Kunst spielerisch entdecken – Die Kölner Ausstellung ’Autotheater’ von Franz West
Das Kölner Museum Ludwig widmet dem 62jährigen Künstler Franz West die erste große Retrospektive in Europa. Ein vielseitiger Parcours mit Arbeiten von 1972 bis heute, der einen guten Überblick auf das Werk des österreichischen Enfant terrible bietet. West ist dank seines subversiven Humors und spektakulärer Aktionen bekannt. In Wien goss er 2001 rosa Lack auf einen schicken Maserati und verwandelte ihn auf deisem Wege in eine Autoskulptur - Bild- und Kronenzeitung schlachteten den Kunstskandal genüsslich aus. So oder ähnlich provoziert West immer wieder gerne Fragen nach dem Wesen und Sinn von Kunst.
Kunstbetrachtungen
Die Ausstellung beginnt mit einer Installation, die an ein Möbellager erinnert. Der Besucher wird von den West-typischen, kargen Metallbänken empfangen, die mit bunten Stoffen belegt sind und Kunstkennern seit seinem docementa-Beitrag vertraut sind. Ein verwirrender wie entspannter Auftakt. Links und rechts von den Sitzmöbeln laufen Videos. Von den Bänken aus fällt der Blick in den Empfangsbereich. Die Besucher des Museums scheinen im Zentrum zu stehen. West lädt zum Beobachten des Publikums ein - Selbstreflexion oder Voyeurismus?
Ungewöhnliche Annäherungen - Neurosen werden Plastik
Im nächsten Raum wird deutlich, dass Wests Werke auf neugierige und aktive Besucher warten. Von der Decke hängen ringförmige "Passstücke", die man sich über Kopf und Oberkörper stülpen kann. Damit keine Missverständnisse entstehen, signalisiert eine schwarze Hand an der Wand, dass es sich um Werke handelt, die benutzt werden sollen. Kunst und Mensch passen sich einander an, entwickeln eine körperliche Beziehung. Der freie Umgang war und ist die Besonderheit der "Passstücke", mit denen West seit den 1980er Jahren bekannt wurde. Ziel ist ein unbefangenes Spiel.
Bitte keinen Abstand halten - Berühr mich!
West strebt nach einem aktiven Dialog zwischen Kunst und Mensch. Seine "Passtücke" und Möbelskulpturen sollen benutzt werden und brechen mit der Tradition. Kunst gilt als kostbar und fragil, sie soll nicht berührt werden. Absperrungen, Linien auf dem Boden oder Aussichtspersonal sorgen für den gewünschte Distanz. Diese Tradition des Kunsterlebens ist so tief in den Köpfen der meisten Menschen verankert, dass sich trotz der Aufforderungen auch in Köln kaum jemand traut, die Objekte zu berühren.
Demokratische Kunst
Die "Passstücke" erinnern an die Fluxus-Bewegung der 1960er und 1970er Jahre, die einen spielerischen und demokratischen Umgang mit Kunst suchte. Dieser Ansatz zeigt sich auch an den möbelartigen Objekten, die West seit den 1980er Jahren schafft. Er baut seine Möbelskulpturen aus billigem Material wie Baustelleneisen und Sperrholz. Grenzen zwischen Design und Kunst verschwimmen. So wie die "Kantine" (1998) genannte, aus schlichten weißen Tischen und Stühlen bestehende Installation, die - um einen pinkfarbenen Phallus gruppiert - einmal das Café im Kölner Museum möblierten. Doch die harten Sitzflächen und rauhen Kanten der Möbel wollten sich dem Café-Gästen nicht so recht anschmiegen und wurden schließlich gegen langweilige Standardware ausgetauscht. Der Titel "Kantine" führt bewusst in die Irre. "Die Bezeichnung (…) ergibt sich aus dem ins Weibliche transmutierten Namen Kant…", erklärt West listig auf einem Plakat. Philosophen haben es dem Künstler angetan, sein Werk ist voller Referenzen an deren Ideen und Konzepte.
Remix
West kreuzt Hoch- und Alltagskultur, Spiel und Ernst miteinander. Stühle sind Skulpturen und Kommoden werden Sockel für Skulptur. Spielerisch überwindet er so Grenzen zwischen angewandter und bildender Kunst. Neben feinsinnigen wie derben Humor ist vor allem Irritation Programm: "Treten Sie hinter den Paravant, entkleiden Sie sich und legen Sie das Gewand auf den Sessel. Bleiben Sie 5 Minuten so und verhalten Sie sich nach eigenem Ermessen" lautet die "Anleitung" der Installation "Ohne Titel" (1989).
Ist das Kunst, fragt die Boulevardpresse stellvertretend
Die Kölner Ausstellung gleicht einem listigen Verwirrspiel. Wie ernst man die Worte Wests nimmt, bleibt jedem überlassen. Als subtiler wie ironischer Hinweis auf diese Freiheit erscheinen die auf den Tischen der "Kantine" liegenden Kartenspiele. Wer mit der Kunst nichts anzufangen weiß, kann Karten spielen.
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Links/Service:
FranzWest.at - Atelier + Archiv
art - kunstmagazin online-Rezension Almuth Spiegler
Die Kölner Ausstellung läuft noch bis zum 14.03.2010.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage): 10 – 18 Uhr
jeden ersten Donnerstag im Monat: 10 – 22 Uhr
montags geschlossen
Die Ausstellung wird im Mai 2010 im Museum Madre in Neapel und anschließend ab September 2010 im Kunsthaus Graz zu sehen sein.
2 Kommentare:
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