Montag, 16. April 2012

Geschlossene Gesellschaft: Eine Glosse zur TEFAF 2012


 © TEFAF 2012

TEFAF: Eine oberflächliche Betrachtung, die nichts mit Kunst und deren Präsentation zu tun hat, oder irgendwie doch?

Wobei genau handelt es sich bei dieser Messe, die sich selbstverständlich „The European Fine Art Fair“ nennt?
Schon auf dem Parkplatz wird dem Besucher (also, in diesem Fall mir) ganz deutlich und eindringlich bewusst: hier hebt sich nicht das eine Prozent von den restlichen Neunundneunzig ab - nein, hier befindet man sich schon im Promillebereich der Gesellschaft oder sogar bereits im Aston-Martin-Bereich.

Besucher - wie Aussteller - gehören auf den ersten Blick, auch dem des ungeübten Betrachters, einer speziellen - wie seltenen - Kaste an. Eine Gruppe von Menschen, denen der gute Geschmack in die Wiege gelegt wurde. Niemand ist schlecht angezogen, vielleicht légère, vielleicht lässig, aber niemals auch nur im entferntesten schlecht. Das liegt nicht alleine am Preis der guten Garderobe, der ohne Zweifel bei den meisten Anwesenden über dem Durchschnittsgehalt (monatlich oder jährlich? Spielt für die Pointe wahrscheinlich keine Rolle mehr) eines Kunsthistorikers liegt, nein es liegt ausschließlich am ausserordentlichen Geschmack.

© TEFAF 2012

Bei anderen Gelegenheit sieht man häufig, dass guter Geschmack nicht zu kaufen ist und wenn man auf dieser Messe umherstreift, könnte man einen genetischen Zusammenhang vermuten. Wahrscheinlicher ist jedoch Generationen langes Training, welches das Gros der Besucher und Aussteller, sich ganz automatisch und selbstverständlich perfekt kleiden lässt.
Warum ist die Beobachtung mit der Garderobe so wichtig? Weil sie sich ins Gesamtbild einpasst und wichtige andere Fragen aufwirft. Zunächst muss gesagt werden: alleine die Ausstattung die Messe, der Blumenarrangements, das freundlich-reservierte Servicepersonal, alles perfekt, immer frisch und glänzend.
Nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern auch eine Barriere - in ein glänzendes Fünf-Sterne-Hotel verirrt sich ja auch kein Durchschnittstourist.

© TEFAF 2012

Nun ist die Frage: wer sind diese Leute und was tun Sie auf dieser Messe, was ist der Zweck des Ganzen?
Offensichtlich findet man hier keine jungen Talente, Produzentengalerien, schräge Kunstprojekte und so weiter. Hier gibt es ausschließlich Gutes, Bewährtes, Wertstabiles.
Von Ausgrabungsschätzen bis Bauhausmöbeln - von Herrscherportraits bis Cartierschmuck - von Dürer bis Picasso, hier ist alles was in den existierenden künstlerischen Gattungen Rang und Namen hat zu sehen – Gebäude wurden nicht angeboten, vielleicht habe ich die Architekturabteilung aber auch überschlagen!

Man hat unweigerlich das Gefühl, in einen Geschäftszweig des europäischen Geldadels geraten zu sein. Dort wo die Schwester oder Nichte eines Quandts oder Thyssens eine Galerie oder ein Antiquitätengeschäft führt, vielleicht schon in der X-ten Generation. Wo sich London, Mailand und München begegnen und schon sehr lange kennen. Man fühlt sich zu Besuch bei Menschen, die vor langer Zeit das Perpetuum mobile entdeckt haben und sich dessen mit angeborenem Understatement vollkommen bewusst sind.

© TEFAF 2012

Nichts von dem was hier gezeigt und verkauft wird, kann jemals ernsthaft oder dauerhaft an Wert verlieren. Außerdem sieht man keine Restauratorenalbträume, wie Werke von Dieter Roth oder Joseph Beuys. Meist praktische, relativ unempfindliche und hochpreisige Ware (die im Bestfall auch noch gut aussieht) – die perfekte Investition in die Zukunft.

Geschlossene Gesellschaft: Hier sind sie, die wahren Schönen und Reichen, aber vor allem die Cleveren!


... ich denke ich kaufe diesmal nichts, trinke noch ein Glas Sancerre in der Austern-Bar und schaue nur zu – vielleicht im nächsten Jahr ...


Service:

© TEFAF 2012

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