Samstag, 18. Mai 2013

KMB II: Möge man ihnen Glauben schenken oder Ein Lehrstück erfolgreich reformierter Sprache

Wo wären wir ohne Bibliotheken? Magister Discipu lautet die Bildunterschrift zum Holzschnitt (um 1510) von Johann Grüninger. Dieser digitalisierte Wiederabdruck wiederum stammt aus einem Werk des frühen 20. Jahrhunderts: Die deutschen Accipies- und Magister cum Discipulis-Holzschnitte als Hilfsmittel zur Inkunabel-Bestimmung / Schreiber, Wilhelm Ludwig. - Strassburg, 1908, © und mehr dazu gibts hier

Vor wenigen Wochen haben wir über die erneut in Frage stehende Zukunft der KMB berichtet. So trostlos wie die kleine Demonstration angesichts der drohenden Wortbrüche und Sparmaßnahmen ist auch die Reaktion der Verantwortlichen. Statt Tacheles gibt es Orwellsche Worthülsen, die wir an dieser Stelle einfach mal für sich selber sprechen lassen, den Hintergrund kann man hier nachlesen.

Das Folgende ist die Anwort auf unsere Protestnote an verantwortliche Lokalpolitiker:

''Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie sich für den Erhalt der Kunst- und Museumsbibliothek aussprechen.

Der Rat der Stadt Köln hat sich in seiner Sitzung vom 30. April 2013 auf Antrag von SPD und Grünen zur Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek (KMB) klar positioniert!

Wir haben die Verwaltung beauftragt, die Gespräche mit der Universität zu Köln, dem Land NRW und möglichen Dritten fortzuführen, mit dem Ziel, kurzfristig einen belastbaren Verhandlungsstand zur Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek im Archivneubau am Eifelwall zu erreichen.
 

Sollte eine gemeinsame Trägerschaft oder eine anderweitige verbindliche Beteiligung Dritter im Archivneubau nicht realisierbar sein, möge die Verwaltung alternative Planungen zur Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek vorantreiben mit dem Ziel, ihren Bestand zu sichern und dem Fachpublikum zugänglich zu machen.

Die KMB ist eine deutschland- und europaweit bedeutsame wissenschaftliche Institution, deren Bestand auch zukünftig gesichert wird!

Mit freundlichen Grüßen
Martin Börschel MdL
Fraktionsvorsitzender

Dr. Eva Bürgermeister
Kulturausschussvorsitzende''


Das hört sich doch gut an, Danke, mag man da denken. Die juristisch relevante Version - also die de fakto gültige - folgt aber nun hier. Das Folgende ist ein Ausschnitt des sog. Dringlichkeitsantrages, a.k.a. die Entscheidung:

''Beschluss:
 
1. Die Verwaltung wird daher beauftragt, eine Alternativplanung für das neue Historische Archiv ohne KMB vorzulegen, mit dem Ziel, das Raumprogramm und damit die Investitions- und Betriebskosten deutlich zu reduzieren.
 

2. Unabhängig davon sind die technischen Standards für die Archivierung gemessen an vorhandenen Benchmarks für Archive zu überprüfen, um ggf. Investitions- und Betriebskosten zu reduzieren. Auch ist die Planung in Hinsicht auf das zukünftige Nutzerverhalten angesichts fortschreitender Digitalisierung zu überprüfen und ggf. anzupassen.

3. Bis zur Inbetriebnahme des neuen Historischen Archivs besteht die Notwendigkeit, die Archivalien sachgerecht unterzubringen. Die Verwaltung wird beauftragt, geeignete sachgerechte und wirtschaftliche Lösungen kurzfristig darzulegen.
 

4. Der Fachbeirat und ggf. Dritte sind einzubeziehen. Die Ergebnisse der Alternativplanung sind den zuständigen Ausschüssen so rechtzeitig vorzulegen, dass der Rat am 18. Juni 2013 die notwendigen Beschlüsse fassen kann.
 

II. Kunst- u- Museumsbibliothek (KMB)
Die KMB ist eine deutschland- und europaweit bedeutsame wissenschaftliche Institution, deren Bestand auch zukünftig gesichert werden soll. Der Betrieb der KMB stellt jedoch keine alleinige kulturelle Aufgabe im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge dar. Die Verwaltung hat daher als Konsolidierungsmaßnahme (Einsparvorschlag Nr. 5, Dez. VII) zum Haushaltsplan 2010/2011 die „Schließung der Kunst- und Museumsbibliothek bei gleichzeitiger Anbindung des Rheinischen Bildarchivs an das Historische Archiv“ geplant. Laut Haushaltsplan 2010/2011 sollte so ab Hhj. 2012 1,0 Mio. Euro p.a. eingespart werden und die KMB zum 01.01.2012 geschlossen werden.


Die Antragsteller sind diesem Vorschlag so nicht gefolgt. Im Zuge der Hpl-Beschlussfassung 2010/2011 wurde hingegen die Verwaltung beauftragt, mit der Universität zu Köln und dem Wissenschaftsministerium NRW Gespräche mit dem Ziel aufzunehmen, zukünftig die Kosten der KMB angemessen anteilig zu tragen, um die Belastungen für den städtischen Haushalt dauerhaft deutlich zu senken.


Beschluss: 

1. Die Verwaltung wird beauftragt, die Gespräche mit der Universität zu Köln, dem Land NRW und eventuell Dritten fortzuführen, mit dem Ziel, kurzfristig einen belastbaren Verhandlungsstand zur Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek im Archivneubau zu erreichen. Die Ergebnisse zu möglichen finanziellen oder trägerschaftlichen Beteiligungen sind den zuständigen Ratsgremien konkret vorzulegen.
 

2. Sollten eine gemeinsame Trägerschaft oder eine anderweitige verbindliche Beteiligung Dritter im Archivneubau nicht realisierbar sein, sind mit der Universität zu Köln, dem Land NRW und möglichen Dritten alternative Planungen zur Zukunft der Kunst- und Museumsbibliothek voranzutreiben mit dem Ziel, ihren Bestand zu sichern und dem Fachpublikum zugänglich zu machen.
 

3. Das Konzept ist dem Ausschuss Kunst- und Kultur sowie dem Finanzausschuss so rechtzeitig vorzulegen, dass der Rat am 18. Juni 2013 die notwendigen Beschlüsse fassen kann.
 

Begründung:
Erfolgt mündlich
''


Das heisst also: Die KMB ist der Stadt Köln keine Föderung wert, weil sie keine kulturelle Aufgabe im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge darstellt. Sollte keine finanzielle Unterstützung von Dritten da sein, wird sie nicht ins neue Stadtarchiv integriert. 

In einem Monat ist es soweit. Wer sich einmischen will, findet Kontaktdaten von Verantwortlichen und Unterstützern hier.

Fazit und Hinweis: Wie schon beim Zuschuss für Tanzgastspiele zeigt sich, dass gebenchmarkte Kalkulationen und Worthülsen Realität sind. Dies ist eine parteiübergreifende, bundesweite - um nicht zu sagen globale - Entwicklung des politischen Prozesses. 

Wir empfehlen kritische Lektüre - Herbert Marcuse Der Eindimensionale Mensch sowie den recht aktuellen Sammelband Kreation und Depression  - und persönliche Aktion

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