampf - der deprimierend vergebliche der Spanier und der motivierend erfolgreiche der Isländer - hatte mich so tief beeindruckt, so sehr bewegt, dass ich die EM mit in den Schlaf nahm. Hier fand nun das gefürchtete Viertelfinale der Mannschaft gegen die Squadra Azzurra statt. Zum Glück ist mir von dem eigentlichen Spiel der Fußballtitanen, vom Ausgang der gefürchteten Begegnung nichts in Erinnerung geblieben. Es bleibt also spannend.
Was ich aber ganz deutlich erinnere, ist ein Bild aus dem deutschen Fanblock. Sie kennen sicherlich die männlich dominierten Kamerafahrten durch die Massen. Fröhliche, jubelnde Fans werden, bis sie sich auf den Großleinwänden im Stadion selbst entdecken und dann der Leinwand, aber nicht der Kamera zujubeln, stellvertretend für einige Sekunden eingeblendet.
Mitten im jubelnden deutschen Fanblock fokussiert die Kamera eine unheimliche Figur. Ihr Jubeln ist eindeutig, ihre Identität im Gegensatz zu den üblichen Fanblock-Bildern aber nicht, denn die Person trägt eine Burka. Der größtmögliche Alptraum der Sicherheitsleute. Doch die Frage, wie der Mann - oder ist es doch eine Frau? - überhaupt so vermummt ins Stadion gelangen konnte, beschäftigt mich nicht lange.
Denn nach dem frenetischen Jubel steht die Figur plötzlich seltsam entrückt, ruhig, mit nicht eindeutig zum Gebet gefalteten Händen ganz still. Scheinbar allein im Fanblock. Nein, ich habe keine Angst vor Sprengstoffgürteln unter einer Deutschlandburka. Liegt es an den stoischen, merkelhaft gefalteten Händen der unheimlichen Figur? Ich wache auf, trinke ein Glas Wasser.
Wenige Minuten später, wieder eingeschlafen, gelingt es mir, den Traum fortzusetzen. Und wieder sehe ich die Kamerafahrt entlang der Zuschauerränge, gefüllt mit jubelnden Fans. Sie tragen alle Burkas in den Farben ihrer jeweiligen Nationen. Franzosen, Belgier, Portugiesen, Polen, Italiener, Waliser, Deutsche und Isländer jubeln, beten, zittern und feiern die Erfolge ihrer Mannschaften - und singen gemeinsam die Europahymne.
Hintergrund
Sie werden verstehen, dass ich diesem Traum, dem faszinierenden Bild von der Deutschlandburka, nachgehen musste. Nach kurzer Recherche, habe ich schließlich den Ursprung dieses surrealen Bildes gefunden: Nach dem Besuch der empfehlenswerten Woyzeck-Inszenierung - das Bühnenbild ist nach der Vorstellung wie eine Installation oder ein Environment begehbar - des Bonner Theaters vor wenigen Wochen, hatte ich mir eine Postkarte mitgenommen. Das Deutschlandburka-Motiv war mir sofort ins Auge gesprungen.
Die Postkarte ist im Kontext der Nathan-Produktion entstanden, ein Stück nach G.E. Lessing mit Texten von Muslimen aus Bonn. Der Urheber, der Künstler, dem wir das einprägsame Deutschlandburka-Motiv verdanken, ist der Fotograf Thilo Beu. Ihm gilt an dieser Stelle mein herzlicher Dank.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen