Ausschnitt aus: Kasimir Malewitsch - Suprematistische Komposition (1915), Sammlung Ludwig Köln. Man achte auf das wunderbare Craquelé im großen Quadrat links. Es scheint als habe Malewitsch diesen Bruch mit der aka- demischen, maltechnischen Perfektion bewusst in Kauf genommen.
Russische Avantgarde: Kasimir Malewitsch und der Suprematismus in der Sammlung Ludwig - Teil II der Projektreihe im Kölner Museum Ludwig
Das wurde aber auch Zeit... Das Museum Ludwig widmet sich wieder einer seiner klassischen Kernaufgaben als Museum, gemeint ist das zugunsten von massentauglichen Großausstellungen seit Jahren vernachlässigte Erforschen und Präsentieren des eigenen Bestandes.
Das schwarze Quadrat: Der Inbegriff der geistigen Essenz der Wirklichkeit
'Unter Suprematismus verstehe ich die Supremation der reinen Empfindung in der bildenden Kunst' (Malewitsch 1927)
Um Missverständnisse zu vermeiden, muss betont werden, dass das Museum Ludwig in Köln in diesem Falle weder besonders positiv noch negativ auffällt. Denn die ganze Museumssippe hat sich aufgrund der bekannten Tendenzen (Kommerzialisierung des Ausstellungsbetriebs) und Plagen (die seit Jahren schrumpfenden Etats) weit von ihren eigentlichen Kernkompetenzen und -aufgaben als öffentliche Bildungsinstitution entfernt.
Orwellsche Sprachtendenzen?
Zyniker munkeln, dass sich der wahre Kern der an sich ja lobenswerten Initiative schon im Titel verbirgt: Das Museum selbst spricht von einer 'Projektreihe', so als wäre das oben erwähnte Erforschen und Präsentieren der Sammlung ein freiwillige Leistung, die aufgrund der allgemein herrschenden Krise ja nur noch von imagesensiblen und daher hilfsbereiten Sponsoren wie etwa der Tabakindustrie gefördert werden könne.
Alptraum oder Absicht? Dem früher einfach übertünchten Craquelé und anderen Details wird ein ganzer Raum gewidmet. In der Ausstellung wird auch für Laien recht anschaulich der Krimi über die (Restaurierungs-)Geschichte von Kunst- werken aufgezeigt. Die Spache und Ausstellungsdidaktik hätte sicher noch ein wenig mehr dem nicht-kunsthistorisch (und auch nicht-restaurierungstechnisch) versierten Publikum angepasst werden müssen. Und doch ein positives Fazit, ein lobenswerter Ansatz.
Der ewige Traum von der endgültigen Form
Voller Tatendrang und Überzeugung schrieb Malewitsch in seiner Schrift 'Die gegenstandslose Welt' (sie wurde vom Bauhaus publiziert): 'In der suprematistischen Gegenstandslosigkeit hat die Neue Kunst ihre endgültige Form gefunden. (...) Die Neue Kunst hat auf dem Gebiet der Malerei die Fläche überwunden und ist von der illusionistischen Darstellung dreidimensionaler Körper auf der zweidimensionalen Fläche zu einer neuen Methode der Darstellung von Körpern und ihren Beziehungen im realen Raum übergegangen."
Das Absolute
Den Beriff Suprematismus wurde von Malewitsch selbst ab 1913 verwendet. Man vermutet, dem Künstler sei es - von Treffen mit den Futuristen inspiriert - auch um eine deutliche Weiterentwickung vom Futurismus ausgehend gegangen (so etwa Hans von Riesen, der den Malewitsch-Nachlass betreute und seine Schriften übersetzte). In diesem Sinne sprach Malewitsch auch vom Suprematismus als 'Beginn einer neuen Zivilisation.'
Solche große Ziele bzw. Worte nimmt heute kaum noch ein Kunstschaffender in den Mund, es sei denn ironisch verklärt wie etwa Jonathan Meese, doch auch der gesteht: ‚Von der Straße kann ich mir auch keine Revolution mehr erhoffen, der Mensch schafft das nicht.'
Trotz aller Bedenken: Eine gelungene Ausstellung
Der Ansatz und die konzentrierte, multimediale Aufarbeitung sind lobenswert! Besonders die Ausstellung der Düsseldorfer Künstlerin Leni Hoffmann muss als innovativer und sinnlich äußerst reizvoller Auftakt der Reihe genannt werden. Sie ist die erste Künstlerin, die im Rahmen des Projektes eingeladen wurde, um sich mit der Aktualität der Russischen Avantgarde auseinanderzusetzen.
Feinsinniges Kunstspiel - die Eingangshalle des Museums als Flipper
Leider konnten nur wenige die aus Vogelperspektive wunderbare Installation von Hoffmann in er Eingangshalle genießen. Mit Knete und Stahlbeton verwandelte sie die Eingangshalle des Museum Ludwig in einen Flipper und die Besucher konnten im wahrsten Sinne des Wortes Spuren hinterlassen. Ihre eigens für die Kölner Ausstellung entwickelten Werke verweisen auf Alexander Rodtschenko, der 1921 das Ende der Malerei ankündigte und sich - nicht nur Beuys hat's kopiert - für eine alltagsnahe, soziale Kunst einsetzte.
homo ludens - Das Spiel mit dem Betrachter
Leni Hoffmann führte die Gedanken Rodtschenkos im Museum Ludwig visuell und leiblich erfahrbar (!) weiter. Sie hat sich schon lange von der traditionellen Verbindung zwischen Malerei und Leinwand entfernt. Hofmann orientierte sich an den Merkmalen des Gebäudes und schuf temporäre Malereien und Installationen direkt in den Museumsraum ein. Ihre Werke haben nicht zuletzt durch die Größe und den verwendeten Beton einen architektonischen Charakter und thematisierten die Wahrnehmung des Raumes.
new game - one ball left
Hoffmanns Interventionen irritierten, sie machten die Besucher auf das Ungewöhnliche im bekannten Umfeld aufmerksam. Wer zum ersten Mal im Museum Ludwig war, hätte ihre Werke auch als Sitzmöglichkeiten übersehen bzw. verkennen können. Ihr Ziel ist die Sensibilisierung des Betrachters für den stets vorhandenen Dialog zwischen Kunstwerk, Raum und Betrachter. Sinnlich nachvollziehbar verwandelte Hoffmann das Museum in einen begehbaren Organismus: eine Einladung an den Rezipienten sich als Teil des Ganzen zu verstehen und mit zu spielen. Letzteres wurde besonders besonders durch die im Eingang installierte Arbeit flipper deutlich. Wer wollte konnte sich von dort wie eine Kugel in den Raum 'Museum' katapultieren lassen und sich von den verschiedenen Objekten - angezogen oder abgestoßen - durch die Räume treiben lassen. Leider ist die Ausstellung Hoffmanns schon vorbei - game over.
Kritiken:
Noemi Smolik über die Ausstellung auf art.net
Service:
noch bis zum 22. August
Öffnungszeiten:
Di - So: 10 - 18 Uhr
jeden ersten Do im Monat - 22 Uhr
Museum Ludwig Köln
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